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Wackliges Ost-Europa

19. März 2009

Die EU-Mitgliedsstaaten Ungarn und Rumänien haben derartige wirtschaftliche Schwierigkeiten, dass sie ohne Hilfe der EU in den Staatsbankrott mit unabsehbaren Folgen für die Europäische Union geraten könnten.

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EU-Wirtschaft in der Rezession (Grafik: DW)
EU-Wirtschaft in der Rezession

"Es tut uns leid, wir können heute kein Geld wechseln!", dieses Schild an der Tür einer Wechselstube am Budapester Hauptbahnhof machte vor einigen Wochen die Misere deutlich, in der die ungarische Volkswirtschaft steckt. Die weltweite Wirtschaftskrise hat die Kurse an der Budapester Börse weit stärker gedrückt als anderswo. Gleichzeitig hat die ungarische Landeswährung - der Forint - in den vergangenen Monaten erheblich an Wert verloren. Auch die Tatsache, dass der Handel mit ungarischen Staatsanleihen zumindest tagesweise ausgesetzt werden musste, hat zu Turbulenzen an den ungarischen Finanzmärkten geführt.

Verfehlte Kreditpolitik

Silhouette eines Bankenviertels mit Notrufsäule (Foto: AP)
Alarm im BankenviertelBild: AP

Während die einstige Vorzeige-Volkswirtschaft des ehemaligen Ostblocks im Ausland jegliches Vertrauen verspielt hat, leiden viele Ungarn unter einer verfehlten Kreditpolitik im Land. Die Banken haben ungarischen "Häuslebauern" über Jahre hinweg Kredite in Euro oder Schweizer Franken gewährt, die nun mit einer ständig abgewerteten eigenen Währung kaum noch zurückgezahlt werden können.

Die Folge liegt auf der Hand: Immer mehr Kredite platzen und entsprechend größer wird der Abschreibungsbedarf bei ungarischen Banken.

"Sonderfonds Osteuropa" gescheitert

Der ungarische Ministerpräsident Ferenc Gyurcsány bei einer Pressekonferenz im Juni 2008 (Foto: AP)
Schwere Zeiten auch für Ungarns Ministerpräsident Ferenc Gyurcsány (Archivfoto)Bild: AP

Es gibt noch ein zweites hausgemachtes Problem: Die Staatsausgaben sind zu hoch, zumal vor der letzten Wahl im Jahr 2006 noch einmal zahlreiche teure Wahlgeschenke verteilt und anschließend von der sozialistischen Regierung auch eingelöst wurden.

Anfang März 2009 scheiterte beim EU-Gipfel in Brüssel zudem ein "Sonderfonds Osteuropa". Auf Vorschlag des ungarischen Ministerpräsidenten Ferenc Gyurcsány sollte dieser Fonds den stattlichen Umfang von 190 Milliarden Euro haben. Die Ablehnung dieses ambitionierten Vorschlags macht klar, dass harte Zeiten und drastische Sparmaßnahmen auf das ungarische Volk zukommen werden.

Rumänien braucht Hilfe der EU

Rumäniens Präsident Traian Basescu (Foto: AP)
Rumäniens Präsident Traian Basescu hofft auf EU-GelderBild: AP Photo

Ähnlich ergeht es Rumänien, das neben Lettland und Ungarn mit einem EU-Notkredit vor dem Staatsbankrott gerettet werden soll. Das Land leidet zum einen unter den globalen Folgen der Wirtschaftskrise. Zum anderen belastet neben der enorm hohen Auslandsverschuldung auch das chronische Außenhandelsdefizit die rumänische Volkswirtschaft. Das ist ein Teufelskreis, denn das Defizit lässt die Verschuldung immer weiter steigen. Zur Bekämpfung dieses Kreislaufs hofft Rumäniens Präsident Traian Basescu auf eine EU-Finanzspritze von 20 Milliarden Euro, die als Kredit mit einer zweijährigen Laufzeit gewährt werden soll.

Die ökonomische Lage dieser drei Staaten und die Krise Islands, das durch ein aufgeblähtes und nicht funktionierendes Bankensystem in eine existenzielle Schieflage geraten ist, machen die Misere deutlich, in der die Europäische Union derzeit steckt.

Kollaps in Osteuropa verhindern

Solidarität und wirtschaftliche Vernunft gebieten es, EU-Mitgliedsstaaten finanziell zu stützen. Denn würde einer dieser Staaten den Staatsbankrott anmelden müssen, könnte das einen Domino-Effekt auslösen, der andere mit in den ökonomischen Abgrund reißt. Damit das nicht geschieht, hat die EU ihre Obergrenze für Kredithilfen Anfang des Jahres auf 25 Milliarden Euro verdoppelt. Bisher haben Ungarn 6,5 Milliarden und Lettland 3,1 Milliarden Euro aus dem Krisenfonds erhalten. Ob die restlichen gut 15 Milliarden ausreichen, hängt vom Verlauf der Rezession in Europa ab.

An solidarischer Hilfe aber führt nach Ansicht des Chefs des Internationalen Währungsfonds kein Weg vorbei. Er warnt vor einem Ausbleiben dieser Hilfe: "Ein Kollaps im Osten hätte schreckliche Rückwirkungen auf den Westen", so Dominique Strauss-Kahn gegenüber der "Süddeutschen Zeitung" Anfang März 2009.

Autor: Matthias von Hellfeld

Redaktion: Kay-Alexander Scholz