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"Europa kann nicht weiter rennen"

Tamsin Walker interviewte Viviane Reding16. Juni 2005

Europas Führung versammelt sich zu einem zweitägigen Gipfel in Brüssel, um dem Bündnis einen neuen Impuls zu geben. Kann die EU sich aus dem Verfassungswirrwarr befreien? DW-WORLD sprach mit Kommissarin Viviane Reding.

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Glaubt, die EU läuft zu schnell: Viviane RedingBild: dpa - Fotoreport

Der Halbjahresgipfel der Europäischen Union spielt sich vor dem Hintergrund der französischen und niederländischen Ablehnung der Verfassung und dem drohenden Kampf um das Budget von 2007 bis 2013 ab. DW-World interviewte Viviane Reding, EU-Kommissarin für Informationsgesellschaft und Medien, was für die Zukunft des 25 Mitglieder starken Blocks auf dem Spiel steht.

DW-WORLD: Kommissionspräsident Barroso hat zu einer Periode des Nachdenkens im Hinblick auf eine Ratifizierung der Verfassung aufgerufen, was heißt das konkret für die Verfassung?

Viviane Reding: Das heißt, dass die Verfassung noch lebt, und es ist wichtig, dass sie noch lebt. Denn sie ist von den politischen Kräften aller in dem Abkommen vereinten Mitgliedsstaaten vereinbart worden, was bedeutet, dass diese Vereinbarung die Grundlage für zukünftige Diskussionen sein sollte. Aber in den Referendums-Prozessen haben wir gesehen, dass die Menschen nicht über den Inhalt der Verfassung informiert waren und sehr oft aufgrund der Probleme abgestimmt haben, die sie mit Europa oder mit ihren Regierungen haben. Deshalb ist es wichtig, einen zweiten Blick auf diese Verfassung zu werfen und sie besser der Öffentlichkeit zu präsentieren.

Wie lang könnte das dauern?

Das wird so lange dauern, wie es dauert, nämlich bis die Zeit reif ist für eine Entscheidung. Man kann das nicht voraussehen: Es kann sehr schnell gehen, es könnte auch mehrere Monate dauern.

Wie ist es möglich, den Glauben der Menschen in Bezug auf das europäische Projekt wiederzugewinnen?

Ich habe aufmerksam den Bürgern während der letzten Jahre zugehört, nicht nur während der Zeit der Referenden, und sie haben einige Probleme mit der Art und Weise, wie Europa aufgebaut wird. Die Verfassung war eine Antwort auf dieses Problem, aber die Menschen haben nicht verstanden, dass sie eine Lösung zu ihrer Kritik war. Das ist jetzt die Botschaft, die wir rüberbringen müssen.

Gibt es eine generelle Ebene der Ermüdung unter Europäern, was die Mitgliedschaft in einer Union angeht?

Ich denke nicht so. Wenn Sie sich die Zahlen ansehen: Obwohl die Verfassung von 55 Prozent der Franzosen abgelehnt wurde, fühlen sich 70 Prozent des französischen Volkes als Europäer und sie wollen die Europäische Union. Sie haben ein Problem mit der Art und Weise, wie diese EU sich derzeit entwickelt. Es ist auch eine Tatsache, dass die Entwicklung dieser Union in den letzten zehn Jahren mit einer solchen Geschwindigkeit gelaufen ist, dass niemand in der Lage gewesen ist, ihr zu folgen – mit der großen Erweiterung und mehreren Reformen der Institutionen. Ich glaube, es geht für normale Menschen zu schnell.