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Eine Frage der Balance

16. November 2009

Die EU muss zwei neue Top-Jobs vergeben. Doch das ist nicht so einfach. Viele Namen sind bereits im Gespräch, doch das Gerangel könnte bis zur letzten Minute dauern.

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Drei Politiker stehen nebeneinander: van Rompuy, Reinfeldt und Bildt (Foto: AP)
Auch im Gespräch: Belgiens Premier Hermann Van Rompuy (links)Bild: AP

In Brüssel kursiert im Moment ein Witz: Was ist der heißeste Ort Europas? Antwort: Fredrik Reinfeldts Telefon. Der schwedische Regierungschef und EU-Ratspräsident verbringt seit Tagen einen Großteil seiner Zeit mit dem Hörer am Ohr. Bei den Regierungen der 26 übrigen EU-Mitgliedsstaaten sondiert er, wer für den Posten eines ständigen Präsidenten des Europäischen Rates und den eines Hohen Repräsentanten für Außenpolitik infrage kommt.

Zur Not auch ohne Einstimmigkeit

Porträt von Frederik Reinfeldt (Foto: picture-alliance/dpa)
Frederik Reinfeldt: Es ist ein BalanceaktBild: picture-alliance/dpa

Bereits sichtlich entnervt sagte Reinfeldt jetzt in Brüssel, es gehe dabei um einen Balanceakt in gleich mehrerer Hinsicht: politisch zwischen rechts und links, außerdem zwischen kleineren und größeren Mitgliedsstaaten, zwischen Nord und Süd, West und Ost und zwischen Männern und Frauen. "Das Problem ist, bei nur zwei Posten, die zu vergeben sind, kriegt man das Gleichgewicht in allen diesen Aspekten kaum hin."

Eines steht praktisch fest: Die Christdemokraten beanspruchen den Posten des Ratspräsidenten, die Sozialisten den des außenpolitischen Repräsentanten. Alles weitere ist offen und könnte durchaus noch bis zum Ende des Abendessens der Staats- und Regierungschefs am Donnerstag (19.11.2009) in Brüssel offen bleiben. Reinfeldt hätte am liebsten eine einstimmige Entscheidung. Aber wenn das nicht geht, könnte er sich gezwungen sehen, mit qualifizierter Mehrheit abstimmen zu lassen. Diese neue Möglichkeit bietet der Lissabon-Vertrag.

Keine deutschen Kandidaten

Offizielle Kandidaten gibt es nicht. Doch über mögliche Kandidaten wird seit Wochen spekuliert. Es tauchen aber keine Namen aus Deutschland in der Diskussion auf, dem wichtigsten EU-Land.

Elmar Brok im Porträt (Foto: picture-alliance/dpa)
Europaabgeordneter Elmar Brok: Deutschland hat "nicht so viel Verbrauch" an RegierungschefsBild: picture-alliance/ dpa

Der deutsche CDU-Europaabgeordnete Elmar Brok hat dafür eine einfache Erklärung: Als Kandidat für den Ratspräsident komme nur ein jetziger oder früherer Regierungschef in Betracht. In Deutschland gebe es aber nicht so viele ehemalige Regierungschefs. Helmut Schmidt und Helmut Kohl stünden beispielsweise nicht mehr zur Verfügung, sagt Brok. "Und ich weiß nicht, ob Gerhard Schröder in den mittel- und osteuropäischen Staaten so viel Unterstützung finden würde. Und Angela Merkel hat sich für das Amt der Bundeskanzlerin entschieden." Der frühere deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier falle als Kandidat für das Amt des Hohen Repräsentanten aus, weil er als Kanzlerkandidat mit seiner SPD bei der jüngsten Bundestagswahl so schlecht abgeschnitten habe, so der Christdemokrat Brok nicht ohne Ironie.

"Ich liebe Euch immer noch"

Doch wieso finden die Sondierungen im Geheimen statt? Haben nicht die Bürger eines Landes ein Anrecht zu erfahren, ob ihr Regierungschef im Rennen für die Ratspräsidentschaft ist? Fredrik Reinfeldt findet die Vorstellung amüsant. "Das würde dann an das eigene Volk das Signal senden: Ich bin auf dem Weg zu einem neuen Job. Aber am Montag bin ich zurück, ich habe den Job nicht gekriegt, aber ich liebe euch immer noch…Also, wirklich, tut mir leid, das ist unrealistisch." So dürfte es bis zum letzten Moment bei der Geheimdiplomatie bleiben - und Reinfeldts Telefon dürfte dabei glühend heiß werden.

Autor: Christoph Hasselbach
Redaktion: Julia Kuckelkorn