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Schuldenstreit: Deal am Donnerstag?

Bernd Riegert22. April 2016

Frühlingsgefühle in Amsterdam: Die Finanzminister der Eurogruppe nähern sich beim informellen Treffen Athen an. Doch der griechische Finanzminister hat schon wieder Bedenken. Bernd Riegert berichtet.

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Amsterdam Tagung der EU-Innenminister zum Grenzschutz
Bild: DW/B. Riegert

Die Finanzminister der Eurogruppe, die Griechenland finanziell mit dem mittlerweile dritten Hilfspaket in fünf Jahren über Wasser halten, wollten eigentlich schon viel weiter sein. Im Oktober 2015 sollte die griechische Regierung nachweisen, dass Reformen eingeleitet sind, um das Land wirtschaftlich wieder flott zu machen. Doch jetzt ist dieser erste Überprüfungsschritt, im Euro-Retter-Jargon "first review" genannt, immer noch nicht abgeschlossen. Der Zeitplan, den Griechenland mit seinen europäischen Partnern in einem dramatischen Gipfel im Sommer 2015 beschlossen hatte, ist völlig aus den Fugen geraten. "Das hat auch niemanden verwundert", kommentierte das lakonisch der Chef der Eurogruppe, der niederländische Finanzminister Jeroen Dijsselbloem, beim informellen Treffen in Amsterdam.

Aber jetzt gibt es Hoffnung. "In den letzten Tagen, ja Stunden, haben wir bei den Verhandlungen wirkliche Fortschritte gemacht", freute sich Dijsselbloem und kam fröhlich pfeifend zur Pressekonferenz. Wenn alles weiter gut laufe, könnte es am kommenden Donnerstag eine Sondersitzung der 19 Euro-Staaten geben, um den "first review" endlich abzuschließen. Bis dahin müssten noch technische Details der Rentenreform, des Umgangs mit faulen Immobilienkrediten und Einzelheiten des Privatisierungsfonds geklärt werden, schränkte der Eurogruppen-Chef ein. "Wenn das alles geschieht, werden wir uns treffen."

"Notfall-Plan" schon wieder auf der Kippe

Zusätzlich sagte der griechische Finanzminister Euklid Tsakalotos in der Sitzung zu, einen "Notfall-Plan" auszuarbeiten. Er soll Sparmaßnahmen umfassen, die automatisch in Kraft treten, sollte Griechenland die prognostizierten Haushalts- oder Wachstumsziele doch nicht schaffen. Dieser Notfall-Plan war von einigen EU-Finanzministern verlangt worden, die den Zahlen und Zusicherungen aus Athen nicht so recht trauen. Nach der Sitzung konnte sich Tsakalotos im Gespräch mit griechischen Journalisten an einen Notfall-Plan schon nicht mehr erinnern. "So etwas ist in der griechischen Gesetzgebung gar nicht möglich", sagte Tsakalotos. Er wolle lieber ein zusätzliches Sparpaket jetzt verabschieden. Angesichts dieses Wirrwarrs verfestigt sich der Eindruck der Verhandlungsdelegationen vor Ort in Athen. "Bislang haben die Griechen viele Vorschläge gemacht, aber nichts wirklich beschlossen oder umgesetzt", sagte ein EU-Beamter, der mit den Verhandlungen vertraut ist.

Amsterdam EU Finanzministertreffen Schäuble Draghi und Dijsselbloem
Absprache auf Augenhöhe: Finanzminister Schäuble (li.), EZB-Präsident Draghi (Mi.) und Euro-Gruppenchef Dijsselbloem in AmsterdamBild: picture-alliance/dpa/B. Maat

Dehnbare Zeitpläne sind die Regel

Die Vertreter der Verhandlungs-Troika aus EU-Kommission, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds konnten den versammelten Finanzministern im Schifffahrtsmuseum im Amsterdamer Hafen dann auch nur einen halbfertigen Zwischenstand präsentieren. Noch muss das griechische Parlament eine ganze Reihe an Maßnahmen beschließen. "Erst wollte man vor Ostern, also Ende März, fertig sein, dann hieß es zum griechischen Osterfest, also in einer Woche", rechnet der leicht genervte finnische Finanzminister vor. "Hoffen wir einmal, dass wir nicht wieder einen heißen griechischen Sommer bekommen."

Finanzminister Alexander Stubb aus Finnland spielt auf die Parallelen zum griechischen Drama des letzten Jahres an. 2015 trieb die griechische Links-Rechts-Koalition das Land fast in die Pleite, ein Referendum wurde angesetzt, Neuwahlen folgten. Ein Eurogruppen-Sondergipfel jagte den nächsten. Am Ende stand im Juli ein neues Hilfspaket mit 86 Milliarden Euro, das harte Auflagen und noch strengere Kontrollen vorsieht. Und einen strikten Zeitplan, der aber schon längst gekippt wurde.

