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Politik

Europa fällt ein schwerer Stein vom Herzen

Nina Niebergall
8. Mai 2017

In Frankreich ist der Europa-Schreck Marine Le Pen klar geschlagen, in den Hauptstädten der EU die Erleichterung über den Wahlsieg Emmanuel Macrons groß. Nur leise Mahnungen sind zu hören.

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Potsdam - Kundgebung "Pulse of Europe"
Bild: picture-alliance/dpa/R. Hirschberger

Tausende Menschen sind am gestrigen Wahlsonntag nicht nur für Europa auf die Straße gegangen. Die Demonstranten der Bewegung "Pulse of Europe" hatten vor allem eine Botschaft an die Franzosen im Sinn. Diese lautete: Bleibt bei uns. Wählt nicht Marine Le Pen und damit vermutlich den Austritt aus der EU. Bei dieser französischen Präsidentschaftswahl stand viel auf dem Spiel.

Umso größer war der Befreiungsschlag, als bereits nach den ersten Prognosen feststeht: Emmanuel Macron, ein sozialliberaler Reformer, der EU-Flaggen schwenkt und gerne betont, er trage "Europa im Herzen", gewinnt das Rennen gegen seine rechtspopulistische Kontrahentin. 

"Eine europäische Zukunft"

Kurz nachdem die ersten Hochrechnungen publik werden, veröffentlicht EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker einen Brief auf dem Kurznachrichtendienst Twitter. Er sei "glücklich, dass die Franzosen eine europäische Zukunft gewählt haben", schreibt er darin. Macron bietet er an, gemeinsam "für ein stärkeres und gerechtes Europa" einzutreten.

Auch die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini erklärt auf Twitter, man sei bereit für eine Zusammenarbeit, "um die Union neu zu beleben". Die Italienerin beendet ihre Botschaft mit den feierlichen Worten: "Vive la France, vive l'Europe" - "Es lebe Frankreich, es lebe Europa." Und EU-Ratspräsident Donald Tusk gratuliert "dem französischen Volk", das sich für "Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit" und nicht für die "Tyrannei der Fake News" entschieden habe.

Der Präsident des Europäischen Parlaments, Antonio Tajani, und EU-Abgeordnete sämtlicher Fraktionen senden ebenfalls ihre Glückwünsche nach Frankreich. Einige linke und grüne Politiker mahnen jedoch, sich nicht zu früh zu freuen. Le Pens starkes Abschneiden sei auch auf die strikte Haushaltsdisziplin zurückzuführen, die von Brüssel auferlegt sei. Langfristig müsse die EU solidarischer werden - sonst könnte Marine Le Pen in fünf Jahren eine realistische Chance auf die französische Präsidentschaft bekommen.

Rechtspopulistischer Schulterschluss

Darauf hoffen auch Le Pens geistige Verbündete. Der britische Brexit-Vorkämpfer Nigel Farage sagte bereits "fünf weitere Jahre des Scheiterns" voraus, die Frankreichs Europagegnern in die Hände spielen würden. Wenn Le Pen am Ball bleibe, könne sie 2022 gewinnen. Für den niederländischen Rechtspopulisten Geert Wilders ist die Sache klar: "Millionen von Patrioten haben für dich gestimmt. Du gewinnst das nächste Mal - und ich auch!" Wilders' Partei PVV war aus den Parlamentswahlen in den Niederlanden als zweitstärkste Kraft hervorgegangen.

Die rechtspopulistische FPÖ in Österreich erinnert, Le Pen habe mit rund 34 Prozent das beste Ergebnis einer Front-National-Kandidatin erzielt. Damit hätten die Rechtspopulisten in Frankreich eine "exzellente Ausgangsposition" für die in wenigen Wochen stattfindende Parlamentswahl, schreibt FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache auf Facebook. Die "EU-Zentralisten" seien mit einem blauen Auge davongekommen.

Frankreich Emmanuel Macron hält Rede nach Wahl
"Europa im Herzen" - mit Emmanuel Macron hat ein Pro-Europäer die Wahl gewonnenBild: REUTERS/Pool/L. Bonaventure

Glückwünsche aus Madrid, Athen, London

Daran will in Europas Hauptstädten an diesem Abend niemand denken. Für den niederländischen Regierungschef Mark Rutte war es vielmehr "eine deutlich progressive und pro-europäische Wahl". Er freue sich auf das erste Treffen mit Macron und die künftige Zusammenarbeit, teilte der liberale Politiker mit. "Bravo Emmanuel Macron", schreibt Belgiens Ministerpräsident Charles Michel. "Lass uns zusammenarbeiten, um einen neuen Impuls für Europa zu geben."

"Macrons Sieg ist eine Inspiration für Frankreich und Europa", erklärt Griechenlands Regierungschef Alexis Tsipras. Spaniens Ministerpräsident Mariano Rajoy twitterte: "Herzlichen Glückwunsch an Macron, den neuen Präsidenten von Frankreich. Wir, Frankreich und Spanien, müssen für ein stabiles, florierendes und besser integriertes Europa zusammenarbeiten."

Als baldige EU-Außenseiter meldet sich auch die britische Premierministerin zu Wort. Theresa May gratuliere "herzlich" zum Wahlerfolg, teilt ein Sprecher mit. "Frankreich ist einer unserer engsten Partner und wir freuen uns darauf, mit dem neuen Präsidenten zusammenzuarbeiten."

Wie geht es weiter?

Wie gut die Zusammenarbeit mit dem Hoffnungsträger aus Frankreich letztlich gelingen wird, weiß zum jetzigen Zeitpunkt niemand. Mit seinen Forderungen nach einer gestärkten Eurozone mit eigenem Haushalt, Parlament und Finanzminister trifft er nicht nur auf Zustimmung. Vor allem aus Berlin dürfte es Gegenwind geben. Gleichzeitig versprach Macron im Wahlkampf, die Defizitgrenze aus Brüssel künftig einhalten zu wollen - ein Versprechen, über das sich die konservativen Regierungen der EU freuen werden. Denn in den vergangenen Jahren hatte sich Frankreich immer wieder höher verschuldet, als es die EU-Regeln offiziell zulassen.

Klar ist: Nach der Wahl in Frankreich werden die Karten innerhalb der EU neu gemischt. Und womöglich ist dem ein oder anderen Gratulanten schon an diesem Wahlabend klar, dass Macron nicht die Lösung aller Probleme ist. Solange Marine Le Pen Millionen von Franzosen überzeugen kann, ist der Rechtspopulismus kaum besiegt. Und dennoch: Für Europa hätte es weit schlimmer kommen können.