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Europa in Sicht - Rumänien vor Unterzeichnung des Beitrittsvertrags

21. April 2005

Rumänien soll gemeinsam mit Bulgarien 2007 EU-Mitglied werden. Skeptiker möchten den Beitritt um ein Jahr verschieben: Das Land soll zuerst die Korruption beseitigen. Die Regierung bemüht sich um Fortschritte.

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Rumänen wollen in die EUBild: AP

Wenige Tage vor der Unterzeichnung des Beitrittsvertrags erklären sich 85% der Rumänen einverstanden mit der Integration ihres Landes in die EU. Trotz steigender Preise, einer möglicherweise höheren Arbeitslosigkeit oder zusätzlicher Steuern sehen die meisten Rumänen in dem Beitritt die einzige realistische Möglichkeit, die flächendeckende Korruption in ihrem Land los zu werden. Und damit wären wir bereits beim Kernthema. Denn eben wegen dieses "nationalen Übels", das bis in die Spitzen von Politik und Wirtschaft reicht, wird Rumänien immer häufiger mit einer Warteschleife gedroht: Nicht 2007, sondern ein Jahr später sollte Rumänien aufgenommen werden, fordern vor allem Vertreter der europäischen Konservativen.

Skepsis im deutschen Bundestag

Die Aktivierung der so genannten Sicherheitsklausel im Falle Rumäniens ist auch zum Lieblingsthema der CDU-CSU-Fraktion im deutschen Bundestag geworden. Erst kürzlich warnte deren europapolitischer Sprecher Peter Hintze vor einem raschen EU-Beitritt Rumäniens und drohte mit einem Nein bei der Ratifizierung des Vertrags durch Bundesrat und Bundestag. Weit verbreitete Korruption und eine nur bedingt unabhängige Justiz seien schwerwiegende Mängel, die den für 2007 geplanten EU-Beitritt in Frage stellten. Die deutschen Sozialdemokraten erkennen die Probleme auch, sehen aber bereits die Ansätze der neuen liberal-demokratischen Regierung und des Präsidenten Traian Basescu im Kampf gegen Korruption. Gernot Erler, SPD-Fraktionsvize, versucht, das Thema Rumänien im Bundestag in ruhigeres Fahrwasser zu bringen: "Wir werden auf jeden Fall am 25. April die Unterzeichnung des Beitrittsvertrags haben, das entscheidet nicht der Bundestag, sondern die Regierung. Natürlich brauchen wir zum Schluss die Ratifizierung durch den Bundestag, wie bei allen anderen Beitrittsakten auch, aber bis dahin ist noch eine ganze Menge Zeit. Ich denke, dass bis dahin noch gute Gelegenheit ist, auch die Öffentlichkeit in Deutschland davon zu überzeugen, dass Rumänien auch die Verpflichtungen erfüllt hat, die sie übernommen haben. Das wird sehr genau geprüft, und wenn wir dann vernünftige Berichte bekommen, dann wird auch die Stimmung positiv sein für einen Beitritt."

Kampf gegen Korruption

Auch der rumänische Präsident, Traian Basescu, spricht von berechtigter Kritik. Nur bittet er diejenigen Politiker, die Rumänien immer noch mit Skepsis begegnen, aufmerksam die neuesten Entwicklungen im Land zu verfolgen. Durch die harten Maßnahmen seiner Regierung ist sich Basescu sicher, die Glaubwürdigkeit seines Landes wiederherzustellen. Basescu betonte: "Die Kritik ist sehr wohl berechtigt und die Skepsis einiger deutscher Politiker gegenüber Rumänien ist auch gerechtfertigt, wenn man die letzten 15 Jahre und vor allem die letzten vier Jahre in Rumänien betrachtet. Gleichzeitig lautet mein Wunsch aber, dass Rumänien nicht vorrangig oder sogar ausschließlich anhand seiner Entwicklung in der Zeit 2000-2004 beurteilt werden soll. Ich möchte die deutschen Politiker, die Rumänien gegenüber noch misstrauisch sind, bitten, sich ebenfalls die letzten Monate anzuschauen, seitdem die neue Regierung im Amt ist. Wir haben einen erbitterten Kampf gegen die Korruption aufgenommen."

