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Politik

EU-Kommissarin will Polen den Geldhahn zudrehen

19. Juli 2017

Im Streit um Polens Justizreform droht EU-Justizkommissarin Jourova Warschau mit dem Entzug von EU-Fördergeldern. Gegenwind bekommt die Regierung überraschend auch aus dem eigenen politischen Lager, von Präsident Duda.

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Belgien EU-Kommissarin für Justiz, Verbraucher und Gleichstellung Vera Jourova
EU-Kommissarin Jourova (Archivbild) fordert von Polen die Einhaltung rechtsstaatlicher PrinzipienBild: picture-alliance/AA/D. Aydemir

Polen: Veto gegen Justizreform

Mit Blick auf das von Polens nationalkonservativer Regierung verabschiedete Gesetz zur Gerichtsreform hat EU-Justizkommissarin Vera Jourova dem Land mit dem Entzug von EU-Fördergeldern in den kommenden Jahren gedroht. In einem Gespräch mit der "Neuen Osnabrücker Zeitung" sagte Jourova: "Wir müssen über die Einhaltung von Grundrechten und rechtsstaatlichen Prinzipien als Bedingungen dafür, dass ein EU-Staat Geld vom europäischen Steuerzahler bekommt, reden." Dies sei eine Frage der Fairness.

Die Justizkommissarin fügte hinzu: "Ich kann mir nicht vorstellen, dass etwa deutsche oder schwedische Steuerzahler für die Errichtung einer Art von Diktatur in einem anderen EU-Land bezahlen wollen." Die aus Tschechien kommende Kommissarin betonte, dass es dabei nicht um laufende Gelder gehen könne, sondern erst um Auszahlungen in der nächsten Förderperiode, die im Jahr 2021 beginnt.

Jourova: Harte Schritte erforderlich

Die EU-Kommissarin zeigte sich schockiert über die polnische Justizreform und sagte, dass "die Dinge in Polen in die falsche Richtung laufen". Jourova kritisierte: "Wir sehen eine systematische Abschaffung der Rechtsstaatlichkeit in Polen, weil das Machtgleichgewicht zwischen Judikative und Exekutive zerstört wird."

Da das von der EU-Kommission eingeleitete Rechtsstaatsverfahren voraussichtlich keine Sanktionen zur Folge haben werde, müsse man neue Mittel in Betracht ziehen. "Der Entzug von Fördergeldern ist ein harter Schritt, aber wir müssen über harte Schritte nachdenken", sagte Jourova.

Polen ist bei weitem der größte Nettoempfänger innerhalb der Europäischen Union. Sollte die EU ihre Fördergelder kürzen, würde das die polnische Wirtschaft empfindlich schwächen. Die EU-Staaten müssten allerdings einer solchen Regelung, die die Vergabe von EU-Fördermitteln an die Rechtsstaatlichkeit knüpft, zustimmen. Jourova zeigte sich optimistisch: "Es sollte im Interesse aller Mitgliedstaaten sein, die Regeln zu beachten, das ist das Prinzip der vereinten EU."

Die EU-Kommission warnt seit Monaten vor den Plänen zur Gerichtsreform in Polen. Die Brüsseler Behörde will sich an diesem Mittwoch mit dem Thema befassen.

Münchner Sicherheitskonferenz
Präsident Duda bremst Justizreform ausBild: picture-alliance/dpa/M. Balk

Kritik von höchster Stelle im Inland

Polens Regierungspartei PiS ist mit ihrer Justizreform  unerwartet auf Widerstand bei Präsident Andrzej Duda gestoßen. Der Staatschef verlangte eine Überarbeitung des kürzlich verabschiedeten Gesetzes, mit dem die Regierung ihren Einfluss auf die Besetzung von Richterstellen massiv ausweiten will. Duda erläuterte seine Bedenken im polnischen Fernsehen. Das Gesetz wirke in der jetzigen Form "wie ein politisches Diktat" bei der Richterbesetzung. Die Justiz dürfe nicht von einer politischen Partei instrumentalisiert werden. Er drohte damit, auch die geplante Reform des Obersten Gerichts zu blockieren. Präsident Duda zählt eigentlich zum politischen Lager der PiS, deren umstrittene Projekte hat er bislang in der Regel mitgetragen. Ministerpräsidentin Beata Szydlo lässt bislang keine Bereitschaft zum Einlenken erkennen. Die Partei werde "die Reformen ganz zu Ende bringen", sagte sie vor Abgeordneten.

Am Dienstagabend gingen wieder tausende Menschen auf die Straßen, um für den Erhalt des Rechtsstaats in Polen zu demonstrieren.

qu/jj (afp, kna, dpa)