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Parteipolitik mischt mit

Bernd Riegert21. Juli 2012

In der Europa-Politik sind politische Parteien weniger wichtig als auf der nationalen Ebene. Trotzdem spielt links oder rechts, rot oder schwarz auch in Brüssel eine gewisse Rolle. Aktueller Fall: Rumänien.

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Flaggen der EU und Rumäniens (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Die EU-Kommission beurteilt die Politik des rumänischen Ministerpräsidenten Victor Ponta zurzeit sehr kritisch. Der Sozialist Ponta will den konservativen Präsidenten Rumäniens, Traian Basescu, aus dem Amt jagen. Der Streit zwischen den beiden politischen Lagern in Rumänien wird mit rechtlich zumindest zweifelhaften Mitteln ausgetragen, meint man in Brüssel. Der konservative Abgeordnete Elmar Brok hatte das Vorgehen der Sozialisten in Rumänien als "Staatsstreich" kritisiert. Der Vorsitzende der Sozialisten im Europäischen Parlament, Johannes Swoboda, sprang daraufhin seinem Parteifreund Ponta zur Seite und beklagte, die "parteipolitische Färbung der Debatte" um Rumänien. Dass sich die politischen Parteien im Europäischen Parlament beharken, ist nicht sonderlich verwunderlich. Allerdings wird die Frontlinie zwischen Rot und Schwarz nicht eingehalten. Denn auch der sozialdemokratische EU-Parlamentspräsident Martin Schulz kritisiert mittlerweile den rumänischen Sozialisten Ponta.

Offener Streit eher ungewöhnlich

Victor Ponta und Martin Schulz (Foto: Reuters)
Zwei Genossen: Premier Ponta (l.) und Parlamentspräsident SchulzBild: Reuters

Die konservative Bundeskanzlerin Angela Merkel äußerte sich besorgt über den Zustand des Rechtsstaates in Rumänien. Ponta schoss zurück, sein Land sei keine deutsche Kolonie. Einige Tage später bedauerte er seine Äußerungen. Die beiden Regierungschefs trugen ihren Konflikt entlang der Parteilinien aus. So öffentlich geschieht das zwischen Regierungen in der EU eher selten. Frau Merkel hatte keine Probleme damit, den konservativen Präsidentschaftskandidaten in Frankreich zu unterstützen, um dann nach dessen Scheitern "hervorragende" Beziehungen mit dem sozialistischen Wahlsieger einzugehen.

Eher neutral verhalten sich normalerweise die übrigen Spitzen der Europäischen Union. EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy oder EU-Kommissionspräsident Jose Barroso verurteilen Fehlverhalten oder zeigen sich besorgt oder lassen prüfen. Der liberale Van Rompuy und der konservative Barroso lassen sich nur ganz selten zu parteipolitischen Äußerungen hinreißen.

Lagerdenken im Parlament

Im Fall des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban lief die Sache ähnlich wie bei Premier Ponta, nur mit anderen Vorzeichen. Zunächst schossen sich die Sozialisten Ende vergangenen Jahres auf den nationalkonservativen Orban ein. Einige konservative Parlamentarier wie Markus Ferber (CSU) hielten die Vorwürfe gegen Orban zunächst für überzogen. Orbans Fidez-Partei gehört schließlich zu der konservativen Sammelbewegung "Europäische Volkspartei".

Viktor Orban und Herman van Rompuy (Foto:AP/dapd)
Rapport beim EU-Ratspräsidenten: Viktor Orban (l.)Bild: AP

Franz-Lothar Altmann, Professor für Internationale Beziehungen an der Universität von Bukarest, findet das parteipolitische Hickhack unpassend. "Was kritisiert werden muss ist, dass im Europäischen Parlament die verschiedenen Fraktionen sich dann auch sehr unterschiedlich verhalten. Zum Bespiel: Die Sozialdemokraten sind gegenüber Ponta viel nachsichtiger als gegenüber Orban. Und umgekehrt. Die Konservativen treten gegenüber Ponta sehr heftig auf, während sie bei Orban sehr zurückhaltend waren." Als sich dann aber Angela Merkel auf die Seite der Kritiker schlug und die EU-Kommission die ungarische Regierung im Januar scharf maßregelte, da war man sich in Europa über die Parteigrenzen hinweg einig: Ungarns Ministerpräsident Orban hatte die Rechte des Verfassungsgerichts und die Medienfreiheit verletzt.

