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Haushaltsdefizite in Europa reduzieren Militäretats

Sabine Hartert-Mojdehi17. April 2012

Europa muss bei den Rüstungsausgaben auch in Zukunft sparen. Eine dramatische Verschiebung der Kräfteverhältnisse sieht Carina Solmirano darin nicht.

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Carina Solmirano, Wissenschaftlerin beim SIPRI Institut in Stockholm. (Foto: SIPRI)
Carina Solmirano, Wissenschaftlerin beim SIPRI Institut in Stockholm.Bild: SIPRI

Deutsche Welle: Warum haben sechs Länder, die bislang hohe Militärausgaben hatten, ihre Etats im Jahr 2011 gekürzt?

Carina Solmirano: Die meisten Länder, die ihre Militärausgaben gekürzt haben, taten dies, um ihr Staatsdefizit in den Griff zu bekommen. Ganz klar ist das der Fall bei Frankreich, Deutschland, Großbritannien und insbesondere den USA. Diese und andere Länder haben im vergangenen Jahr die Wirtschafts- und Finanzkrise zu spüren bekommen. Im Zuge der Sparmaßnahmen waren dann auch die Ausgaben für die Rüstung betroffen. Etwas anders sieht es bei Brasilien aus. Auch dort wurden die Militärausgaben im letzten Jahr gekürzt, nachdem sie die zehn Jahre davor fast kontinuierlich gestiegen waren. Nun wurden die Ausgaben gekürzt, um das Wirtschaftswachstum zu bremsen und die Inflationsrate im Zaum zu halten. Noch etwas anders liegt der Fall bei Indien. Indien hat seinen Rüstungsetat stets gesteigert, so auch 2011, zumindest in absoluten Zahlen. Danach lag die Steigerung bei 8,5 Prozent. Aber wegen der hohen Inflation haben wir in tatsächlichen Zahlen einen Rückgang der Ausgaben.

Riskieren die genannten Länder nicht eine Einbuße ihres Einflusses, besonders in Anbetracht der Steigerung der Militärausgaben von China und Russland?

Nicht zwangläufig. Wir müssen sehen, dass die USA mit Abstand am meisten für ihre Rüstung ausgeben, nämlich ungefähr 40 Prozent der weltweiten Militärausgaben. Da muss man sich keine Sorgen machen. Was aber ganz klar ist, ist dass Russland nun Großbritannien und Frankreich überholt hat und jetzt auf Platz drei liegt, nach China. In Zukunft werden wohl einige europäische Länder, darunter Großbritannien, Deutschland und Frankreich, ihre Budgets weiter kürzen. Diese Kürzungen werden nicht erheblich sein. Dennoch müssen wir analysieren, welche Folgen das haben wird. Möglicherweise könnte es mittelfristig auch zu einer geopolitischen Veränderung führen. Aber dass es tatsächlich einen geringeren militärischen Einfluss zur Folge haben wird, glaube ich nicht. Was wir aber sehen müssen, ist, dass China und Russland sich das Ziel gesetzt haben, bedeutendere globale Mächte zu werden und dass europäische Länder etwas zurückfallen werden.

Auf Platz eins bei den Militärausgaben stehen die USA, gefolgt von China und Russland. Ist das nicht schon eine Verschiebung der Kräfte?

Ja, es verschiebt etwas die Kräfte, aber die USA und China sind ja bereits seit einiger Zeit die Nummer Eins und Nummer Zwei bei den Militärausgaben, global gesehen. Russland hat 2011 dazu beigetragen, das Kräfteverhältnis ein wenig zu ändern. Europa musste mit seinen wirtschaftlichen Problemen kämpfen und daher haben wir die Situation, dass in einigen Ländern die Wirtschaft besonders schwach ist und infolge dessen auch bei den Militärausgaben die Kürzungen entsprechend hoch ausfallen mussten. Die Verschiebung der Kräfteverhältnisse hat aber schon vor 2011 begonnen. China und Russland haben bereits vor einiger Zeit ihre Wirtschaft in Schwung gebracht und damit eben auch begonnen, ihre Armeen weiter zu entwickeln.

Was ist denn das Ziel dieser beiden Staaten? Wollen sie nur ihre Armeen modernisieren?

Im Falle Russlands ist es so, dass sie ja angekündigt haben, die Militärausgaben weiter erhöhen zu wollen als Teil eines Rüstungsprogramms. Das hatte Präsident Dmitrij Medwedjew Ende 2010 gebilligt. Bis 2014 will Moskau in realen Zahlen das Budget um 53 Prozent erhöhen. Nach einem weiteren Plan soll bis 2020 die Armee modernisiert werden. Dafür sollen 700 Milliarden Dollar bereit gestellt werden. Außerdem geht es um Beschaffung, Forschung und Weiterentwicklung. In China ist die Situation ähnlich. Dort will man Ausrüstung und Armee modernisieren, um auch die Situation der Truppe zu verbessern. Und schließlich will Peking die technologische Kluft zu den USA schließen. Allein dafür muss in relativ kurzer Zeit viel modernisiert werden. Dabei geht es nicht nur um neue Ausrüstung, sondern auch um Forschung und Entwicklung.

Welchen Einfluss auf die Rüstungsausgaben wird der Abzug aus Afghanistan haben?

Der Abzug aus Afghanistan, besonders der der Amerikaner, ist mit großer Sorge über die Zukunft der Region verbunden. Dort ist die Lage sehr unbeständig, nicht nur in Afghanistan, auch in Pakistan und anderen Nachbarländern. Welche Rolle China und Russland dort spielen werden, ist noch nicht ganz klar. Ich sehe nicht, dass es dort Überlegungen gibt, wie man in Zukunft in anderen Regionen der Welt intervenieren könnte. Russland und China gehören beide zu den BRIC-Staaten. Das heißt, sie möchten ihre Wirtschaft und ihren Einfluss in der Region stärken. Dazu gehört auch, die eigenen militärischen Möglichkeiten zu optimieren. Das zeigt sich am Beispiel Chinas sehr deutlich. Das Land hat sich zu einer Wirtschaftsmacht entwickelt und will nun diesen Status mit Entwicklung und Potenzial im Militärbereich unterstreichen. Das ist Teil seiner globalen Positionierung, vor allem gegenüber den USA.

Auch Indien und Brasilien gehen diesen Weg. Sie werden global immer präsenter und wollen Entwicklungen im Militärbereich auf eine Ebene mit ihre wirtschaftlichen Erfolgen stellen.

Carina Solmirano ist Wissenschaftlerin am Stockholmer Friedensforschungsinstitut. Die Argentinierin arbeitet im Bereich Militärausgaben und Waffenproduktion.