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Europa wächst zusammen.

26. Oktober 2009

In wenigen Wochen beginnt in Europa eine neue Phase der Integration: Durch den Lissabon-Vertrag sind die EU-Staaten so miteinander verbunden wie nie zuvor. Fühlen sich deshalb auch die Europas Bürger einander zugehörig?

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Im Interview: Prof. Dr. Christina Holtz-Bacha (Symbolbild, Mikrofon) (Foto: DW)
Im Interview: Prof. Dr. Christina Holtz-BachaBild: FAU

Über dieses Thema hat DW-WORLD.DE mit Christina Holtz-Bacha gesprochen. Sie ist Professorin für Kommunikationswissenschaften an der Universität Erlangen:

DW-WORLD.DE: Frau Holtz-Bacha, bald tritt der Lissabon-Vertrag in Kraft. Europa wird dann institutionell so integriert sein wie nie zuvor in der Geschichte. Gilt das auch für die europäische Identität?

Christina Holtz-Bacha: Oh nein! Davon sind wir noch weit entfernt und es ist auch die Frage, ob wir da jemals hinkommen werden. Denn Europa besteht jetzt immerhin aus 27 Staaten und das sind so unterschiedliche Kulturen, da können wir wohl nie davon ausgehen, dass wir da wirklich eine europäische Identität haben werden.

Wie kann die EU diesen Prozess fördern?

Das möchte die EU gerne wissen. Und da hat es schon über Jahrzehnte Ansätze und Überlegungen gegeben, was man tun kann. Eine große Hoffnung war eigentlich das Fernsehen oder überhaupt die Medien. Vor allem Fernsehen und Film waren immer wieder im Gespräch und da hat man auch einiges getan. Aber so ganz ist das nie ins Laufen gekommen.

Woran hapert es bei diesen Medienversuchen?

Wir haben einmal Versuche gehabt - das hat in den 80er Jahren angefangen mit europäischem Fernsehen. Das ganz große Problem, weshalb es auch wieder eingestellt wurde, war die Sprache. Wir brauchen eine gemeinsame Sprache. Nun könnte man aus deutscher Perspektive sehr schnell sagen: Naja, Englisch! Aber selbst Englisch können die wenigsten so, dass sie auch Filme verfolgen können oder verfolgen wollen oder gar Nachrichten. Und natürlich denken wir an Frankreich. Die wären nie damit einverstanden, wenn die gemeinsame Sprache Englisch sein soll. Natürlich kann man einiges machen. Das hat man auch versucht, mit Untertiteln oder Übersetzungen. Aber das ist unheimlich teuer und es dauert lange. Gerade für das tagesaktuelle Geschäft etwa im Fernsehen ist das nicht brauchbar.

Sie sprechen vom Problem Sprache. Es ist aber heute durchaus möglich, zum Beispiel für deutsche Europäer, sich auf Internetseiten wie eurotopics.net oder Perlentaucher.de über Diskussionen in anderen europäischen Ländern zu informieren - auch in anderen Sprachen.

Selbstverständlich. Und das tun sicherlich auch einige. Wir müssen uns nur von dem Gedanken verabschieden - denke ich - dass wir eine große, alle umfassende europäische Öffentlichkeit herstellen können, sondern solche grenzüberschreitenden Öffentlichkeiten finden sich zu bestimmten Themen oder Problemenzusammen. Ich glaube, wir müssen uns auch von dem Gedanken verabschieden, dass wir die große deutsche Öffentlichkeit erreichen. Das hat sich auch sehr stark aufgesplittet - eher problem- und themenbezogen. Wenn ich zu einem Thema etwas suche, dann werde ich mich auch im Internet dazu umgucken und mich vielleicht auch austauschen mit ebenfalls Interessierten aus anderen Ländern, aber das bleibt eben dann doch auf bestimmte Gruppen beschränkt.

Wagen Sie denn eine Prognose, wie sich das in den kommenden Jahren entwickeln wird?

Ich denke, da wird sich nicht soviel verändern. Wir haben natürlich ein Problem mit Europa, das zeigen die Europawahlen auch immer wieder. Und es ist ja immer wieder die Rede vom Demokratiedefizit. Also die Europäische Union muss sich schon etwas einfallen lassen, um sich selber besser zu verkaufen und auch im Bewusstsein der Bürgerinnen und Bürger zu verankern. Da muss man sicherlich auch über geeignete Kanäle nachdenken. Es muss etwas geschehen und zwar schnell. Das hat - glaube ich - der Prozess der letzten Jahre gezeigt, dass da einiges im Argen liegt. Insofern bin ich gewiss, oder auch ein bisschen optimistisch, dass man sich etwas einfallen lassen wird in Brüssel.

Kann das Internet ein Katalysator sein?

Selbstverständlich ist das Internet sehr hilfreich. Aber wir müssen uns klar machen, dass das Internet in erster Linie ein Angebot ist, für diejenigen, die etwas suchen. Das können die anderen Medien, also vor allem das Fernsehen, immer noch besser.

Und wie sieht es mit dem Radio aus?

Selbstverständlich das Radio! Das ist sicherlich ein sehr geeignetes Medium, gerade dafür geeignet auch mal Leute zu erreichen, die nicht aktiv suchen, sondern die es nebenher mitbekommen und dann vielleicht überzeugt oder angesprochen werden.

Gibt es heute aus Ihrer Sicht Themen, die auch europäisch diskutiert werden müssten?

Ich denke, das erste Thema, das vielen einfällt, ist die Umwelt, wo auf der Hand liegt, dass es nicht nur national zu regeln ist. Wir haben natürlich gerade jetzt zu diesen Zeiten - wir reden über Finanz- und Wirtschaftskrise - mit der gemeinsamen Währung auch dort ein gemeinsames Thema. Das sind auf jeden Fall Themen, die nur im übernationalen Zusammenhang zu regeln sind.

Redaktion: Andreas Ziemons