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"Europa sollte Belarus zur freien und fairen Wahl ermutigen"

9. März 2006

Der Deutsche Bundestag hat die belarussische Führung dazu aufgerufen, freie Wahlen zuzulassen. Im Interview mit DW-RADIO spricht Manfred Grund (CDU/CSU) über mögliche Strategien im Umgang mit dem isolierten Land.

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Manfred Grund, Belarus-Experte der CDU/CSU-FraktionBild: bundestag.de

Manfred Grund ist parlamentarischen Geschäftsführer der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag und wird während der Wahlen als Beobachter in Belarus sein.

DW-RADIO/Russisch: Heute haben vier Bundestagsfraktionen (SPD, CDU/CSU, FDP und Bündnis 90 / Die Grünen) im Bundestag einen gemeinsamen Antrag zur Achtung demokratischer Standards im Vorfeld der Präsidentschaftswahl in Belarus verabschiedet. Sie haben dieses Dokument mitinitiiert. Was genau fordern Sie von der Bundesregierung?

Manfred Grund: Wir fordern die Bundesregierung auf, sich in der Europäischen Union, in der OSZE und im Europarat dafür einzusetzen, dass Belarus seinen Verpflichtungen zu freien und fairen Wahlen nachkommt. Hintergrund sind die Präsidentschaftswahlen, die von 14. bis 19. März abgehalten werden. Wir befürchten, dass nicht alle Kandidaten gleichmäßig Zugang zur Öffentlichkeit und zu den Medien haben und dass der jetzige Präsident den einseitigen Vorteil dadurch hat, dass er überall - in allen Nachrichtensendungen, Fernsehen und Zeitungen - präsent ist. Diesen einseitigen Vorteil sehen wir etwas mit Sorge, was freie und unabhängige Wahlen anbetrifft.

Welche Strategie gegenüber Belarus halten Sie momentan für angemessen?

Ich finde, Europa sollte Belarus zur freien und fairen Wahl ermutigen und auch ein Angebot auf eine nachbarschaftliche Zusammenarbeit machen. Belarus ist eines der wenigen Länder, wo es keinen Nachbarschaftsvertrag gibt, wo Europäische Union und ein angrenzendes Land eher nebeneinander bestehen und zu wenig miteinander kooperieren. Die EU sollte Kooperationsangebote machen, aber auch deutlich machen, dass bei nachgewiesenen Wahlmanipulationen diejenigen, die gegen freie und faire Wahlen, gegen internationale Standards verstoßen, auch damit rechnen müssen, dass sie keine Einreisevisa nach Europa bekommen.

Welche Möglichkeiten haben Ihrer Meinung nach die Bundesregierung bzw. die EU darüber hinaus, um den Demokratisierungsprozess in Belarus zu unterstützen?

So viele Instrumente stehen der EU eigentlich nicht zur Verfügung. Das müssen wir ganz realistisch sehen. Eine der neuen Möglichkeiten ist - das fordern wir auch in unserem Antrag - dass die EU, aber auch Deutschland bei bilateralen Gesprächen mit Russland das Thema Belarus, Situation der Menschenrechte in Belarus aufrufen, damit wir auch im Interesse der Menschen zu einem geordneten Miteinander kommen zwischen Litauen, Polen, EU-Europa und Belarus.

Was glauben Sie, mit Ihrem Appell erreichen zu können? Es ist ja bekannt, dass Präsident Lukaschenko derartige Aufforderungen bisher ignoriert hat?

Das wissen wir. Wir dürfen trotzdem nicht nachlassen, denn dann würden wir zehn Millionen Menschen in Belarus fast abschreiben. Das wollen wir nicht. Wir wollen ein Zeichen setzen, das diese Menschen nicht vergessen sind, dass wir am ihrem Schicksal auch Anteil nehmen und dass wir sie ermutigen wollen, die Angst, die in weiten Teilen da ist, zu überwinden und sich auch frei zu entscheiden. Dann natürlich auch das Angebot an die Bundesregierung, mit der belarussischen Staatsführung zu kooperieren. Wir wollen versuchen, zu einer flexibleren Haltung zu kommen. Voraussetzung ist aber Wahrung der Menschenrechte und Ermöglichung einer freien und fairen Wahl am 19. März.

Das Interview führte Olja Melnik

DW-RADIO, 9.3.2006, Fokus Ost-Südost