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Erste Bewegung

22. Juni 2007

Beim EU-Gipfel zeigt sich Polen offen für neue Angebote. Der britische Premier Blair beharrt dagegen weiter auf seiner Position. Doch der Wille zur Einigung sei vorhanden, sagt Kanzlerin Merkel.

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Kanzlerin Merkel und der polnische Präsident Kaczynski (Quelle: AP)
Hauen und Stechen in Brüssel: Kanzlerin Merkel und der polnische Präsident KaczynskiBild: AP

Der EU-Gipfel zur Zukunft Europas ist am Freitagmittag (22.6.2007) in Brüssel in seine entscheidende Phase eingetreten. Bundeskanzlerin Angela Merkel unterrichtete als amtierende EU-Ratspräsidentin bei einem Mittagessen die anderen Staats- und Regierungschefs über ihre bilateralen Gespräche zur Schaffung einer neuen Rechtsgrundlage für die EU. Es gebe keine Katastrophenstimmung, hieß es aus der deutschen Delegation. Ein Problem nach dem anderen werde abgearbeitet. "Es braucht noch Zeit", verlautete zum weiteren Verlauf der Gespräche. Weiterhin wird mit einer Verständigung frühestens in der Nacht zum Samstag gerechnet.

Spekulationen, wonach Merkel dem polnischen Präsidenten Lech Kaczynski ein verspätetes Inkraft-Treten der neuen Regelungen im Jahr 2014 als Kompromiss angeboten habe, wurden zurückgewiesen. Zuvor hatte die polnische Seite vorgeschlagen, der Vertrag von Nizza solle bis zum Jahr 2020 gelten. EU-Parlamentspräsident Hans-Gert Pöttering wertete diesen Schritt der Polen zwar grundsätzlich als Bewegung. Das Jahr 2020 sei aber für das Parlament nicht akzeptabel.

Polen streiten über Verhandlungsstrategie

In der polnischen Delegation lagen die Nerven indes blank. Nach einem Streit über die Verhandlungsstrategie ließ Kaczynski seiner Außenministerin Anna Fotyga freie Hand, wie Diplomaten berichteten. Die Delegation aus Warschau legte bei Merkel nun alle Forderungen gleichzeitig auf den Tisch, nicht nur die Wünsche nach mehr Stimmengewicht. Polen setze nicht mehr auf Allianzen mit anderen Ländern etwa bei der Energiesicherheit. "Wir spielen das jetzt alleine", sagte ein Diplomat.

Merkel hatte am Vormittag nochmals mit Kaczynski gesprochen, der vor Beginn des Gipfels mit einem Veto wegen der geplanten neuen Ermittlung der Mehrheit in der EU gedroht hatte. Danach traf sie sich auch mit dem britischen Premierminister Tony Blair, der ebenfalls noch große Einwände gegen Teile des neuen EU-Grundlagenvertrags hat.

Keine Fortschritte in der Nacht

Symbolbild Quadratwurzel
Kaczynski liebt die Quadratwurzel

Bereits in der Nacht hatte sich Merkel mit dem polnischen Präsidenten Lech Kaczynski und dem litauischen Staatspräsidenten Valdas Adamkus getroffen. Auch Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy wollte Kaczynski in der Nacht überzeugen, seine Widerstände gegen eine grundlegende Reform der EU-Verträge aufzugeben. "Es ist nichts entschieden", sagte der polnische EU-Botschafter am frühen Freitagmorgen. Es gebe Vorschläge, die den polnischen Forderungen entgegen kämen, aber nicht so günstig wie das von Polen vorgeschlagene Quadratwurzelsystem seien.

Am späten Donnerstagabend hatte sich Merkel zunächst verhalten optimistisch gezeigt, dass der Gipfel trotz der Widerstände aus Polen und Großbritannien erfolgreich abgeschlossen werden kann. Sie sah den Willen aller zur Einigung. "Wir müssen nun abwarten, ob sich das auch in Resultate überführt." Trotz des Widerstandes aus Polen und Großbritannien waren am ersten Verhandlungstag nach Einschätzung der deutschen Delegation bereits echte Fortschritte erzielt worden. Nach Beginn der Beratungen verlautete aus den Delegationen, dass die Bedenken der lange widerstrebenden Niederlande gegen das EU-Vertragswerk weitgehend ausgeräumt sind.

Polen macht deutsche Kriegsschuld geltend

Tony Blair steigt aus Auto(Quelle: AP)
Tony Blair hält an seiner Position fest (Archivbild)Bild: AP

Kaczynski und der britische Premier Tony Blair zementierten hingegen ihre Blockade-Positionen. Im erbitterten Streit um mehr Einfluss in der Europäischen Union machte Polen auch die Kriegsschuld Deutschlands geltend. Die anderen Gipfelteilnehmer reagierten mit Unverständnis: "Die Polen verhalten sich, als kämen sie von einem anderen Planeten", sagte der schwedische Außenminister Carl Bildt einem Diplomaten zufolge. Italiens Regierungschef Romano Prodi gab zu Protokoll: "Wenn Europa in der Vergangenheit lebt, ist alles verloren."

Der britische Premierminister Tony Blair wehrt sich gegen vier Punkte. Darunter sind eine stärkere Rolle der EU in der Außenpolitik und Auswirkungen der EU-Grundrechte-Charta auf nationales Recht in Großbritannien.

Dennoch zeigte sich Merkel unbeirrt. "Es hat sich gezeigt, dass ein breiter politischer Wille vorhanden ist", sagte sie. "Viele Fragen sind technischer Natur und manche auch hochpolitisch." Alle Gipfelteilnehmer seien entschlossen, "alles zu unternehmen, um zu einer Übereinstimmung zu kommen." Es gehe darum, "dass man die Mehrheitsmeinung und die Wünsche einiger in eine vernünftige Balance bringt". (rri)