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Europa ringt um Schengen-Freiheit

6. Februar 2016

Unter dem Druck eines neues Flüchtlingsansturms suchen die EU-Außenminister in Amsterdam nach Lösungen. Die vielbeschworene Gefahr: das Ende von Schengen. Ungarn und Österreich wollen Flüchtlinge mit Soldaten stoppen.

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EU-Außenbeauftragte Mogherini mit Luxemburgs Außenminister Asselborn (Foto: REMKO DE WAAL/AFP/Getty Images)
"Grenzschließung ist keine Lösung": EU-Außenbeauftragte Mogherini mit Luxemburgs Außenminister AsselbornBild: Getty Images/AFP/R. De Waal

Ungarn unterstützt Österreichs Vorschlag, über Griechenland kommende Flüchtlinge durch den Einsatz von Polizisten und Soldaten an der Grenze zu Mazedonien aufzuhalten. Wenn Griechenland nicht willens oder in der Lage sei, die EU-Außengrenze zu schützen, brauche die EU "eine andere Verteidigungslinie", sagte der ungarische Außenminister Peter Szijjarto. Diese müsse "offensichtlich in Mazedonien und Bulgarien" aufgebaut werden, so Szijjarto bei einem Treffen mit seinen EU-Kollegen in Amsterdam. An den dortigen Gesprächen nehmen auch mehrere Balkanstaaten und die Türkei teil.

Das an Griechenland grenzende Mazedonien ist Beitrittskandidat der Europäischen Union. EU-Mitglied Bulgarien hat eine gemeinsame Grenze mit Griechenland und dem europäischen Teil der Türkei. Griechenland steht seit Monaten unter Druck, weil der Großteil der dort ankommenden Flüchtlinge ungehindert über den Balkan Richtung Mittel- und Nordeuropa weiterreisen kann.

"Dann werden wir andere Wege finden"

Österreichs Außenminister Sebastian Kurz hatte am Freitag erklärt, Mazedonien und andere Balkanländer seien bereit, mit der EU bei der Grenzsicherung zusammenzuarbeiten. Auch er verwies auf die Schwierigkeiten Griechenlands, die EU-Außengrenze zur Türkei zu sichern. Wenn Athen dies nicht bald schaffe, "werden wir andere Wege finden", drohte Kurz.

Dagegen sagte EU-Erweiterungskommissar Johannes Hahn, die Länder auf dem Balkan dürften nicht "zum Parkplatz für Flüchtlinge" werden. Er warnte vor einem "Dominoeffekt", wenn einzelne Staaten versuchten, im Alleingang Lösungen durchzusetzen. "Wir müssen eine europäische Lösung finden", erklärte er in Amsterdam. Das bedeute auch die Verstärkung der EU-Außengrenzen.

Österreichs Außenminister Kurz vor der Presse (Foto: REMKO DE WAAL/AFP/Getty Images)
Soldaten in Mazedonien? Österreichs Außenminister Kurz vor der PresseBild: Getty Images/AFP/E. Dunand

Migration im Windschatten?

Am Rande des Treffens wies der österreichische EU-Kommissar darauf hin, dass mittlerweile weniger als 40 Prozent der in Griechenland eintreffenden Flüchtlinge Syrer seien - und von diesen hätten möglicherweise manche einen falschen Pass. "Das ist eine neue zusätzliche Dimension, dass sozusagen im Windschatten der Flüchtlingskrise jetzt noch ein verstärkter Migrationsstrom eingesetzt hat", sagte Hahn.

Mit Blick auf die heftigen Gefechte in der syrischen Großstadt Aleppo könnte sich dies allerdings rasch wieder ändern. Hahn forderte die Türkei auf, ihre Grenze zu Syrien für Menschen zu öffnen, die vor den Kämpfen flöhen. Es gelte nach wie vor die Genfer Konvention, "wonach Flüchtlinge aufzunehmen sind", so Hahn. Zehntausende Syrer warten weiter auf Einlass in die Türkei.

Immer mehr Menschen stauen sich am syrischen Grenzübergang Bab al-Salama, wo sie in die Türkei gelangen wollen (Foto: picture alliance/AP Photo)
Immer mehr Menschen stauen sich am syrischen Grenzübergang Bab al-Salama, wo sie in die Türkei gelangen wollenBild: picture alliance/AP Photo

Neuer Flüchtlingsansturm absehbar

Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn forderte Gespräche mit Russland, um ein Ende der syrischen Offensive in der Provinz Aleppo zu erreichen. Russland unterstützt als Verbündeter des Assad-Regimes die Regierungstruppen in Syrien. Aufgrund der Kämpfe, so Asselborn, komme mit hoher Wahrscheinlichkeit "jetzt eine große Flut von Menschen auf uns zu".

So stehen die EU-Außenminister einerseits unter dem Zwang der Ereignisse und dem Gebot, Schutzsuchenden Hilfe zu gewähren. Andererseits bewegen sie sich im Spannungsfeld, jene EU-Staaten nicht zu überfordern, die bereits eine große Zahl an Flüchtlingen aufgenommen haben - und zugleich die Reisefreiheit des Schengen-Raums mit seinen offenen Grenzen zu bewahren. Dem Schengen-Abkommen sind ein Großteil der EU-Länder sowie Norwegen, die Schweiz, Liechtenstein und Island beigetreten.

Flüchtlinge aufnehmen - aber nicht durchlassen

Die angesichts des Flüchtlingsansturms wieder eingeführten Grenzkontrollen könnten mittelfristig das Ende des Schengen-Raums bedeuten. Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini sagte in Amsterdam, sie glaube nicht, dass das Schließen von Grenzen eine Lösung sei. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel mahnte zum wiederholten Mal, die europäische Reisefreiheit zu verteidigen. "Wir müssen unsere Außengrenze schützen, weil wir Schengen erhalten wollen", sagte Merkel in ihrem wöchentlichen Videopodcast.

Merkel trifft am Montag den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan und Regierungschef Ahmet Davutoglu. Ein Aktionsplan der EU sieht vor, der Türkei drei Milliarden Euro für die Unterbringung von Flüchtlingen zu zahlen: Ankara soll sie aufnehmen - aber nicht weiterreisen lassen. Anlässlich der deutsch-türkischen Regierungskonsultationen vor zwei Wochen in Berlin hatte Davutoglu höhere Geldforderungen angedeutet. Die bisherigen Zusagen seien "nur dazu da, den politischen Willen zur Lastenteilung zu zeigen", sagte er damals. "Niemand kann von der Türkei erwarten, die gesamte Last allein zu tragen."

jj/se (dpa, afp, rtr)