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EU-Parlament verschiebt TTIP-Abstimmung

10. Juni 2015

Weil ein Scheitern im Europaparlament drohte, wurde eine für Mittwoch geplante Abstimmung zum Freihandelsabkommen zwischen EU und USA kurzfristig abgesagt. Die Entscheidung von Parlamentspräsident Schulz ist umstritten.

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Bild: picture-alliance/dpa/P. Seeger

Das Europaparlament hat sich nicht auf eine gemeinsame Haltung zu den Verhandlungen zwischen der EU und den USA über ein Freihandelsabkommen (TTIP) verständigen können. Eigentlich sollten die Abgeordneten am Mittwoch über eine gemeinsame Stellungnahme abstimmen, die Empfehlungen an die EU-Kommission für die weiteren Verhandlungen mit den USA enthält.

Die Abstimmung wurde jedoch kurzfristig abgesagt. Zu der mühsam zwischen den Fraktionen ausgehandelten Resolution gab es mehr als 200 Änderungsanträge, ein Hinweis darauf, dass sie wahrscheinlich nicht im Plenum durchgekommen wäre.

Parlamentspräsident Martin Schulz zog angesichts der möglichen Abstimmungsniederlage die Notbremse und verschob das Votum. Dabei beruft sich Schulz auf einen Artikel der Geschäftsordnung des Parlaments, wonach eine Abstimmung, zu der mehr als 50 Änderungsanträge vorliegen, an den zuständigen Ausschuss zurückverwiesen werden und später zur Abstimmung gestellt werden kann.

Streit um Schiedsgerichte

Die nun von der Tagesordnung genommene Resolution war ein Kompromiss, der von den europäischen Sozialdemokraten und der Christdemokraten im Handelsausschuss ausgehandelt worden war.

Gegner des TTIP-Abkommens bewerteten die Verschiebung als Zeichen der Panik aufseiten der Befürworter. "Sie sind in Panik, dass eine Abstimmung die tiefen Risse zeigen würde", sagte der französische Grünen-Abgeordnete Yannick Jadot.

"Trotz eines faulen Kompromisses im Handelsausschuss zwischen Sozialdemokraten und Konservativen ist man sich offenbar nicht ausreichend sicher, für die vorgeschlagenen Regelungen zur Paralleljustiz zugunsten von internationalen Investoren (ISDS) eine Mehrheit zu bekommen", sagte der Grünen-Abgeordnete Reinhard Bütikofer gegenüber "Spiegel Online".

Die Investor-Staats-Schiedsverfahren (ISDS) gelten als einer der Hauptgründe für den großen Widerstand in Europa gegen TTIP. Dabei handelt es sich um private Schiedsgerichte, vor denen Konzerne gegen Staaten klagen können, wenn sie die Sicherheit ihrer Investitionen gefährdet sehen. Kritiker befürchten, dass Unternehmen so die staatliche Justiz umgehen und nationale Gesetze aushebeln könnten.

Bütikofer wertete die Verschiebung der Abstimmung als Zeichen "politischer Manipulation" und Erfolg der Wirtschaftslobby.

Der Präsident des Bundesverbandese der Deutschen Industrie (BDI), Ulrich Grillo, begrüßte dagegen die Verschiebung. Es gebe immer wieder Vorwürfe, dass Kritik an dem Freihandelsabkommen nicht ernst genommen werde, sagte er dem TV-Sender ZDF. Insofern sei es positiv, dass man sich mit den Änderungsanträgen beschäftige.

Unterstützung und Widerstand

Die TTIP-Verhandlungen haben 2013 begonnen, ein Abschluss wird nicht vor 2017 erwartet. Das Europaparlament kann das Abkommen blockieren und muss im Verhandlungsprozess seine Haltung deutlich machen.

Die G7-Staaten hatten bei ihrem Gipfel in Bayern ein Bekenntnis zum Freihandelsabkommen abgelegt und Fortschritte bis Jahresende gefordert.

Die europaweit tätige Bündnis "Stop TTIP" hat unterdessen rund zwei Millionen Unterschriften gegen das geplante Freihandelsabkommen gesammelt. Vor der geplanten Abstimmung hatte das Bündnis die EU-Parlamentarier aufgefordert, gegen das Abkommen zu stimmen. "Das Mindeste ist, dass sich das Europäische Parlament klar gegen das Investor-Staat-Schiedsverfahren ISDS ausspricht", hatte "Stop TTIP"-Sprecher Karl Bär gesagt.

Rund 470 Verbände und Organisationen in der EU haben sich "Stop TTIP" bislang angeschlossen, darunter auch das evangelische Hilfswerk Brot für die Welt und die Katholische Arbeitnehmerbewegung Deutschlands. Die EU-Kommission hatte es im September abgelehnt, "Stop TTIP" als offizielle Bürgerinitiative anzuerkennen. Das Bündnis klagt gegen diese Entscheidung vor dem Europäischen Gerichtshof.

bea/ul (reuters, dpa, afp, kna, SpOn)