1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Euro-Rettung wird zu Merkels Stresstest

29. September 2011

Selten hat eine Bundestags-Abstimmung auch das Ausland so beschäftigt: Zur Stunde wird sich zeigen, ob Kanzlerin Merkel noch voll auf ihre Koalition bauen kann. Der Maßstab: Die sogenannte "Kanzlermehrheit".

https://p.dw.com/p/12iiU
Kanzlerin Angela Merkel spricht mit einem Fraktionsmitglied (Foto: dapd)
Angela Merkel - redet sie gerade einem "Abweichler" ins Gewissen?Bild: dapd

Von der größten Prüfung für Angela Merkel in ihrer Kanzlerschaft ist die Rede, von einem Experiment mit ungewissem Ausgang: Gemeint ist die Abstimmung über eine Ausweitung des Euro-Rettungsschirms EFSF an diesem Donnerstag (29.09.2011) im Deutschen Bundestag. Die zitierten Äußerungen stammen jedoch nicht von der Opposition, sondern von ausländischen Journalisten. Sie fragen sich: Hat die mächtigste Frau Europas noch die volle Unterstützung ihrer konservativ-liberalen Regierungskoalition aus CDU/CSU und FDP?

Ein klares "Ja" des Bundestags für die Stärkung des Rettungsschirms gilt zwar als sicher, weil die Oppositionsparteien SPD und Grüne - trotz scharfer Kritik - mitziehen wollen. Sollte Merkel jedoch die sogenannte "Kanzlermehrheit" verfehlen, würde dies die Stabilität ihrer angeschlagenen Koalition in Berlin weiter infrage stellen - und damit das Krisenmanagement der Euro-Zone insgesamt.

Rechenspiele

Plenarsaal des Bundestags (Foto: dpa)
Deutscher Bundestag: Steht die "Kanzlermehrheit"?Bild: picture alliance/dpa

Mit dem Begriff Kanzlermehrheit ist die absolute Mehrheit der Mitglieder des Bundestags gemeint, sie liegt bei 311 Stimmen. Insgesamt sitzen im Bundestag 620 Abgeordnete. Um die Kanzlermehrheit allein - ohne die Opposition - zu erreichen, könnte sich das Regierungslager 19 "Nein"-Stimmen oder Enthaltungen aus den eigenen Reihen erlauben. Die Unionsparteien CDU und CSU rechneten zuletzt mit etwa zwölf "Abweichlern", auch einige FDP-Parlamentarier wollen der EFSF-Ausweitung ihre Zustimmung verweigern.

Bis zuletzt waren die Spitzen von Union und FDP bemüht, die "Abweichler" noch umzustimmen. Schließlich würde die Opposition eine verfehlte Kanzlermehrheit wohl dankend als Steilvorlage aufnehmen. Die Kanzlerin und CDU-Chefin Merkel wäre dann "politisch gescheitert", meinte etwa der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Thomas Oppermann. Ähnlich äußerten sich Politiker der Grünen und der Partei "Die Linke".

"Bis hierhin und nicht weiter"

Horst Seehofer (Foto: AP)
Horst Seehofer - Nimmt die Kanzlerin seine Warnung ernst?Bild: AP

Der CSU-Chef und Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer warnte Merkel davor, den Deutschen immer mehr Lasten aufzubürden. Es dürfe nicht sein, dass die Bundesrepublik am Ende ihre eigene Kreditwürdigkeit verspiele, sagte Seehofer der "Süddeutschen Zeitung" (Ausgabe vom Donnerstag). "Wenn eine Herabstufung der Kreditwürdigkeit Deutschlands droht, ist Schluss." Eine solche Herabstufung durch Rating-Agenturen hätte äußerst negative Folgen für Arbeitsplätze und Wirtschaftswachstum. Wenn die Staatsverschuldung ausufere, "liegt am Ende der Rettungssanitäter im Krankenhaus", so Seehofer weiter. Die CSU stehe zur jetzigen Reform, lehne aber neuerliche Erweiterungen des Schutzschirms ab.

Die Euro-Staaten hatten im März vereinbart, dass der EFSF künftig effektiv über 440 Milliarden Euro verfügen soll, mit denen er überschuldeten Euro-Staaten unter die Arme greifen kann. Bisher sind es etwa 240 Milliarden. Im Zuge der Rettungsschirm-Erweiterung müsste Deutschland seinen Anteil am Garantierahmen von 123 Milliarden Euro auf rund 211 Milliarden Euro aufstocken. Diese Summe entspricht ungefähr zwei Drittel eines Bundeshaushalts.

17 x "Ja"?

Euro-Banknoten in Koffer (Foto: Bilderbox)
EFSF: Werden alle 17 Euro-Länder der Reform zustimmen?Bild: bilderbox

In Kraft treten kann die EFSF-Reform allerdings erst, wenn ihr die Parlamente aller 17 Staaten der Euro-Zone zugestimmt haben. Doch das Verfahren zieht sich bedenklich in die Länge. Während die Abgeordneten in einigen Ländern wie Slowenien, Finnland und Griechenland ihr Okay schon gegeben haben, gibt es in anderen Euro-Ländern Verzögerungen, etwa in der Slowakei. Dabei steht schon ein mögliches Vorziehen des ständigen Rettungsschirms ESM, der 2013 den EFSF ablösen soll, im Raum. Auch über weitere Hilfen für Griechenland muss noch abgestimmt werden. Dabei will der Bundestag ebenfalls mitreden.

Im deutschen Parlament bleibt die Euro-Rettung jedenfalls auch in den nächsten Monaten ein beherrschendes Thema. Die Frage nach der Kanzlermehrheit wird dann wohl längst vergessen sein.

Autor: Christian Walz (dapd, dpa, rtr, afp)
Redaktion: Michael Wehling