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EU will Migration aus Afrika eindämmen

Barbara Wesel11. November 2015

Mit Milliarden-Hilfen will die EU die Kooperation afrikanischer Staaten in der Migrationsfrage gewinnen. Ziel ist, Zuwanderer durch Unterstützung und Abschreckung in ihrer Heimat zu halten. Aus Valletta Barbara Wesel.

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Valetta Malta Treffen Migration 2015 Europa Afrika (Photo: picture-alliance/dpa/L.A. Azzopardi )
Bild: picture-alliance/dpa/L.A. Azzopardi /Detail

"Unser Aktionsplan soll illegale Migration bekämpfen", sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel zum Auftakt der Gespräche in Malta. Gleichzeitig, so Merkel weiter, sollten Wege zur legalen Arbeitsaufnahme in Europa eröffnet werden. Darüber hinaus gebe es den Appell an die afrikanischen Staaten, mit ihren Bürgern so umzugehen, dass die Jugend eine Chance habe und im jeweiligen Land bleiben wolle. Die Bundeskanzlerin betonte, die EU wolle Schleppern und Menschenschmugglern das Handwerk legen und beschwor ein "kameradschaftliches Verhältnis" mit Afrika. Mit dem Versprechen von mehr Hilfe seien aber auch Forderungen verbunden. Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn fügte hinzu, Europa sei überfordert, "wenn wir jedem Menschen, der kommt, eine Heimat bieten wollten".

Hilfe im Tausch für Zusammenarbeit

Ähnlich äußerte sich der Präsident des Europaparlamentes, Martin Schulz. "Wir müssen Fluchtursachen schneller erkennen und effizienter bekämpfen und Entwicklungszusammenarbeit abhängig machen von mehr Kooperation", sagte Schulz. Dabei hatte er zuvor gewarnt, man dürfe nicht Diktatoren wirtschaftlich unterstützen, die ihr eigenes Volk unterdrückten, und deren Bürger dann die Flucht antreten. Er mahnte, die finanziellen Hilfen müssten mit "Demokratie und Rechtstaatlichkeit" verknüpft werden. Damit bringt der Präsident des Europaparlaments einen der politischen Grundkonflikte dieses Gipfeltreffens auf den Punkt. Neben den EU-Mitgliedsländern kommen hier Vertreter aus 35 afrikanischen Staaten zusammen, unter anderem die Teilnehmer der bereits existierenden Vereinbarungen, der sogenannten Rabat- und Khartum-Prozesse.

Die EU nimmt damit einen weiteren Anlauf, um afrikanische Staaten zur Zusammenarbeit zu bewegen und Migration in Richtung Europa im Ansatz zu unterbinden. In Malta soll der inzwischen fünfte Aktionsplan mit diesem Ziel verabschiedet werden. Er unterscheidet sich von früheren Vorhaben dadurch, dass mehr kurzfristige und konkrete Maßnahmen benannt werden. 1,8 Milliarden Euro stellt die Kommission in Brüssel dafür zur Verfügung, die Mitgliedsländer sollen eine Summe in gleicher Höhe für den neuen "Treuhandfonds für Afrika" beisteuern. Ihre zugesichterten Beiträge liegen allerdings bis jetzt bei weniger als 50 Millionen.

Migration nach Europa verhindern

Das Grundprinzip heißt: "Mehr für mehr". Je mehr die afrikanischen Staaten entlang der Flüchtlingsrouten, aber auch in den Herkunftsländern tun, um die Wege der Menschenschmuggler zu blockieren, die Grenzen zu sichern und ihre Bürger von der Migration abzuhalten, desto mehr will die EU für Entwicklungsprojekte etwa zur Schaffung von Arbeitsplätzen zahlen. Die Beschlüsse konzentrieren sich auf fünf Politikbereiche: Die Identifizierung und Bekämpfung von Fluchtursachen, Möglichkeiten für legale Migration, Kampf gegen illegale Migration und Menschenschmuggler sowie Rückführungsabkommen mit einer größeren Zahl von afrikanischen Staaten.

