1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

„EU will den Euro aufs Spiel setzen“

11. Februar 2010

Die internationale Presse kommentiert die EU-Krisenstrategie und die EU-Unterstützung für das verschuldete Griechenland wie folgt:

https://p.dw.com/p/LyjV
Internationale Presseschau (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

In der BERLINER ZEITUNG lesen wir:

"Die Nerven liegen blank. Geht Griechenland pleite, könnten Portugal, Spanien und Italien folgen. Der Vertrauensverlust in den Euro wäre nicht wettzumachen - auf den Finanzmärkten wie bei den Bürgern. Auch die deutsche Bundesregierung hat das inzwischen offenbar erkannt. Die Anzeichen mehren sich, dass Berlin bereit ist, den Griechen im äußersten Notfall zu helfen. Man mag sich auf den Standpunkt stellen, deutsche Steuergelder sollten nicht dafür eingesetzt werden, um ein fremdes Land aus seinem selbst verschuldeten Chaos zu befreien. Nur ist Griechenland eben kein fremdes Land. Eine Pleite käme alle anderen viel teurer zu stehen als eine Rettungsaktion. Wenn es hart auf hart kommt, darf Griechenland nicht fallen gelassen werden. Koste es, was es wolle".

Die italienische Zeitung CORRIERE DELLA SERA meint dagegen:

"Die Europäer wollen alles alleine tun. Sie wollen den Beitrag zum Internationalen Währungsfonds verweigern, um die Wirtschaftslage in Südeuropa zu stabilisieren. Das ist ein Fehler, der uns viel kosten könnte, denn die Europäer haben keine technischen Instrumente, um einzugreifen. Der Plan Deutschlands und Frankreichs läuft Gefahr, unzureichend zu sein. Wenn er scheitert, könnte das das Ende des Internationalen Währungsfonds bedeuten. Es kommt der Tag, an dem der Euro stark genug sein wird, um solche Probleme zu lösen. Aber dieser Tag ist noch nicht in Sicht, weil die Europäer bislang nicht akzeptiert haben, dass der Euro mehr als eine Währungsunion ist. Diese Realität nicht zu akzeptieren, heißt den Euro aufs Spiel setzen, und das aus Eitelkeit und Prestigegründen".

Die ZEIT schreibt:

"Krisentreffen wegen Griechenland: Die Europäische Union wird das Land vor dem Bankrott bewahren. Die Frage ist, wann – denn die Staaten lassen sich Zeit und hoffen auf Selbsthilfe. Die Botschaft hätte nicht klarer sein können. Die Griechen sollten sich wie der Lügenbaron Münchhausen am eigenen Schopf aus dem Schuldensumpf ziehen, tönten deutsche Diplomaten noch vor wenigen Wochen. Im Januar wollte niemand den Eindruck erwecken, dass schlampige Haushaltsführung in der Eurozone auch noch belohnt würde. Die Glaubwürdigkeit der Gemeinschaftswährung galt es zu verteidigen".

Die Zeitung LE REPUBLICAIN LORRAIN aus dem ostfranzösischen Metz sieht den Euro angesichts der Krise Griechenlands auf die Probe gestellt:

"Auch wenn manche bisher daran noch gezweifelt haben: Die griechische Krise ist ein Glaubwürdigkeitstest für den Euro… Die Einheitswährung hat als einzige Säule die vorgegebene Haushaltsdisziplin der Länder, die am Abenteuer der Gemeinschaftswährung teilnehmen. Doch heute zeigt der Euro, dass dies bei weitem nicht ausreicht. Denn das Abrutschen eines schlechten Schülers, der seit zehn Jahren seine miserablen Noten kaschierte, reicht aus, um alle anderen mitzureißen."

Unter der Überschrift "Griechenland der Zwietracht“ heißt es in der russischen Wirtschaftstageszeitung RBK DAILY:

"Griechenland soll nicht erwarten, dass das vereinte Europa das Land direkt unterstützt und es mit privilegierten Kreditrahmen versorgt. Die geltende US-Gesetzgebung verbietet der EU-Zentralbank sowie nationalen Zentralbanken, die EU-Länder in Form von Darlehen oder Anleihenkäufe zu unterstützen… EU-Länder haben bis heute keine klare Position bezüglich dieses Problems erarbeitet, aber über eines sind sie sich einig: das Finanzsystem Griechenlands muss brennend reformiert werden".

Die amerikanische NEW YORK TIMES findet:

"Die unwillige deutsche Regierung hat nun keine Wahl als Griechenland zu helfen, zahlungsfähig zu bleiben. Sonst läuft Deutschland Gefahr, beobachten zu müssen, wie die schwachen EU-Mitglieder noch schwächer werden, zuerst Portugal, dann Spanien und Italien. Das wird die Euro-Stabilität bedrohen, die europäische Währung, die Deutschland mit aller Leidenschaft entwickelt hat… Die Retter-Rolle wurde Deutschland standardmäßig zugeschrieben. Der Euro-Block hat eine Menge Regeln und Verordnungen mit dem Ziel, die Notwendigkeit für starke EU-Mitglieder zu vermeiden, ihren schwachen Nachbarn auszuhelfen".

Abschließend kommentiert die englische Zeitung THE TIMES:

"Griechenland flirtet mit seinem Bankrott. Griechische Gewerkschaften im öffentlichen Dienst sind in Aufruhr. Die Maßnahmen von Ministerpräsident George Papandreou wollen sie nicht. Er bietet harte Arznei an… Falls er keinen Erfolg hat, wird eine Kohorte von EU-Ländern geleitet von Deutschland nach Athen kommen, mit einem Scheck in einer Hand und mit den Fesseln in der anderen, um die Griechen für immer von Finanzspritzen aus Berlin abhängig zu machen."

Zusammengestellt von Natalia Karbasova
Redaktion: Susanne Eickenfonder