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EU sagt Ja zu Beitrittsverhandlungen mit der Türkei

17. Dezember 2004

Die EU-Staats- und Regierungschefs haben der Türkei die Aufnahme von Beitrittsgesprächen im Herbst 2005 vorgeschlagen. Das Angebot steht unter Vorbehalt: Zuvor muss der Streit um Zypern beendet werden.

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Nächtliche Beratungen: Erdogan (links) und BalkenendeBild: AP

Die 25 EU-Staats- und Regierungschefs haben mit der Türkei erstmals einem muslimisch geprägten Land die Chance auf einen Beitritt zur Europäischen Union gegeben. Der niederländische EU-Ratspräsident Jan Peter Balkenende sagte Donnerstag Nacht (16.12.2004), die EU wolle mit der Türkei über eine Vollmitgliedschaft verhandeln. Dabei seien die Verhandlungen "ergebnisoffen". Falls sie scheiterten, solle die Türkei weiter fest in den europäischen Strukturen verankert werden. Damit hielt sich die EU an Vorschläge der EU-Kommission vom Oktober.

Positive Reaktionen

Die Verhandlungen über das Angebot an die Türkei seien nicht leicht gewesen, sagte Balkenende. Die EU-Staaten hätten sehr unterschiedliche Haltungen zur Türkei. Der Kompromiss in den zentralen Fragen des Verhandlungszieles und der Folgen eines Scheiterns hatte sich abgezeichnet, nachdem die Regierungschefs der konservativen Europäischen Volkspartei darauf verzichtet hatten, bereits eine zweitrangige Alternative für den Fall des Scheiterns der Gespräche vorzusehen.

Am Donnerstagabend hatte Bundeskanzler Gerhard Schröder das Ja der Staats- und Regierungschefs zu Beitrittsverhandlungen als "eine Entscheidung von ungeheurer Tragweite" gewertet. Der Gipfelbeschluss wird nach Überzeugung von Schröder den Modernisierungsprozess in der Türkei gewaltig unterstützen und ökonomisch einen "enormen Boom" auslösen. Davon werde auch Deutschland als wichtigster Handelspartner profitieren. EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso sagte: "Heute Abend hat die Europäische Union der Türkei mit einem ausgeglichenen Angebot ihre Tür geöffnet. Die Türkei sollte dieses sehr gute Angebot annehmen."

Stolperstein Zypern

Als Termin für den Beginn von Verhandlungen wurde der 3. Oktober 2005 vorgeschlagen. Die EU machte das Angebot jedoch unter dem Vorbehalt, dass die türkische Regierung die Republik Zypern anerkennt. Balkenende verhandelte in der Nacht zum Freitag mit dem türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan darüber. Dabei wurde deutlich, dass Erdogan mit den Bedingungen der EU nicht in allen Punkten einverstanden ist. In der Nacht zum Freitag erklärte Erdogan, es seien weitere Verhandlungen notwendig, ehe seine Regierung über das Angebot der EU-Staats- und Regierungschefs entscheiden könne.

Balkenende erklärte am Ende der nächtlichen Gespräche, dass die Beratungen am Freitag fortgesetzt würden. Die Gipfelrunde will zum Abschluss des Gipfels das Angebot offiziell beschließen. Zuvor hatte der italienische Ministerpräsident Silvio Berlusconi mit der Aussage Optimismus verbreitet, die türkische Regierung sei zur Anerkennung Zyperns bereit. Unter Berufung auf Erdogan sagte Berlusconi, Ankara brauche nur etwas Zeit, um die Frage dem türkischen Parlament vorzulegen.

Zypern ist seit 1974 geteilt, der Süden der Insel ist griechischsprachig, der Norden türkisch. Die Türkei versagt der Republik Zypern im Süden die völkerrechtliche Anerkennung. Eine Wiedervereinigung der beiden Inselteile war im März 2004 am Einspruch des griechischen Südens gescheitert. Hilfestellung in der Zypernfrage wird von UN- Generalsekretär Kofi Annan erwartet, der am Freitag nach Brüssel kommt.

Balkanländer auf der Agenda

Die ausstehende türkische Anerkennung Zypern ist die kritischste Frage des Gipfels. Allerdings gibt es noch weitere Programmpunkte, die am Freitag verhandelt werden müssen, wie zum Beispiel die von der Türkei kritisierten Vorschläge für Ausnahmen von der Öffnung der Arbeitsmärkte und von Agrar- oder Regionalzuschüssen.

Außerdem kommen die drei Kandidatenländer auf dem Balkan am Freitag auf die Tagesordnung. Wegen der ausführlichen Debatte über die Türkei entschieden die EU-Staats- und Regierungschefs, erst am zweiten Tag ihres Gipfels über Beitrittsverhandlungen mit Kroatien zu sprechen. Das gleiche gilt für Bulgarien und Rumänien. Für diese beiden Länder, mit denen die Verhandlungen bereits abgeschlossen sind, soll der Gipfel einen Beitritt zur EU am 1. Januar 2007 beschließen. (stl)