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Europa hat Zukunft

17. Dezember 2001

Bundeskanzler Schröder nennt es einen historischen Beschluss. Und er übertreibt dabei nicht. Die Erklärung von Laeken läutet eine neue Reformrunde der Europäischen Union ein.

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Sie ist ein für europäische Verhältnisse ungewöhnlich realistisches, weitreichendes und vor allem mutiges Dokument. Die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union scheinen fest entschlossen, Europa fit für die Zukunft zu machen.

Reformarbeit

In seltener Einigkeit und in seltener Schnelligkeit setzten alle 15 ihre Unterschriften unter die Erklärung, die einen Konvent beauftragt, die Reformarbeit anzugehen. Schon die Einrichtung des Konvents zeigt, dass offensichtlich auch Regierungschefs lernfähig sind. Alle vorangegangenen Reformanstrengungen der Europäischen Union - ob das nun Maastricht, Amsterdam, oder Nizza war - hatten den großen Makel, dass sie hinter verschlossenen Türen, über die Köpfe der Bürger Europas hinweg geschahen.

Erst vor einem Jahr hatte der deutsche EU-Kommissar Günter Verheugen noch Prügel für seine Bemerkung bekommen, der Euro sei quasi hinter dem Rücken der Völker eingeführt worden und man dürfe sich nicht wundern, wenn die Akzeptanz zu wünschen übrig lasse. Die Erklärung von Laeken zeigt jedoch, dass Verheugen seiner Zeit voraus war: jetzt ist die Einsicht da, dass ein Europa ohne Europäer nicht funktionieren kann, weil ihm die Seele, weil ihm das Leben fehlt. Und der Konvent trägt diesem Gedanken Rechnung: denn zum einen tagt das Gremium öffentlich, und zum anderen sitzen in ihm nicht nur Spitzenpolitiker und verbeamtete EU-Experten aus den Regierungen. Die Mehrheit des Konvents stellen Abgeordnete aus den nationalen Parlamenten und aus dem Europaparlament.

Kompetenzfragen

Die Konventsmitglieder erhalten ein unglaublich offenes, ein optimales Mandat. Die Vorgabe lautet: die Union muss demokratischer, offener und effizienter werden. Der Konvent hat damit eine wirkliche Aufgabe, auch wenn man es noch nicht offen so nennen will: er soll ein europäisches Grundgesetz ausarbeiten, eine Art Verfassung, einen Verfassungsvertrag. Endlich soll die Kompetenzfrage geklärt werden: Wer hat was in Europa zu entscheiden. Und damit wird auch für den europäischen Bürger klar: Wer hat in Europa das Sagen und wobei hat wer was zu sagen. Das weiß selbst der mündige Europäer bis heute nicht.

Der Konvent kann hier - bei einer erstaunlich offenen, bei einer erstaunlich breit gefassten, bei einer erstaunlich ergebnisoffenen Tagesordnung - Signale setzen. Das wichtigste aber ist bereits in Laeken demonstriert worden: Europa zeigt Mut, es zeigt Mut zu einer europäischen Verfassung für den europäischen Bürger. Damit zeigt es Mut zur Zukunft, zu seiner eigenen Zukunft.

So mancher wird sich aber fragen: Ist mit dem früheren französischen Staatspräsidenten Valery Giscard d'Estaing wirklich der richtige zukunftsfähige Präsident gefunden? Ist ein 75-jähriger in der Lage, mutig nach vorne zu gehen? Warum nicht? - könnte man antworten. Schließlich sagt Alter nichts über Mut aus, außerdem will Giscard d'Estaing selbst nichts mehr werden. Er ist frei von persönlichen Ambitionen, und das könnte seine Arbeit genauso beflügeln wie lähmen. Immerhin hat Giscard hat die europäische Währungsschlange erfunden - den Vorgänger der europäischen Währungsunion, er hat den ECU erfunden, den Vorläufer des Euros, der in weniger als zwei Wochen gemeinsames Geld für mehr als 300 Millionen Europäer sein wird. Auch das ist ein Signal von Laeken.