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Lettland auf Euro-Kurs

Agnes Bührig 10. Juni 2013

Lettland ist reif für den Euro. Geht es nach dem Prüfbericht der EU-Kommission, kann der Euro zum 1. Januar 2014 eingeführt werden. Skeptiker warnen jedoch vor dem Einfluss der russischen Minderheit.

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Altstadt von Riga mit St. Petrikirche (Foto: imago/ARCO IMAGES)
Altstadt von Riga mit St. PetrikircheBild: imago/arco images

Im Showroom der Firma Amberpines in Riga herrscht geschäftiges Treiben. In der einen Ecke hängen Tapetenausschnitte und verschiedenfarbige Kachelmuster an der Wand, in einem Ofen vor einer Wand aus gestapeltem Holz prasselt ein Feuer. Maklerin Тamāra Raine sitzt vor ihrem Laptop und bearbeitet Kundenanfragen. Dass die Regierung Ausländern 2010 die Möglichkeit gab, über den Kauf einer Immobilie eine auf fünf Jahre befristete Aufenthaltsgenehmigung zu erhalten, rettete ihre Firma vor dem Bankrott, sagt Raine: "Als die Krise kam, bekamen wir wie alle anderen Probleme, Wohnungen zu verkaufen. Da war das Ausländer-Investitionsgesetz eine große Hilfe. Denn die Letten waren in den Jahren der Krise hoch verschuldet, hatten Angst. Sie hatten keine Möglichkeit mehr, etwas anzuschaffen. Wir haben uns dann auf die Ausländer konzentriert."

Aufenthaltsgenehmigung für Immobilienkäufer

Mit Ausländern meint Тamāra Raine vor allem Russen. Denn als einstige Sowjetrepublik hat Lettland einen hohen Anteil russischstämmiger Einwohner. Das ist das Geschäftsmodell ihrer Firma: Wohlhabende Russen, die sich in Lettland an der Ostsee eine Ferienwohnung kaufen. Für Jelena und Sergej, ein Ärzte-Ehepaar aus Moskau, das im Wohnprojekt Amberpines im Badevorort Jurmala eine Immobilie gekauft hat, liegen die Vorteile auf der Hand, sagt Sergej: "Das Viertel hat uns überzeugt. Und alle sprechen Russisch. Die Ressentiments den Russen gegenüber, die es nach der Unabhängigkeit Lettlands in den 90er Jahren gab, sind verschwunden. Damals sprachen viele Letten ganz bewusst kein Russisch, weil sie froh waren, dass die Okkupationszeit vorbei war. Und es gibt einen weiteren Vorteil: Über den Kauf erhalten wir eine Aufenthaltsgenehmigung. Wenn wir Europa bereisen wollen, müssen wir uns nicht mehr aufwändig um ein Visum bemühen."

Titel: Alter Badeort, neue Bewohner: in Jurmala investieren die Russen gern Schlagworte: Jurmala, Lettland, Badeort Wer hat das Bild gemacht/Fotograf?: Agnes Bührig Wann wurde das Bild gemacht?: 2013 Wo wurde das Bild aufgenommen?: Jurmala, Lettland Bei welcher Gelegenheit/in welcher Situation wurde das Bild aufgenommen?: Beim Besuch von Jurmala im Mai 2013 Wer oder was ist auf dem Bild zu sehen?: Ein Neubauprojekt im Vorort von Riga, Jurmala
Neubauprojekt im lettischen JurmalaBild: DW/A. Bührig

Lettland ist kein zweites Zypern

Doch genau diese Freizügigkeit, die für alle Ausländer eintritt, die mehr als 100.000 Lat, umgerechnet etwa 140.000 Euro in eine Immobilie stecken, halten Kritiker für einen Schwachpunkt. Die Befürchtung ist, dass das Immobilien-Investitionsgesetz den russischen Einfluss in Europa verstärkt. Zudem berge es die Gefahr, dass Lettland ein zweites Zypern wird. Inna Šteinbuka, die in der Rigaer Innenstadt das lettische Büro der EU-Kommission leitet, kann diese Befürchtungen nicht nachvollziehen: "Die Russen können Immobilien kaufen oder in Lettland investieren, denn wir haben liberale Investmentregeln. Das Geld kann hier einströmen. Allerdings ist der Zufluss von Guthaben von Nicht-Letten am Bruttoinlandsprodukt nicht hoch. Er liegt vielleicht höher als in den Nachbarländern, ist aber sehr viel geringer als im Durchschnitt in Europa. In Zypern machte das Volumen das siebenfache des Bruttoinlandsproduktes aus, in Lettland ist es gerade einmal das 1,3 fache.“

Strand bei Jurmala westlich von Riga (Foto: dpa)
Strand bei Jurmala westlich von RigaBild: picture-alliance/ ZB

Euro fördert Wirtschaftswachstum

Steuerhinterziehung, Korruption und Geldwäsche - das sind Themen, die das Land in den letzten Jahren belastet haben. Davon abgesehen erfüllt Lettland jedoch die Maastricht-Kriterien, die für die Einführung des Euros im kommenden Jahr unabdingbar sind. Die Staatsverschuldung liegt bei rund 40 Prozent, die Inflationsrate bei nicht einmal zwei Prozent, lettische Staatsanleihen, die vor vier Jahren unverkäuflich waren, finden wieder Abnehmer. Ein Wirtschaftswachstum von mehr als fünf Prozent in den vergangenen zwei Jahren kann sich ebenfalls sehen lassen. Die Vorteile, die die Einführung des Euros mit sich bringt, liegen auf der Hand, sagt Andris Strazds, Chefökonom Lettland bei der Bank Nordea: "Untersuchungen zeigen, dass der Beitritt den Außenhandelsumsatz in ein paar Jahren um etw 10 bis 15 Prozent steigern kann. Dazu kommt der Vorteil, dass der Umtausch von Lat in Euro wegfällt. Für die Wirtschaft bedeutet das weniger Ausgaben."

Andris Strazds, Analyst bei Nordea Lettland. (Foto: Nordea.com)
Sieht im Euro vor allem Vorteile für Lettland: Nordea-Analyst Andris StrazdsBild: Nordea.com