Italien Afrikanische Flüchtlinge werden gerettet (Photo:picture alliance/ROPI)
Viele Flüchtlinge wagen die gefährliche Fahrt über das MittelmeerBild: picture alliance/ROPI

Auch der Kampf gegen Jugendarbeitslosigkeit steht auf der Agenda: Neue Ausbildungsprogramme und die Unterstützung durch europäische Träger sollen helfen, die Armutsmigration zu verringern. Dort wo Menschenschmuggel inzwischen eine wesentliche Einnahmequelle geworden ist, will man den Aufbau alternativer Wirtschaftszweige fördern. Die afrikanischen Staaten ihrerseits fordern eine Zusage, um die Kosten für den Geldtransfer von Arbeitsmigranten in Europa nach Afrika zu senken: Diese sind doppelt so hoch wie die gesamte Summe der Entwicklungshilfe und werden bisher mit rund 5% Gebühren belastet. Ziel ist es, die Kosten auf 3% oder weniger zu senken.

Grenzsicherung und Rückführung

Bis Ende nächsten Jahres will die EU Ausbildungszentren für Grenzbeamte und Polizisten nach einheitlichen Regeln in afrikanischen Staaten einrichten lassen. Eines der Hauptziele der Europäer sind neue Rückführungsabkommen, um abgelehnte Asylbewerber und Wirtschaftsmigranten in ihre Heimat abschieben zu können. Dabei wünschen sie sich praktische Zusammenarbeit bei der Erstellung von Reisedokumenten und die schnellere Bearbeitung ihrer Anträge zur Rückübernahme durch die Herkunftsländer. Auch hier will die EU Anreize bieten, denn es winken Wiedereingliederungshilfen für zurückkehrende Migranten.

Malta EU-Afrika-Gipfel Angela Merkel in Valletta (Photo: picture alliance/AP Photo/A. Tarantino)
Angela Merkel in VallettaBild: picture alliance/AP Photo/A. Tarantino

An diesem Punkt wird ein weiterer Grundkonflikt bei diesen Verhandlungen erkennbar: Die afrikanische Seite will mehr Möglichkeiten für legale Migration nach Europa. Dazu gibt es bei den Europäern wenig Bereitschaft. Sie wiederum wollen von den afrikanischen Staaten Kooperation bei der Rückführung von Migranten. Wie hier Kompromisse aussehen können, ist noch offen.

Kritik von Nichtregierungsorganisationen

"Entwicklungshilfe sollte nicht als Werkzeug benutzt werden, um Migration nach Europa zu verhindern", sagt Odile Fay von MADE, dem Netzwerk für Migration und Zivilgesellschaft in Afrika. Ihre Organisation verlangt mehr sichere Wege der Zuwanderung in die EU und besseren Schutz für Migranten in den Transitländern. Deutlich ist auch die Kritik von Amnesty International: Der EU gehe es vor allem darum, Menschen draußen zu halten und Tore zu verschließen. Sie dürfe außerdem Migranten nicht zurückschicken in Transit- oder Drittländer und müsse sichere Möglichkeiten zur Einreise nach Europa schaffen.

Hilfsorganisationen wie Oxfam weisen auch auf das Dilemma hin, das durch die Zusammenarbeit mit Diktaturen entsteht: Im Fall von Eritrea etwa lehne die Regierung Lebensmittelhilfe ab. Werde aber Geld gezahlt, gebe es keine Kontrolle darüber, wofür die Mittel verwendet werden. In der Regel kämen sie nicht bei den Menschen an. Allgemeiner Tenor ist, dass die EU ihren Ruf bei der Wahrung der Menschenrechte aufs Spiel setze, wenn sie sich auf zweckorientierte Deals bei der Abwehr von Migration um jeden Preis einlassen wolle.