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Europaparlament rügt US-Datensammeln

Christoph Hasselbach11. Juni 2013

EU-Abgeordnete verlangen Rechenschaft über das Ausmaß der amerikanischen Datensammelwut. Das Spähprogramm könnte sogar Folgen für das geplante Freihandelsabkommen mit den Vereinigten Staaten haben.

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Symbolbild: Schatten einer Hand über einer Computerplatine (Foto: picture alliance/JOKER)
Bild: picture alliance/JOKER

Die Europäer sind enttäuscht, viele sogar entsetzt über das offenbare Ausmaß der Datenschnüffelei. Mit am meisten bringt es sie auf, dass nach den Worten des amerikanischen Präsidenten Barack Obama US-Bürger nicht betroffen sind, dass also die Rechte von Europäern bei den Washingtoner Behörden offenbar nicht zählen. Und eines ist bereits klar: So kurz vor dem geplanten Beginn der Gespräche über ein transatlantisches Freihandelsabkommen kommt die Sache zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt.

Sie wird die Kritiker bestärken, die glauben, ein solches Abkommen werde eher Nachteile für die Europäer haben. Im Europaparlament fand zu dem Thema eine kurze, aber heftige Debatte statt. Sozialistenfraktionschef Hannes Swoboda bekannte sich grundsätzlich zu einem Freihandelsabkommen, meinte aber: "So können wir den Vereinigten Staaten nicht vertrauen." Der deutsche Grünen-Abgeordnete Jan Philipp Albrecht ging noch weiter und sagte, eine solche Massenbespitzelung gefährde Rechtsstaat und Demokratie.

Wurden die Europäer "über den Tisch gezogen"?

Der fraktionslose österreichische Abgeordnete Martin Ehrenhauser glaubt, die Europäer seien selbst schuld, weil sie bei den Bank- und Fluggastdatenabkommen mit den USA schlecht verhandelt hätten: "Wir lassen uns doch permanent von den amerikanischen Behörden über den Tisch ziehen." Einige Abgeordnete drohen, diese Datenabkommen nun wieder aufzuschnüren. Die niederländische Liberale Sophia in't Veld verspottet die Europäer, weil sie "seit zwölf Jahren alles getan haben, um im Kampf gegen den Terrorismus die engsten Verbündeten der Amerikaner zu sein." Sie fragt rhetorisch: "Was ist denn das für ein Sonderverhältnis?"

Rebecca Harms, Ko-Fraktionsvorsitzende der Grünen, stimmt zu. Sie glaubt, viele ihrer Kollegen zögerten wegen der Handelsgespräche, "zu ehrgeizig an Datenschutzkonflikte mit den USA heranzugehen". In Zeiten hoher Arbeitslosigkeit dürfte das tatsächlich eine Rolle spielen. Die Kommission hat deutliche Wachstumsimpulse durch mehr transatlantischen Handel in Aussicht gestellt.

Obama mit erhobenem Zeigefinger (Foto: Jewel Samad/AFP/Getty Images)
Die Europäer werfen US-Präsident Obama zweierlei Maß im Umgang mit dem Recht vorBild: Jewel Samad/AFP/Getty Images

"Der wahre Feind"

Der konservative britische Abgeordnete Timothy Kirkhope dagegen klagt über Antiamerikanismus und Vorverurteilungen, wo doch die genauen Umstände noch gar nicht feststünden. Auch komme man im Kampf gegen Terrorismus und organisiertes Verbrechen ohne Datensammeln nicht aus: "Es würde einigen Mitgliedern dieses Hauses nicht schaden, sich daran zu erinnern, wer der wahre Feind ist", mahnte Kirkhope. Auch solle man daran denken, "dass Freunde dann am ehesten zuhören, wenn man spricht, und nicht, wenn man schreit". Aber auch Kirkhope verteidigt auf der anderen Seite das Recht des Bürgers, seine Privatsphäre zu schützen, und unterstützt europäischen Datenschutz.

Der eigentlich für Gesundheit zuständige EU-Kommissar Tonio Borg zeigte Verständnis für beide Positionen. Als früherer maltesischer Innenminister wisse er nur zu gut, "was der Kampf gegen das organisierte Verbrechen und gegen Terrorismus ohne geheimdienstliche Informationen wäre". Auch ein enges Verhältnis EU-USA sei wichtig. Doch dürfe niemand "das Sonderverhältnis für einen Bruch des Rechts und internationaler Normen missbrauchen. Partnerschaft bedeutet nicht nur Rechte, sondern auch tiefere Verpflichtungen."

Nicht interessiert?

Dass weder Justizkommissarin Viviane Reding noch Innenkommissarin Cecilia Malmström oder gleich Kommissionspräsident José Manuel Barroso anwesend waren, war für einige Parlamentarier Beweis, dass sich die Kommission zu wenig für das Thema interessiert. Borg sagte aber zu, Reding werde es bei einem Treffen mit Ministern der amerikanischen Regierung am Freitag in Dublin zur Sprache bringen und "energisch und entschieden" Aufklärung verlangen.

Jose Manuel Barroso (Foto: AFP/Getty Images)
Hatte wohl andere Termine: Jose Manuel BarrosoBild: Frederick Florin/AFP/Getty Images

Doch auch innerhalb der EU wird die Affäre Folgen haben. Viele Abgeordnete verdächtigen die Mitgliedsstaaten, die amerikanische Bespitzelung geduldet und möglicherweise von ihr profitiert zu haben. Die europäischen Regierungen, folgerten sie, seien demanch gar nicht daran interessiert, den Amerikanern Fesseln anzulegen. Weitere Konflikte zwischen dem Rat der Mitgliedsstaaten und dem Parlament bei der geplanten Datenschutzreform sind absehbar.