Österreich wurde blockiert

Im bislang spektakulärsten Fall belegten damals 14 EU-Mitgliedsstaaten im Jahr 2000 das 15. Mitgliedsland Österreich mit Sanktionen. Was war geschehen? Der konservative Bundeskanzler Wolfgang Schüssel ging eine Koalition mit der Partei des rechtspopulistischen Nationalisten Jörg Haider ein. Die übrigen Regierungschefs waren fast alle empört und verabredeten, Österreich zu strafen. Allerdings ging die Initiative von einem Konservativen aus: dem französischen Präsidenten Jacques Chirac (Gaullist). Unterstützt wurde Chirac vom spanischen Konservativen Jose Maria Aznar und von den Sozialdemokraten Guterres (Portugal) und Schröder (Deutschland). Nach wenigen Monaten wurden die Sanktionen übrigens wieder abgeschafft. Gebracht hatten sie wenig. Kanzler Schüssel hielt an der Koalition mit den Rechten fest und saß fester im Sattel denn je.

Jacques Chirac (Foto: AP)
Jacques Chirac gab den Anstoß für Sanktionen gegen ÖsterreichBild: AP

Die Selbstkontrolle der Europäischen Union funktioniere aber im Großen und Ganzen, sagt der Historiker Wolfgang Höpken von der Universität Leipzig. Sowohl Viktor Orban als auch Victor Ponta haben am Schluss nachgeben und sich beim Rapport in Brüssel konziliant zeigen müssen. "Daran sieht man, glaube ich, dass dieser Kontrollmechanismus, der auch immer etwas Belehrendes hat, funktionieren kann", so Höpken gegenüber der Deutschen Welle.

Politische "Familien"

Parteien spielen vor allem im Europäischen Parlament eine große Rolle. Abgestimmt wird dort normalerweise nach Parteiinteressen. Also, die französischen Sozialisten stimmen zusammen mit den estnischen Sozialdemokraten gegen die finnischen Konservativen und die deutschen Christdemokraten oder umgekehrt. Je nach Sachentscheidung bilden sich immer neue Koalitionen. Im Parlament mit derzeit 754 Abgeordneten sind sieben Fraktionen von radikal links bis radikal rechts vertreten. Die größte Fraktion ist derzeit die konservative. Außerdem gibt es etliche fraktionslose Abgeordnete. Die Fraktionen sind als Sammelbecken nationaler Parteien nicht vergleichbar mit streng organisierten Fraktionen. Eine Regierungskoalition und eine Opposition wie in einem nationalstaatlichen Parlament gibt es in Straßburg und Brüssel nicht, da es ja auch keine europäische Regierung gibt, die vom Parlament gewählt oder getragen würde. Die EU-Kommission wird von den Nationalstaaten bestimmt. Nur der EU-Kommissionspräsident wird vom Parlament gewählt, aber von den Regierungschefs der 27 Nationalstaaten vorgeschlagen.

Europäisches Parlament in Straßburg von innen (Foto: dpa)
Das Europäische Parlament in StraßburgBild: picture alliance / dpa

Die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union, die gemeinsam den Europäischen Rat bilden, entscheiden eher selten nach Parteiräson, sondern vor allem nach den eigenen nationalen Interessen. Allerdings sind die Häuptlinge in "politischen Familien" lose verbunden. Vor jedem Gipfeltreffen kommen Konservative, Sozialisten und Liberale zu getrennten "Vor-Gipfeln" zusammen, um ihre Strategie abzusprechen. An diesen schwarzen, roten oder gelben Familien-Treffen dürfen auch Parteivorsitzende aus den jeweiligen Ländern teilnehmen. Diese Familien können aber manchmal auch strafen: Der slowakische Sozialist Robert Fico wurde 2006 von den eigenen Sozialdemokraten in Europa geächtet, weil er eine Koalition mit einer rechten nationalistischen Partei eingegangen war. Inzwischen regiert Fico alleine mit absoluter Mehrheit und ist im Kreis der europäischen Sozialisten wieder gern gesehen.