Tsipras fordert Schuldenerlass

Die Frist, die unbedingt eingehalten werden müsste, ist Anfang Juli. Denn dann werden wieder 2,6 Milliarden Euro an Krediten der internationalen Geldgeber fällig. Sie müssten mit neuen Krediten aus dem aktuellen Hilfspaket abgelöst werden. "Es sieht so aus, dass es eine nachhaltige Lösung tatsächlich erst im Sommer geben wird", meinte ein EU-Beamter in vertraulichem Gespräch. Die griechische Regierung verschleppe und pokere genauso wie vor einem Jahr. Allerdings sei die Stimmung besser, weil der griechische Finanzminister Euklid Tsakalotos nicht auf Krawall und offene Konfrontation aus sei. Tsakalotos schwieg in Amsterdam gegenüber der Presse, aber zu Hause in Athen verlangte sein Premierminister Alexis Tsipras erneut einen Schuldenschnitt.

Euklid Tsakalotos Griechenland Finanzminister
Neue Hoffnung: Griechischer Finanzminister TsakalotosBild: picture-alliance/dpa/W.Dabkowski

Die griechische Regierung begründet ihre Forderung mit einem etwas besseren "primären Haushaltsüberschuss", als ihn die internationalen Gläubiger für 2015 erwartet hatten. Der primäre Haushaltsüberschuss ergibt sich, wenn man das nationale Budget ohne den Schuldendienst betrachtet. Die Zielmarke für 2015 lag bei 0,25 Prozent, erwirtschaftet wurden laut EU-Kommission 0,7 Prozent. Im Jahr 2018 soll dieser Haushaltswert bei 3,5 Prozent liegen. Nur dann, so die Auffassung der Gläubiger, könnte Griechenland langfristig in der Lage sein, seine Schulden wirklich zu bedienen und irgendwann wieder an die privaten Finanzmärkte zurückkehren.

IWF bleibt skeptisch

Allerdings streiten die Gläubiger nun untereinander, ob die Zahlen stimmen und wie sie zu bewerten sind. Die Chefin des Internationalen Währungsfonds, Christine Lagarde, hat beim Treffen mit den EU-Finanzministern erhebliche Zweifel: "Ich begrüße diese Zahlen, wenn sie denn stimmen. Wir haben ja in der Vergangenheit erlebt, dass diese Zahlen wieder korrigiert wurden. Wir werden diese Angaben sehr genau überprüfen." Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble hielt dagegen: "Ich habe sie selber nicht überprüft, aber es sind Zahlen, die von den europäischen Institutionen bestätigt worden sind." Schäuble versprach, er wolle mit Christine Lagarde zusammenarbeiten, um eine Lösung zu finden.

Her mit dem Geld: Griechenlands Steuereintreiber

Schwerer als der Streit um die aktuellen Haushaltszahlen wiegt wohl der Konflikt um das prinzipielle Vorgehen. Die Chefin des Internationalen Währungsfonds verlangt neben den Reformen in Griechenland auch eine Diskussion um die Tragfähigkeit der Schuldenrückzahlung. "Damit haben wir noch gar nicht angefangen", bemängelte Lagarde. Die IWF-Chefin spricht allerdings nicht von einem Schuldenerlass, den die griechische Seite immer wieder lautstark einfordert. Sie spricht von der Tragfähigkeit der Schulden, die man auch mit anderen Maßnahmen, wie einer Verlängerung der Laufzeiten und einer Senkung der Schuldzinsen, erreichen könnte. Der niederländische Vorsitzende der Eurogruppe will die Diskussion über die Schulden jetzt beginnen. Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble betonte dagegen noch einmal, das stehe nun wirklich nicht im Vordergrund. "Erst muss einmal umgesetzt werden, was im letzten Jahr vereinbart wurde."

Kein nomineller Schuldenerlass mit den Europäern?

In der Tat hatte der Sondergipfel beschlossen, erst nach dem ersten "Review" über Schuldenerleichterungen zu verhandeln. Der Internationale Währungsfonds macht seine weitere Teilnahme am Rettungsprogramm von einem Konzept zu tragfähigen Schulden für Griechenland abhängig. Der deutsche Finanzminister will den IWF aber unbedingt in der Rettungs-Koalition halten. Die griechische Regierung dagegen möchte den IWF gerne loswerden, weil seine Experten in der Regel in der Troika noch härter verhandeln als die europäischen Partner.

Die Schulden Griechenlands standen im vergangenen Jahr bei fast 180 Prozent seiner Wirtschaftleistung (BIP). Als tragfähig gelten allgemein nur Schulden, die 120 Prozent des BIP nicht überschreiten. Ein Erlass von Schulden kommt dennoch nicht in Frage, sagt der österreichische Finanzminister Hans-Jörg Schelling in Amsterdam. Das verbiete schon allein die österreichische Verfassung, aber über eine Umstrukturierung der Schulden, längere Laufzeiten könne man ja reden. Irgendwann, wenn es am kommenden Donnerstag tatsächlich zu einer ersten Einigung mit Griechenland kommt.