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Zu groß für die Kommission

1. Februar 2012

Ein Zusammenschluss der Deutschen Börse und der NYSE Euronext zur weltgrößten Börse ist geplatzt. EU-Kommissar Almunia sieht die Gefahr von Wettbewerbsverzerrungen. Andere halten das Verbot für einen schweren Fehler.

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Almunia während der Pressekonferenz zur Börsenfusion (Foto: Reuters)
EU-Kommissar Almunia befürchtete ein Quasi-MonopolBild: REUTERS

Monatelange Lobbyarbeit und auch einige Zugeständnisse haben das Fusionsverbot nicht verhindern können. “Am Ende hatten wir keine andere Wahl als die Fusion zu verbieten“, so der EU-Wettbewerbskommissar Joaquín Almunia am Mittwoch (01.02.2012) in Brüssel. Grund in den Augen der Kommission: eine marktbeherrschende Stellung des fusionierten Unternehmens. Solche “monopolartigen“ Positionen gelte es zu verhindern. “Das Verbot hat das Ziel, die europäische Wirtschaft gegen die verzerrenden Auswirkungen einer Fusion zu schützen, die einen wirkungsvollen Wettbewerb praktisch ausgeschaltet und gravierende Schäden für Verbraucher gehabt hätte“, sagte Almunia.

Höhere Preise für die Kunden und weniger Innovation wären die Folge gewesen, glaubt der Kommissar. Der Spanier sieht zwar grundsätzlich den Vorteil von Effizienzgewinnen durch einen solchen Zusammschluss. Die negativen Effekte hätten in diesem Fall aber bei Weitem überwogen. Im Laufe des Verhandlungsprozesses hatten die beiden Börsenbetreiber durchaus Zugeständnisse gemacht - wohl aber nicht genug, um die Kommission umzustimmen.

Einen europäischen Champion verhindert?

Doch offenbar war nicht jeder Kommissar auf der Linie Almunias. Zwar habe es keine formale Abstimmung gegeben, sagte der, deutete aber an, dass zumindest Binnenmarktkommissar Michel Barnier Bedenken gehabt habe. Dem Vernehmen nach wollte Barnier einen europäischen Börsenchampion, der sich gegen asiatische Konkurrenz behaupten kann und als großer Block gesamteuropäische Standards durchsetzt. Ähnlich argumentiert auch der deutsche CDU-Europaabgeordnete Burkhard Balz; er ist Mitglied im Wirtschaftsausschuss des Europaparlaments. “Ich glaube, dass wir hier einen schweren Fehler machen, weil wir uns in unserer Wettbewerbsfähigkeit auf globaler Ebene damit schaden. Börsengeschäfte sind heute globale Märkte, und wir sollten dafür sorgen in Europa, dass wir eben einige starke Börsenanbieter im weltweiten Wettbewerb haben.“

Europaabgeordneter Burkhard Balz (Quelle: http://www.burkhard-balz.eu)
Europaabgeordneter Balz: "Schwerer Fehler"Bild: Burkhard Balz

Mit drastischen Worten kommentierte die Deutsche Börse die Entscheidung: Dies sei "ein schwarzer Tag für Europa und seine zukünftige Wettbewerbsfähigkeit auf den weltweiten Finanzmärkten." Die Entscheidung der EU-Kommission basiere auf einer "realitätsfremden verengten Marktdefinition, die der globalen Natur des Wettbewerbs im Derivatemarkt nicht gerecht wird", hieß es in einer Mitteilung. Etwas milder klang Deutsche-Börse-Chef Reto Francioni auf einer Pressekonferenz in Frankfurt: "Die Deutsche Börse ist gut gerüstet und hat genügend Kraft, um auch ohne die Fusion weiter zu wachsen und erfolgreich zu sein", sagte er. 

Fusionsverbote aus Brüssel sind eigentlich sehr selten

Nach Meinung Almunias sind die Frankfurter und die New Yorker Börse im Bereich der europäischen Derivate bereits jetzt Nummer eins und Nummer zwei. “Die beiden fusionswilligen Einheiten sind globale Anbieter. Sie hätten mehr als 90 Prozent nicht des europäischen, sondernd des weltweiten Marktes europäisch basierter Derivate gehabt.“ Jeder neue Anbieter hätte bei einem Zusammenschluss keine Chance mehr gegen den Giganten gehabt, glaubt der Kommissar. Allerdings werden über Marktanteile oft weit auseinanderliegende Angaben genannt. Das kommt vor allem daher, dass nur rund ein Zehntel des Derivatehandels überhaupt über Börsen abgewickelt wird.

Der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Börse AG, Reto Francioni (Foto: dapd)
Deutsche-Börse-Chef Francioni gab sich trotzig kämpferischBild: dapd

Fusionsverbote durch den Brüsseler Wettbewerbskommissar sind insgesamt sehr selten. Doch gerade bei Börsenzusammenschlüssen hat es in letzter Zeit mehrmals Stopsignale aus Brüssel gegeben. Die Frage, ob diese jüngste Entscheidung den Ton für weitere Fusionsversuche vorgeben werde, verneinte Almunia. Jeder Fall müsse getrennt betrachtet, aber nach denselben Wettbewerbsregeln bewertet werden.

Autor: Christoph Hasselbach, Brüssel
Redaktion: Henrik Böhme