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EU und Indien: Schwierige Partner

Bernd Riegert30. März 2016

Es sollte ein Neustart der Beziehungen zwischen der EU und Indien werden. Doch ein Streit zwischen Italien und Indien trübt die neue Harmonie. Aus Brüssel Bernd Riegert.

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Belgien Brüssel EU-Gipfel Narendra Modi & Donald Tusk & Jean-Claude Juncker (Foto: Reuters/Y. Herman )
Von links.: Indiens Premier Modi, EU-Ratspräsident Tusk, EU-Kommissionspräsident JunckerBild: Reuters/Y. Herman

In Brüssel hielten der indische Premier Narendra Modi und die Verhandlungspartner von der EU schöne Reden über einen möglichen Neustart der Beziehungen zwischen den beiden großen Wirtschaftsraumen. Man reichte sich vor der indischen und der EU-Flagge einträchtig die Hände. "Die EU ist einer der wichtigsten strategischen Partner Indiens", schmeichelte Indiens Regierungschef Modi. Und auch in den Papieren der EU steht viel vom strategischen Partner Indien, mit dem man sich allerdings vier Jahre lang nicht mehr getroffen hatte.

Italien verklagt Indien

Zur gleichen Zeit leitete das EU-Mitglied Italien beim Internationalen Schiedsgerichtshof in Den Haag ein Verfahren gegen Indien ein. Es geht um das Schicksal zwei italienischer Marine-Soldaten, die 2012 angeblich zwei indische Fischer vor der indischen Küste ermordet haben sollen. Indien will den Männern den Prozess machen. Italien bestreitet, dass indische Gerichte überhaupt zuständig wären. Einer der Männer lebt in der italienischen Botschaft in Neu Delhi unter Hausarrest, der andere konnte zur medizinischen Behandlung in seine Heimat reisen, müsste aber theoretisch bald wieder nach Indien zurückkehren. Italiens Ministerpräsident Matteo Renzi steht zuhause unter heftigem Druck, den beiden Soldaten endlich zu helfen. Darum wählte er wohl ausgerechnet den Tag des EU-Gipfeltreffens mit Indien, um die Klage einreichen zu lassen.

Die Atmosphäre bei den ohnehin nicht ganz einfachen Gesprächen wurde dadurch in Brüssel zwischen dem indischen Premier Modi, EU-Ratspräsident Donald Tusk und EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker nicht besser, meinten EU-Diplomaten. Eine ursprünglich geplante Pressekonferenz fiel aus. Beide Seiten wollen die Handelsbeziehungen zwischen Indien und den 28 EU-Staaten erweitern, aber so lange der Streit mit Italien nicht beigelegt ist, wird es keine förmlichen Vereinbarungen geben. Seit 2012 hatte es kein Gipfel-Treffen zwischen der EU und Indien mehr gegeben. Kompliziert wird die Lage auch dadurch, dass die für die Beziehungen zu Indien zuständige EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini Italienerin ist. Die indische Seite hatte Mogherini vorgeworfen, sie blockiere und behindere einen Neuanfang. Mogherini war vor ihrem Eintritt in die EU-Kommission Außenministerin in Rom und deshalb auch direkt für die beiden italienischen Bürger in Indien zuständig.

Belgien Brüssel Trauer nach Anschlag - Didier Reynders & Narendra Modi (Foto: Reuters/Y. Herman )
Premier Modi (2. v. li.) legt einen Kranz für Terroropfer nieder: Auch ein Inder wurde in Brüssel ermordetBild: Reuters/Y. Herman

Zähe Verhandlungen um Freihandel

Doch schon vor dem Zwischenfall mit den italienischen Matrosen waren die Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen zäh und langwierig. Bei Zöllen, Marktzugang, Investorenschutz und geistigem Eigentum gibt es eine Reihe von ungeklärten Fragen. Die europäische Autoindustrie etwa möchte die hohen Einfuhrzölle Indiens für ihre Produkte loswerden. Es lockt ein riesiger Markt für billige Autos in dem aufstrebenden Land mit 1,25 Milliarden Einwohnern. Indien schützt mit den Zöllen seinen Autobauer Tata, der seit diesem Jahr übrigens von einem deutschen Manager geleitet wird.

Indien möchte zudem die Produktion von billigen Arzneimitteln, so genannten Generika, beibehalten. Dies sind im Grunde preiswerte Kopien europäischer Marken. Die EU fordert hier Verbesserungen beim Patent- und Eigentümerschutz. Außerdem hatte die EU die Zulassung von 700 Generika aus Indien widerrufen, weil sie Zweifel an den medizinischen Studien hat, die bei der Erteilung der Zulassung eingereicht wurden. Indien kritisiert dieses Vorgehen und verlangt neue Zulassungen.

In anderen Bereichen ist es gelungen, Zollschranken abzubauen. Indien wünsche sich aber konkret besseren Marktzugang für seine Software-Produkte und IT-Ingenieure in Europa, sagte der EU-Experte Rajendar K. Jain von der Nehru-Universität in Neu Delhi der Deutschen Welle. Nach den nur zwei Stunden dauernden Gesprächen in Brüssel erklärten die EU und Indien, man wolle die Freihandelsgespräche wieder aufnehmen. Außerdem sei man auch in Fragen des Klimaschutzes, bei Verkehrs- und Energiepolitik sowie bei der Bekämpfung des internationalen Terrorismus im intensiven Dialog. Konkretere Vereinbarungen wurden nicht getroffen.

Belgien Brüssel Charles Michel & Narendra Modi (Foto: JOHN THYS/AFP/Getty Images)
Modi traf sich auch mit dem belgischen Premier Charles MichelBild: Getty Images/AFP/J. Thys

Ungewisser Start

Die deutsche Wirtschaft erhofft sich von einer Wiederbelebung der Beziehungen zu Indien gute Geschäfte. "Ein Freihandelsabkommen der EU mit Indien könnte ein Meilenstein in der Öffnung des indischen Marktes für die deutsche Industrie sein. Indien ist ein wichtiger Wachstumsmarkt, allerdings noch mit hohen Hürden beim Marktzugang", sagte Stefan Mair vom Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) in Berlin. Die EU ist bereits der wichtigste Handelspartner für Indien. Laut EU-Kommission liegt das Handelsvolumen für Im- und Exporte bei über 70 Milliarden Euro pro Jahr.

Ein Erfolg der Freihandels-Verhandlungen mit dem Riesenmarkt hängt neben der Beilegung des Streits mit Italien auch noch von anderen Verfahren ab. Ein indisches Gericht verurteilte im Januar estnische und britische Staatsbürger zu Haftstrafen, weil sie gegen Waffengesetze Indiens verstoßen haben. Die Männer waren als Sicherheitskräfte auf einem Schiff als Schutz gegen mögliche Piraten vor der südindischen Küste eingesetzt. Großbritannien und Estland könnten Abkommen mit Indien blockieren, so lange diese Fälle nicht zufriedenstellend gelöst sind.