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Europäer rücken enger zusammen

Anke Hagedorn, Brüssel26. März 2004

Fünf Wochen vor der historischen EU-Erweiterung gibt es eine klare Perspektive für eine europäische Verfassung. Die EU-Staats- und Regierungschefs setzten auf ihrem Gipfel in Brüssel eine Frist bis zum 17. Juni.

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Zufrieden mit dem Gipfel:<br>Bundeskanzler Gerhard SchröderBild: AP

Den Durchbruch machten Polen und Spanien möglich, die nach langer Blockade ihre Bereitschaft zum Einlenken signalisierten. Auch auf dem Gebiet der gemeinsamen Terrorismusbekämpfung wurden auf dem Brüsseler Gipfel konkrete Maßnahmen ergriffen. Bei den Bemühungen um mehr Wirtschaftswachstum, Arbeitsplätze und Wettbewerbsfähigkeit mussten die EU-Spitzenpolitiker allerdings Defizite einräumen.

Die Bilanz zum Abschluss des Gipfels war ernüchternd, zumindest was die wirtschaftlichen Zielsetzungen angeht: Europa werde bis zum Jahr 2010 zur weltweit führenden Wirtschaftsmacht aufgestiegen sein, so lautete das ehrgeizige Ziel, dass sich die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union bei ihrem Treffen in Lissabon vor vier Jahren gestellt hatten. Doch nach wie vor bestimmen eine viel zu hohe Arbeitslosigkeit, ein geringes Wirtschaftswachstum bei den großen EU-Ländern sowie veraltete Sozialsysteme das Bild. Und so gab es heftige Kritik am zu langsamen Reformtempo, von Seiten mehrerer Mitgliedsländern und auch von Seiten der EU-Kommission und des Parlaments.

Vorrangiges Ziel: Dauerhaftes Wachstum

In der Abschlusserklärung des Gipfels heißt es daher: Vorrangig sei es, ein dauerhaftes Wachstum sowie mehr und bessere Arbeitsplätze zu schaffen. Die anziehende Konjunktur in Europa soll helfen, die nationalen Haushalte wieder mit den Zielen des Stabilitätspaktes in Einklang zu bringen. Angesichts alternder Gesellschaften müssten Renten- und Gesundheitssysteme weiter umgebaut werden.

Ein entscheidender Faktor für mehr Wachstum ist für die EU-Staaten eine global wettbewerbsfähige europäische Industrie. In diesem Zusammenhang machen sich Deutschland, Frankreich und Großbritannien für die Idee eines so genannten Superkommissars für Wirtschaftsfragen stark.

Am Donnerstag (25.3.) standen auf dem Gipfel die Terrorbekämpfung in der EU sowie die künftige EU-Verfassung auf dem Programm. Unter dem Eindruck der Terroranschläge von Madrid haben die Staats- und Regierungschefs den 11. März als europäischen Gedenktag für Opfer des Terrorismus ausgerufen. Außerdem wurde ein umfangreicher Maßnahmenkatalog zur Terrorismusbekämpfung beschlossen. Ein wesentlicher Punkt dabei ist die Ernennung eines Anti-Terrorkoordinators für die EU. Dieses Amt soll der Niederländer Gijs de Vries übernehmen, seine Aufgabe: die Zusammenarbeit von Polizei- und Geheimdienstinformationen verbessern.

Gesetzesvorhaben, die schon nach den Anschlägen vom 11. September 2001 angedacht worden waren, sollen nun endlich EU-weit umgesetzt werden, wie etwa der europäische Haftbefehl, das EU-Übereinkommen über Rechtshilfe in Strafsachen, die grenzüberschreitende Überwachung des Telefonverkehrs und die Überwachung von Bankkonten. Der Gipfel bekannte sich außerdem zur Solidaritätsklausel aus der geplanten EU-Verfassung, die im Falle eines Terrorangriffs gegenseitigen Beistand auch mit militärischen Mitteln vorsieht.

Akzeptiert: Das Prinzip der doppelten Mehrheit

Einen großen Schritt vorangekommen sind die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union auch im Hinblick auf die künftige EU-Verfassung. Eine Einigung war bislang vor allem an der Frage des Abstimmungsmodus bei Entscheidungen im Rat gescheitert. Die Bundesregierung will, dass dabei die Größe der Bevölkerung der einzelnen Länder stärker berücksichtigt wird. Dieses so genannte Prinzip der doppelten Mehrheit wurde nun auch vom polnischen Staatschef Leszek Miller grundsätzlich akzeptiert.

Und auch die neue spanische Regierung hat Flexibilität versprochen. Beide Länder hatten lange Widerstand gegen den geplanten Abstimmungsmodus geleistet, der für Spanien und Polen gewisse Einbußen in der Machtverteilung der künftigen EU bedeutet. Bundeskanzler Gerhard Schröder würdigte den Durchbruch bei der EU-Verfassung denn auch als wirklichen Erfolg: "Ich glaube, die Ergebnisse des gestrigen Abends geben zu guter Hoffnung Anlass, das wir das hinkriegen, und zwar so, dass das Ergebnis nah am Konventsergebnis liegt."

Spätestens bis zum nächsten EU-Gipfel am 17. Juni wollen sich die europäischen Staaten einigen und die EU-Verfassung verabschieden.