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EU nach Flüchtlingsdrama unter Druck

20. April 2015

Nach der wohl schwersten Flüchtlingskatastrophe im Mittelmeer steht die Europäische Union unter Druck. Zahlreiche Politiker fordern ein radikales Umdenken in der Einwanderungspolitik.

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Flüchtlingsboot im Mittelmeer (Foto: dpa)
Bild: Opielok Offshore Carriers/dpa

Eigentlich sollten andere Themen im Vordergrund stehen. Doch bei ihrem turnusmäßigem Treffen widmen sich die EU-Außenminister heute auch der Flüchtlingsfrage. Dafür hat die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini gesorgt.

Mit ihrer Änderung der Tagesordnung rennt Mogherini offene Türen ein. Auch EU-Ratspräsident Donald Tusk sieht die Notwendigkeit, möglichst schnell mit Vertretern aller Länder über eine Lösung des wachsenden Problems zu beraten. Er setzte für kommenden Donnerstag einen EU-Sondergipfel zum Thema an.

Mehr als 900 Tote?

Bei dem Untergang eines Flüchtlingsbootes in der Nacht zum Sonntag könnten rund 110 Kilometer von der libyschen Küste entfernt mehr als 900 Menschen ertrunken sein. Das berichtete einer der 28 Überlebenden. Zuvor waren die Behörden von rund 700 Toten ausgegangen. "Wir waren 950 Menschen an Bord, auch 40 bis 50 Kinder und etwa 200 Frauen", sagte der Mann aus Bangladesch gegenüber der Staatsanwaltschaft Catania. Viele Menschen seien im Laderaum eingeschlossen gewesen.

Das zweite schwere Unglück im Mittelmeer innerhalb von nur einer Woche löste heftige Kritik an der EU-Flüchtlingspolitik aus. In New York ließ UN-Generalsekretär Ban Ki Moon erklären, das Mittelmeer habe sich zur "weltweit tödlichsten Route" von Flüchtlingen entwickelt. Die Regierungen müssten nun nicht nur die Rettungseinsätze auf hoher See verbessern, sondern auch das Asylrecht für die wachsende Zahl von Menschen sicherstellen.

Der Präsident des Europäischen Parlaments, Martin Schulz, forderte ein generelles Umdenken bei der Flüchtlingspolitik in Europa. "Wir können nicht an dem Symptom weiter herumdoktern, sondern müssen erkennen, dass wir ein Einwanderungsgebiet sind und eine legale, geordnete Einwanderungspolitik benötigen", erklärte Schulz in einem Zeitungsinterview.

Abkehr von der Abschottung

Unterstützung bekommt Schulz dabei von seinem Parteikollegen Ralf Stegner. Der stellvertretende SPD-Vorsitzende fordert legale Möglichkeiten zur Einwanderung nach Europa. Nur so könne man Menschen den oft tödlichen Seeweg ersparen. Außerdem müsse sich die EU stärker in den Herkunftsländern der Flüchtlinge und den Transitländern wie Libyen engagieren.

Grünen-Chefin Simone Peter erklärte in einem Interview, eine weitere Abschottung der EU wäre zynisch und komme unterlassener Hilfeleistung gleich. Der Linken-Politiker Bernd Riexinger forderte die Abschaffung der EU-Grenzschutzagentur Frontex. Stattdessen müsse ein neues europäisches Seenotrettungsprogramm gestartet und die deutsche Entwicklungshilfe deutlich aufgestockt werden.

Libyen als Kooperationspartner

Der zuständige Bundesinnenminister Thomas de Maizière hatte zuletzt angekündigt, den Fokus auf den Kampf gegen die Schlepperbanden legen zu wollen. Doch dafür muss die EU unter anderem mit den Behörden in Libyen kooperieren. Das Land ist politisch höchst instabil und mit acht Polizeibooten für rund 1000 Kilometer Küste kaum in der Lage, Schlepperboote am Verlassen der Küstenregion zu hindern. Zudem hatten sich die EU-Staaten darauf geeinigt, nur dann zusätzliche Unterstützung zu leisten, wenn sich die libyschen Konfliktparteien auf eine Regierung der Nationalen Einheit einigen.

Seit Langzeitmachthaber Muammar al-Gaddafi 2011 mit Unterstützung des Westens gestürzt wurde, rivalisieren islamistische Milizen und nationalistische Kräfte um die Macht und Einfluss in Libyen. Alle Vermittlungsversuche der Vereinten Nationen sind bislang gescheitert.

djo/stu (afp, dpa)