1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Fragen an die Kommissare

12. Januar 2010

Alle EU-Kommissare müssen dem Europäischen Parlament bis zum 19. Januar in Anhörungen Rede und Antwort stehen. Das ist nicht nur reine Formsache. Vor fünf Jahren fielen zwei Bewerber für die EU-Kommission durch.

https://p.dw.com/p/LO3O
Der Franzose Michel Barnier, EU-Präsident Jose Manuel Barroso, der Spanier Joaquín Almunia , die Niederländerin Neelie Kroes den amtierenden baden-württembergischen Ministerpräsidenten Günther Oettinger und den Finnen Olli Rehn (Foto: dpa)
Barnier, Barroso, Almunia, Rehn, Oettinger, Kroes (im Uhrzeigersinn)Bild: picture-alliance / dpa

Jeweils drei Stunden lang werden die 26 Anwärter auf die Posten der EU-Kommissare von den zuständigen Ausschüssen des Parlaments befragt. Die Parlamentarier wollen herausfinden, ob die Kandidaten die nötige Kompetenz für das zugedachte Ressort haben. Außerdem müssen die zukünftigen Kommissare nachweisen, dass sie die richtige europäische Gesinnung besitzen, dass sie kommunizieren und führen können. Das gilt vor allem für die 13 Bewerber, die neu nach Brüssel kommen. Die übrigen 13 Kommissare gehören bereits der amtierenden EU-Kommission an.

Aus Stuttgart nach Brüssel

Der baden-württembergische Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) lacht (Foto: dpa)
Günther Oettinger: Lächeln für EuropaBild: picture alliance/dpa

Neu in Brüssel ist auch der deutsche Kommissar Günther Oettinger. Bislang war der CDU-Politiker Ministerpräsident in Baden-Württemberg. Er musste, wie die übrigen Kandidaten auch, einen Lebenslauf einreichen, seine finanziellen Interessen erklären und schriftlich auf sechs Seiten Fragen der Parlamentarier zu seinem Ressort "Energiepolitik" beantworten.

Die Mitgliedsstaaten haben das Personal benannt, Kommissionspräsident José Barroso durfte die Ressorts und Aufgabengebiete zuschneiden. Eine ursprünglich geplante Verkleinerung der EU-Kommission von 2014 an ist am Widerstand Irlands gescheitert. Jetzt behält jedes Mitgliedsland einen Kommissar in Brüssel.

Man kann auch durchfallen

José Barroso selbst ist bereits im September 2009 auf Vorschlag der Staats- und Regierungschefs vom Parlament in seinem Amt bestätigt worden. Der ehemalige portugiesische Regierungschef ist der 27. EU-Kommissar.

Rocco Butiglione sitzt im Parlament in Brüssel (Foto: AP)
Rocco Buttiglione 2004: Das Parlament wollte ihn nichtBild: AP

Bei den Anhörungen zur ersten Kommission unter Barroso im Herbst 2004 fiel der konservative italienische Bewerber Rocco Buttiglione durch. Der designierte Justizkommissar hatte sich kritisch über Homosexuelle geäußert. Außerdem musste die europaskeptische lettische Kandidatin Ingrida Udre ersetzt werden. Der Ungar Laszlo Kovacs durfte das ursprünglich geplante Ressort, Energie, nicht übernehmen. Statt dessen wurde er Kommissar für Steuern und Zollunion. Das Parlament zeigte damals seine Muskeln, deshalb wird José Barroso diesmal darauf bedacht sein, die Ernennung der Kommission möglichst reibungslos über die Brüsseler Bühne zu bringen.

Wer ist ein richtiger Europäer?

Die Parlamentarier werden versuchen, mit kritischen Fragen mögliche Interessenkonflikte der neuen Kommissare aufzudecken. Die Mehrheit der Kommissare gehört konservativen Parteien an. Sie werden vor allem von den linken und grünen Fraktionen im Parlament mit kritischen Fragen rechnen müssen. Günther Oettinger warb in seinem schriftlichen Fragebogen für sein Bundesland Baden-Württemberg. Nach seiner Nominierung versprach er in Stuttgart: "Ich bleibe Baden-Württemberger." Möglich, dass manche Abgeordnete die europapolitische Eignung des Politikers aus der Provinz in Frage stellen werden.

Rumiana Jeleva (Foto: Europäisches Parlament)
Sie erwarten kritische Fragen: Rumiana JelevaBild: Europäisches Parlament

Mögliche Interessenkonflikte sehen die Parlamentarier bei der nominierten EU-Kommissarin aus Bulgarien, Rumiana Jeleva. Sie soll für internationale Hilfsprojekte und Katastrophenhilfe zuständig sein. Ihr Ehemann betreibt jedoch ein Wohnungsbauunternehmen, das auch in diesen Bereichen tätig war.

Raum für Überraschungen

Der liberale Abgeordnete Andrew Duff organisiert die Anhörungen. Er glaubt, dass die Kandidaten vor allen Dingen mit Persönlichkeit, Cleverness und Kenntnissen der EU-Verträge überzeugen können. Sein konservativer Kollege Werner Langen hält Überraschungen für möglich: "Oft passieren diejenigen, über die vorher viel spekuliert wurde, ganz einfach den Test. Andere wiederum, bei denen man es nicht gedacht hätte, haben Schwierigkeiten."

Fahnen der EU Mitgliedländer im Plenarsaal vom EU Parlament in Brüssel (Fotio: Trajche Tosev)
Im Brüssler Plenarsaal fällt die EntscheidungBild: DW

Nach der Befragung im Parlament beraten die Fraktionsvorsitzenden und die Vorsitzenden der Ausschüsse über die Kandidaten. Sollte es keine Änderungswünsche geben, kann das Parlament am 26. Januar 2010 in einer Sondersitzung in Brüssel der neuen Kommission zustimmen.

Die EU-Kommission ist mit ihren fast 25.000 Beamten in Brüssel die politische Verwaltung der Europäischen Union. Sie überwacht die Einhaltung der EU-Verträge und schlägt neue Gesetze und Verordnungen vor. Besonders einflussreich ist die Kommission in der Agrarpolitik, beim Wettbewerbs- und Handelsrecht sowie beim Verbraucherschutz.

Autor: Bernd Riegert
Redaktion: Julia Kuckelkorn