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EU will Internet-Geschäfte besteuern

Bernd Riegert Brüssel
21. März 2018

Mit alten Steuermodellen kommen die EU-Staaten nicht an die Einnahmen von Google und Co. heran. Eine neue Umsatzsteuer und eine neue Steuerbasis sollen helfen. Streit ist vorprogrammiert. Aus Brüssel Bernd Riegert.

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Apple Irland
Bild: picture-alliance/NurPhoto

EU: Kampf gegen Steueroasen

Ein im Internet operierendes Unternehmen wie Google zahlt nach Angaben der EU-Kommission im Durchschnitt zehn Prozent Steuern auf seine Gewinne. Konventionelle Konzerne, die weltweit tätig sind, zahlen dagegen jährlich rund 23 Prozent Steuern. Die großen Internet-Firmen, die fast alle in den USA ansässig sind, zahlen dort den größten Teil ihren mageren Steuern, obwohl sie ihre Gewinne zu einem großen Teil auch in Europa und anderen Weltregionen machen. Bislang konnten multinationale Internetkonzerne ihre Gewinne nach US-Recht relativ leicht in Tochterunternehmen verschieben, die in Niedrigsteuerländern angesiedelt sind, darunter auch EU-Staaten wie die Niederlande, Luxemburg oder Irland.

Die "Betriebsstätte" soll keine Rolle mehr spielen

Belgien EU-Kommission Pressekonferenz Pierre Moscovici
Moscovici: Steuersystem für die vernetzte WeltBild: Reuters/E. Vidal

Dieses als ungerecht empfundene Ungleichgewicht will die Europäische Union jetzt angehen. EU-Finanzkommissar Pierre Moscovici schlug in Brüssel eine zusätzliche Umsatzsteuer von drei Prozent auf bestimmte Geschäfte im Internet vor. Sie soll direkt auf Werbeeinnahmen im Netz, auf die Vermittlung von Dienstleistungen und auf den Verkauf von Daten an Dritte erhoben werden, ohne Rücksicht darauf, wo das Internet-Unternehmen seinen physischen Sitz hat. Damit wird ein ehernes Prinzip des Steuerrechts aufgegeben. Bislang konnte nur da besteuert werden, wo auch die "Betriebsstätte" eines Unternehmens war. Da die Betriebsstätte für Google, Facebook, Apple, Airbnb, Ebay und ähnliche Dienstleister irgendwo im Internet liegt, kamen die EU-Finanzminister schon vor Monaten überein, dass über 100 Jahre alte "Betriebsstätten"-Prinzip aufzugeben. 

In diese Kerbe schlägt auch der zweite Vorschlag der EU-Kommission: Die Gewinne der Internetunternehmen sollen künftig in dem Land versteuert werden, in dem sie erwirtschaftet werden, wo also die Kunden sitzen. Der physische Sitz des Unternehmens spielt dabei keine Rolle mehr. Wenn also ein Unternehmen seinen Sitz im Niedrigsteuerland Irland hat, seine Gewinne aber hauptsächlich mit Kunden in Deutschland erwirtschaftet, soll es in Deutschland seine Steuern abführen. Das soll für Unternehmen gelten, die in einem EU-Land entweder sieben Millionen Euro Umsatz machen oder 100.000 Abonnenten haben oder jährlich mehr als 3000 Dienstleistungsverträge im Internet abschließen.

Gegen das Schwarze Loch

Pierre Moscovici sagte, das Steuerrecht stamme eben noch aus den Zeiten, als niemand wusste, was das Internet ist. Es müsse deshalb dringend angepasst werden. "Bisher haben wir ein schwarzes Loch bei den Steuern für die Mitgliedsstaaten, weil die Steuerbasis wegbröckelt. Darum wollen wir einen neuen legalen Standard für die Steuergrundlage einführen und eine temporäre Internet-Umsatzsteuer einführen", sagte Moscovici bei der Vorstellung seiner Pläne in Brüssel. Die EU-Kommission schätzt, dass 120 bis 150 Unternehmen weltweit, die eine bestimmte Umsatz-Schwelle überschreiten, die neue Steuer auf Internetaktivitäten zahlen müssen. Telekom-Unternehmen, Medienhäuser und auch Internet-Warenhäuser wie Amazon werden von der Steuer ausgenommen.

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Die EU-Kommission erwartet, dass die neue Internet-Steuer rund fünf Milliarden Euro jährlich in die Kassen der EU-Staaten spülen wird. Die Steuer soll zunächst übergangsweise eingeführt werden, denn eigentlich arbeiten die wichtigsten Industrie- und Schwellenländer im Rahmen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD)an einer weltweiten Lösung. Die Beratungen ziehen sich allerdings seit Jahren hin, ohne dass es bislang ein Ergebnis gab.

Ärger mit den USA?

Amerikanische Internet-Firmen beklagen sich schon seit längerem, dass sie in Europa unfair behandelt würden. Diese Klagen könnten zunehmen und bei der Trump-Regierung auf offene Ohren stoßen, befürchtet zum Beispiel der europäische Unternehmer-Verband "Business Europe" in Brüssel. "Wir glauben, es ist schlecht mit dieser neuen Steuer gerade jetzt herauszukommen", sagte "Business Europe"-Generaldirektor Markus Beyrer. "Das ist allein ein europäische Idee und wir hoffen, dass das nicht mit den andauernden Streit über amerikanische Strafzölle auf europäischen Stahl und Aluminium vermengt wird." Zurzeit verhandelt die EU-Kommissarin für Handel, Cecilia Malmström, in Washington über eine Ausnahme für die EU von den angedrohten Zöllen.

Hoffnung auf weitere Zoll-Ausnahmen

Die Internet-Steuer für große Konzerne muss von allen 28 EU-Mitgliedsstaaten gebilligt werden. Einige Staaten, wie das Niedrigsteuerland Irland, haben starke Bedenken. Irische EU-Diplomaten warnten in Brüssel, Google, Facebook und Co. könnten versucht sein, ihre Firmensitze oder Töchterunternehmen aus Europa zu verlegen. Gerade die neue Definition der Steuerbasis könnte Steueroasen wie Irland oder Luxemburg treffen. Irland wäre verpflichtet, 14 Milliarden Euro an bislang nicht gezahlten Steuern von der US-Firma Apple einzutreiben, weigert sich bislang aber. 

Die USA schaffen für eine Rückverlagerung von Unternehmen und Gewinnen mit ihrer eigenen Steuerreform neue Anreize. Danach sollen Unternehmen, die ihre Gewinne aus dem Ausland in die USA transferieren, nur mit einer niedrigen Steuer belegt werden. Die Geschäftsbeziehungen zwischen Firmen in den USA und ihren Niederlassungen in der EU sollen dagegen künftig stärker vom Fiskus abgeschöpft werden. Der europäische Unternehmerverband "Business Europe" sieht das kritisch. Das könnte dazu führen, dass europäische Unternehmen benachteiligt werden und der US-Markt abgeschottet werde, warnte Generaldirektor Markus Beyrer in Brüssel.

Porträt eines Mannes mit blauem Sakko und roter Krawatte
Bernd Riegert Korrespondent in Brüssel mit Blick auf Menschen, Geschichten und Politik in der Europäischen Union