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Europa rückt zusammen - Die Bukarester Tagung der Humboldt-Stiftung

Von Emil Hurezeanu 15. April 2002

- eine Plattform für den Wissenschaftsdialog in Südosteuropa

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Köln, 15.4.2002, DW-radio

In Bukarest fand vom 12. bis 14. April die zweite regionale Südosteuropa-Tagung der Alexander-von-Humboldt-Stiftung statt. Diesmal kamen unter dem Motto "Grenzüberschreitender Wissenschaftsdialog in Südosteuropa" rund 80 Stipendiaten und Preisträger der Stiftung aus Deutschland und einigen Ländern der Region (Albanien, Bulgarien, Kroatien, Mazedonien, Serbien, Slowenien, Rumänien und Ungarn) zusammen, um über eine Reihe von grenzüberschreitenden wissenschaftlichen Initiativen und Projekten zu beraten. Mitveranstalter des Kolloquiums war die Fritz-Thyssen-Stiftung aus Köln.

In der Aula der Bukarester Universität trafen sich prominente humanistische Wissenschaftler: Soziologen, Rechtswissenschaftler, Politologen, aber auch Historiker und Archäologen. Trotz unterschiedlichen Disziplinen haben sie eines gemeinsam: in den postkommunistischen Gesellschaften Südosteuropas haben es die Geistes- und Sozialwissenschaften schwer. Auch heute verdient ein Geisteswissenschaftler an einer Universität in Sofia oder Bukarest nur etwa 250 Euro pro Monat, die Einrichtungen, Forschungslabors oder Bücher sind immer noch ein fast unbezahlbarer Luxus, von dem manche nur träumen können.

Für Prof. Dr. Wolfgang Frühwald, den bekannten Münchner Germanisten und Vorsitzenden der Humboldt-Stiftung, ist die Bukarester Tagung Teil eines Projekts der regionalen Aktivität der Stiftung in gefährdeten Gebieten Europas, dort wo Kriege, ethnische Konflikte, mangelnde demokratische Entwicklung oder wirtschaftliche Probleme sowohl Wissenschaft als auch den Frieden gefährden.

"Wir möchten gerne in gefährdeten Regionen dieses Europas - und die gibt es nicht nur in Mittel-, Ost- und Südosteuropa, sondern auch in Westeuropa, denken Sie an Irland, denken Sie an Belgien, denken Sie auch an andere Regionen - wir möchten gerne in gefährdeten Regionen ein solidarisches Gespräch zustande bringen, und dazu bieten sich Humboldtianerinnen und Humboldtianer besonders gut an. Die erste dieser Südosteuropa-Konferenzen war in Sofia, die zweite in Bukarest, und wir werden sicher demnächst in eine andere große Stadt Südosteuropas gehen, um eine weitere solche Konferenz zu machen."

Aber Prof. Dr. Frühwald will unbedingt noch einen Grundgedanken über die Bedeutung der Wissenschaft loswerden:

"Ein Nebeneffekt dieser wissenschaftlichen Zusammenarbeit könnte die Friedensstiftung sein: dass man miteinander spricht, solidarisch miteinander spricht, und könnte nicht nur eine Friedensstiftung, sondern eine Stiftung des Friedens durch Demokratisierung sein. In der Wissenschaft gibt es kaum Hierarchien, oder sollte es keine Hierarchien geben. Jeder und jede ist gleich gut, wenn die Qualität der Wissenschaft stimmt. Diesen Gedanken zu verbreiten halte ich nicht für schlecht in einer Welt, die von Gewalt und Macht beherrscht wird."

Die Fritz-Thyssen-Stiftung, die das Kolloquium in Bukarest mit finanziert hat, wird sich auch an den nächsten sechs regionalen Treffen der Humboldtianer beteiligen. Jürgen Regge, Vorstand der Fritz-Thyssen-Stiftung, sieht in den regionalen Konferenzen der Wissenschaftler in Ost- und Südosteuropa wichtige Bestandteile der Vertrauensbildung, dort wo Misstrauen und Konflikt-Traumata die Systeme der Zusammenarbeit unterbrochen haben.

"Stiftungen sind Teil der Zivilgesellschaft und deswegen wollen wir auch hier mit Beispielen der Stiftungsarbeit den Stiftungsgedanken verbreiten. Die Wissenschaft müsste die Grundlagen für demokratische Entwicklungen mitlegen. Das sie es nicht alleine kann, ist selbstverständlich, aber sie ist ein wichtiger Bestandteil. Wir sind zusammen mit anderen deutschen Stiftungen dabei, emeritierte Wissenschaftler in die Region zu schicken, damit sie hier an dem Wiederaufbau und an den Curricula-Entwicklungen an den Hochschulen teilhaben können."

In den 50 Jahren seit Neugründung der Humboldt-Stiftung sind über 1 600 Wissenschaftler aus Südosteuropa mit Stipendien, Preisen oder verschiedenen Studienprogrammen bedacht. Zusätzlich werden finanzielle Mittel bereitgestellt, um die Forschungs-Strukturen im südosteuropäischen Raum wieder zu beleben und den Wissenschaftlern die Rückkehr in die große europäische Familie der Wissenschaftler zu gewähren. Neben der Fritz-Thyssen-Stiftung beteiligen sich das Auswärtige Amt durch den Stabilitätspakt für SOE an der Finanzierung mehrerer Projekte in der Region. Darüber hinaus bietet die Humboldt-Stiftung jährlich über 1 800 Wissenschaftlern aus der ganzen Welt die Möglichkeit, in Deutschland Forschung zu betreiben - und das mit großem Erfolg. Dies bezeugen auch die ständigen Kontakte zu über 20 000 Humboldtianerinnen und Humboldtianern in rund 130 Ländern. (fp)