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EULEX-Chef: "Kosovo weiterhin unterstützen"

Bahri Cani14. Juni 2014

Die EU-Rechtsstaatsmission im Kosovo EULEX erhält an diesem Samstag ein neues Mandat. EULEX-Chef Bernd Borchardt erklärt im DW-Interview, was das für den jüngsten Staat Europas bedeutet.

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Bernd Borchardt, Leiter der Eulex-Mission im Kosovo (Foto: DW/Cani)
Bild: DW/B. Cani

Deutsche Welle: Was wird sich durch das neue Mandat von EULEX nach dem 14. Juni ändern?

Bernd Borchardt: Unser exekutives Mandat ändert sich in der Schwerpunktsetzung: Wir werden die laufenden Fälle, die unsere Staatsanwälte angefangen haben, zu Ende bringen, aber keine neuen Fälle mehr selbst eröffnen. Es kann natürlich sein, dass die Kosovaren uns bitten, einen Fall zu übernehmen, wir können sie auch darauf ansprechen, dass wir einen Fall gerne bearbeiten möchten. Aber der qualitative Unterschied ist: Die Entscheidung liegt bei den zuständigen kosovarischen Stellen. Zweitens sollen wichtige Institutionen im Rechtsstaatsbereich in Zukunft alle von Kosovaren geleitet werden, nicht mehr von EULEX-Mitarbeitern: zum Beispiel die Staatsanwaltschaft für Schwerkriminalität und die Einrichtung für forensische Medizin. Die dritte wichtige Veränderung: In den Gerichten im Kosovo stellten in der Vergangenheit meistens EULEX-Richter die Mehrheit. Das wird sich ändern. Es gab zwar auch schon in der Vergangenheit Richterbänke, auf denen wir in der Minderheit waren, aber in Zukunft wird das die Regel sein.

Wer wird das geplante Sondertribunal im Kosovo leiten, das mutmaßliche Kriegsverbrechen aus der Zeit des Kosovo-Kriegs aufklären soll - und worin besteht dabei die Rolle von EULEX?

Das Gericht wird organisatorisch von uns betreut, aber alle Richter werden völlig unabhängig arbeiten - genau wie die Sonderstaatsanwaltschaft, die für das Gericht die Vorwürfe aus dem sogenannten Marty-Bericht untersucht. Dick Marty aus dem Europarat hatte einen Bericht über Übergriffe und Grausamkeiten aus der Zeit des Kosovo-Krieges erstellt. (Anm. d. Red.: Unter anderem wirft Marty im Bericht von 2010 einigen Kommandeuren der "Kosovarischen Befreiungsarmee" (UCK) vor, am Handel mit den Organen serbischer Gefangener beteiligt gewesen zu sein.)

Das Sondergericht soll nach kosovarischem Gesetz arbeiten, sofern dieses anwendbar ist. Sie können schließlich nicht jemanden auf der Basis von Gesetzen verurteilen, die erst nach der Tat verabschiedet worden sind. Und dieser Gerichtshof wird nicht nur einen Sitz im Kosovo, sondern auch außerhalb des Landes haben - insbesondere, um Zeugenaussagen einfacher zu machen.

Haben Sie Probleme mit dem Zeugenschutz?

Zeugenschutz ist hier ein großes Thema. Das klassische Zeugenschutzprogramm besteht in großen Ländern darin, dass Zeugen bei Bedarf eine neue Identität bekommen und dann in einen anderen Teil des Landes gehen. In einem kleinen Land wie Kosovo würde das heißen, dass sie irgendwo anders hin umgesiedelt werden mit einer neuen Identität - und es gibt nach unserer Erfahrung sehr wenige Menschen, die dazu bereit sind. Das heißt, man muss Zeugen anders schützen, und wenn es um wirklich brutale Drohungen geht, ist das schwierig. Und die Bereitschaft der Menschen, ins Ausland zu gehen, um dort völlig losgelöst von der Familie ein neues Leben anzufangen, ist sehr gering.

Haben Sie einen Plan, wie man dieses Problem lösen kann im Falle von Zeugen, die aufgrund von Dick Martys Bericht gehört werden?

Die Mehrheit der Zeugen aus diesem Bereich soll nicht aus dem Kosovo kommen, sondern aus anderen Ländern.

Wann erwartet man erste Anklagen an diesem Sondergericht für Kriegsverbrechen? Gibt es da irgendwelche Anzeichen?

Um eine Anklage einzureichen, brauchen Sie ja erst mal ein Gericht, und dazu muss dieses Gericht begründet werden. Dazu sind hier in Kosovo rechtliche Schritte notwendig, dazu ist auch noch ein Abkommen mit dem Gaststaat, der dieses Gericht teilweise aufnehmen wird, notwendig. Daher ist es sehr schwer zu sagen, wann dieses Gericht wirklich operationsfähig ist.

Sind die Institutionen im Kosovo Ihrer Erfahrung nach bereit, die großen Probleme des Landes anzugehen - zum Beispiel die grassierende Korruption?

Wenn die EU-Mitgliedsstaaten davon ausgehen würden, dass Kosovo alle Aufgaben allein lösen kann, dann würde die EULEX-Mission nach Hause gehen. Aber die EU-Länder sind der festen Überzeugung, dass es sinnvoll ist, Kosovo weitere Unterstützung über eine Mission anzubieten.

Der deutsche Diplomat Bernd Borchardt leitet seit Februar 2013 die EU-Rechtsstaatsmission EULEX im Kosovo mit mehr als 2000 internationalen und kosovarischen Mitarbeitern. Die Mission überwacht, unterstützt und berät die rechtsstaatlichen Institutionen des seit 2008 unabhängigen Kosovo - wie Justiz-, Polizei und Zollbehörden.

Das Gespräch führte Bahri Cani.