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Schwaches Europa auf dem Klimagipfel

21. Dezember 2009

Der Weltklimagipfel in Kopenhagen endete ohne konkrete und verbindliche Ergebnisse. Im Interview mit DW-WORLD.DE zieht der Leiter der Delegation des Europaparlaments in Kopenhagen, Jo Leinen, eine Bilanz.

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Der Europaparlamentarier und Leiter der Delegation des Europaparlaments beim Klimagipfel in Kopenhagen, Jo Leinen (Foto: Jo Leinen)
Leinen: "Wir dürfen nicht aus dem Klimaschutz aussteigen"Bild: Jo Leinen

DW-WORLD.DE: Mit welchem Gefühl sind Sie aus Kopenhagen zurückgekehrt?

Jo Leinen: Mit großer Enttäuschung und großer Frustration. Es war so viel Aufwand, mit so wenig Resultaten.

Hätte die EU in Kopenhagen von Anfang an ambitioniertere Klimaschutzverpflichtungen auf den Tisch legen sollen, um so mehr Dynamik in die Verhandlungen zu bringen?

Ich glaube, es war wirklich ein ungünstiger Zeitpunkt, weil US-Präsident Barack Obama nichts im Gepäck hatte. Die Vorverhandlungen mit China reichten zudem nicht aus, um eine Zusage für Kontrollen zu bekommen. Ich zweifle daran, dass die Streitpunkte im Angebot der EU, die Einsparungen bei den Kohlenstoffdioxid-Emmissionen von 20 auf 30 Prozent zu erhöhen, der Knackpunkt gewesen wären.

Was ist der wirkliche Grund?

Die Konferenz ist irgendwie falsch aufgezogen worden. Die Europäer kamen mit großen Erwartungen und eigentlich auch einem guten Angebot, aber die Klimadiplomatie hat versagt. Es gab keine ausreichenden Absprachen mit den anderen Partnern, so dass Kopenhagen auch ein Erfolg werden sollte.

Das Fazit sieht schlecht aus. Wie soll es weitergehen?

Demonstranten halten ein Plakat mit US-Präsident Barack Obama auf einer Demonstration während des Klimagipfels in Kopenhagen (Foto: AP)
Auch US-Präsident Barack Obama enttäuschte in KopenhagenBild: AP

Wir können nicht aus dem Klimaschutz aussteigen. Das geht nicht. Daher muss man weitermachen, so schwierig das auch ist. Die nächsten geplanten Klimakonferenzen in Bonn und Mexiko-Stadt 2010 treffen vielleicht auf bessere Rahmenbedingungen. In den USA ist dann die Klimagesetzgebung durch. Barack Obama kann sich für die Konferenzen mehr vornehmen und auch China hat bereits ein wenig die Tür geöffnet: beispielsweise für das Zwei-Grad-Celsius-Ziel, so dass auch Konsultationen und Analysen der nationalen Klimaschutzpläne möglich sein könnten.

Was kann und soll die EU jetzt tun?

Europa hat gezeigt, wie schwach es ist. Das Abkommen wurde zwischen den G-2-Staaten, also den USA und China, ausgemacht. Europa konnte nur zustimmen oder nach Hause fahren. Das zeigt, dass wir noch nicht die Führungsstärke besitzen, die wir brauchen, um bei der Weltpolitik ganz vorne mitzureden. Ich hoffe, dass der Lissabon-Vertrag eine Besserung bringt. Ich fordere eine Klimaschutzaußenpolitik. Die künftige Kommissarin für Klimaschutz, die Dänin Conni Hedegaard, wenn es sie denn geben wird, und die EU-Außenministerin, Catherine Ashton, müssen uns auch die Ressourcen zur Verfügung stellen, damit wir uns auf eine solche Konferenz vorbereiten können.

Es gibt kein klares Abkommen, aber wie sehen denn nun die Chancen zum freiwilligen Handeln ohne Verpflichtungen aus?

Eine kohlenstoffarme Wirtschaft, also eine neue industrielle Revolution, ist unverzichtbar und jedes Land und jede Region, die die Nase vorne hat, wird auch am besten abschneiden und sich dann auch auf dem Weltmarkt mit neuen Produkten und neuen Dienstleistungen bewähren können. Ich warne davor, dass wir jetzt den Rückwärtsgang einlegen. Europa muss weiter nach vorne gehen bei der Forschung und Entwicklung. Und muss auch einen Zahn zulegen bei Verpflichtungen. Wir werden nämlich bald erfahren, dass auch die USA und China echte Konkurrenten in diesem Rennen sind. Europa darf nicht nachlässig werden und muss am Ball bleiben.

Weitere Fragen an Jo Leinen - das gesamte Interview können Sie sich als mp3-Download am Ende des Textes anhören:

  • Möchten Sie die Politiker beschwören oder sehen Sie bereits einige auf diesem freiwilligen Weg?
  • Sie haben viel Zeit mit den Entscheidungsträgern auf dem Gipfel verbracht, wie sieht ihre persönliche Prognose aus für die weiteren Monate? Frustration oder Kampfgeist?


Jo Leinen ist seit Juli 1999 Mitglied im Europäischen Parlament und seit 2009 Vorsitzender des Ausschusses für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit. Beim Weltklimagipfel in Kopenhagen leitete er die Delegation des Europaäischen Parlaments.

Das Interview führte Günther Birkenstock.

Redaktion: Nicole Scherschun