Erbittert im wahrsten Sinne des Wortes. So sind z. B. über 40 Polizei-Generäle entlassen worden, 42.000 Firmen sind die Bankkonten gesperrt worden, weil sie ihre Steuerschulden nicht beglichen haben, eine nie da gewesene Welle von Verhaftungen und Strafverfahren wegen Korruption wurde gestartet. Vieles von dem, was bis 2004 von der ex-kommunistischen sozial-demokratischen Regierung vertuscht wurde, scheint erst jetzt zum Vorschein zu kommen. Das wird in der EU mit Genugtuung zur Kenntnis genommen, es ist jedoch erst der Anfang eines langwierigen Prozesses. Ob der Präsident und seine Regierung das durchhalten, muss abgewartet werden. Die alten und neuen Seilschaften aus zeiten der KP und des berüchtigten Geheimdienstes Securitate funktionieren immer noch einwandfrei - sowohl in den Parteien als auch in der Wirtschaft.

Außenpolitische Prioritäten

Doch auch außenpolitisch bewegt sich Rumänien nicht in ruhigem Fahrwasser. Basescus außenpolitische Prioritäten - im Bereich der Sicherheit setzt er auf die strategische Partnerschaft mit den USA und Großbritannien - haben ihn und seine Minister sowohl in Berlin als auch in Paris mehrmals in Erklärungsnöte gebracht. Deutschland und vor allem der traditionelle Partner Frankreich haben auf diese Neuausrichtung der rumänischen Außenpolitik spitz reagiert, sehen diese beiden Länder sich doch gern als Lokomotive der EU-Osterweiterung und Anwalt Rumäniens auf dem Weg in die Europäische Union. Basescu versucht nun krampfhaft, die Deutschen und Franzosen vom europäischen Kurs seines Landes zu überzeugen. Nach seinen Gesprächen in Berlin mit Bundeskanzler Schröder sagte der rumänische Präsident: "Ich glaube nicht, dass diesbezüglich Missverständnisse aufkommen mussten. Für Rumänien steht eindeutig fest, dass es sich im Rahmen seiner Entwicklung in Richtung EU eine Hauptpriorität gesetzt hat: und zwar die Integration am 1.Januar 2007 - als eine Wiederkehr Rumäniens in die europäische Familie. Diesbezüglich gibt es in Rumänien keinerlei Zweifel. Das ist die oberste nationale Priorität."

Eines der ärmsten Länder Europas

Diese Priorität muss sich nun auch in der Wirtschaftspolitik verstärkt wieder finden. Zwar liegt das Wachstum seit einigen Jahren konstant bei über fünf Prozent - im vergangenen Jahr waren es sogar über acht Prozent. Zum ersten Mal seit Jahren liegt die Inflationsrate unter zehn Prozent, die Arbeitslosenquote beträgt sieben Prozent. Der einheitliche Steuersatz von 16 Prozent, der Anfang dieses Jahres von der neuen liberal-demokratischen Regierung eingeführt wurde, soll zusätzliche Investoren, vor allem aus der EU, anlocken. Das alles sollte jedoch nicht darüber hinweg täuschen, dass Rumänien immer noch zu den ärmsten Ländern Europas zählt. So liegt der Netto-Durchschnittslsohn bei 180 Euro, das reale Brutto-Inlandsprodukt pro Kopf erst bei 30% des EU-Durchschnitts. Und der rasche EU-Beitritt wird das alles nicht so schnell ändern. Doch das nehmen die meisten Rumänen in Kauf, um endlich da zu sein, wo sie hingehören: nach Europa.

Robert Schwartz
DW-RADIO/Rumänisch, 21.4.2005, Fokus Ost-Südost