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Kurs auf Klimaschutz

9. März 2007

Die EU hat beschlossen, den Ausstoß von Treibhausgasen bis 2020 um ein Fünftel zu verringern - und ein Fünftel der Energie erneuerbar zu gewinnen. Historische Wende oder Mogelpackung?

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Solarkraftwerk in Freiburg
Die Zukunft soll erneuerbaren Energien gehörenBild: AP

Die EU-Staats- und Regierungschefs einigten sich am Freitag (9.3.07) in Brüssel auf den Vorschlag der deutschen Ratspräsidentschaft, den Ausstoß von Treibhausgasen bis 2020 um ein Fünftel zu verringern. Die Verringerung gilt im Vergleich zum Jahr 1990. Sollten andere große Wirtschaftsblöcke in Asien und Amerika folgen, will die EU die Treibhausgas-Emissionen sogar um 30 Prozent reduzieren.

Merkel und Barroso, Quelle: AP
Bild: AP

Die Staats- und Regierungschefs der 27 EU-Mitglieder beschlossen zudem "ein bindendes Ziel für den Anteil erneuerbarer Energien an unserem Gesamtenergieverbrauch von 20 Prozent", erklärte Bundeskanzlerin Merkel zum Abschluss Gipfels. Dies geht deutlich über die bis 2012 geltende Zusage von acht Prozent Reduzierung hinaus, von der die EU noch ein gutes Stück entfernt ist. Merkel sprach von einem "Durchbruch in der Energie- und Klimapolitik der EU". Derzeit liegt der EU-weite Anteil erneuerbarer Energien lediglich bei 6,4 Prozent.

Lob der Atmosphäre

Blair und Barroso nannten das Erreichte ein "historisches Ergebnis". Merkel würdigte - trotz der harten Debatten - die Atmosphäre bei dem Treffen. Sie hofft nun, bei den Feierlichkeiten zum 50. Geburtstag der EU am 24. und 25. März in Berlin in ähnlichem Geist eine Aufbruchstimmung zu erreichen und die EU aus der Verfassungskrise führen zu können. Angesichts des Klima-Erfolgs wollen die Staats- und Regierungschefs die Bürger in einer "Berliner Erklärung" überzeugen, dass die EU ihnen bei den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts beisteht.

Bei den Beratungen zeigte sich, dass Frankreich, Tschechien und Bulgarien auf den Einsatz ihrer Atomkraft im Kampf gegen die Erderwärmung beharren. Sie argumentierten, dass Kernenergie eine weitere CO2-Belastung vermeide. Die Kommission muss nun die unterschiedlichen Ausgangslagen zu Grunde legen, um das Ziel für erneuerbare Energien je Land festzulegen. Dabei müssten das bestehende Niveau der Öko-Energien, aber auch der nationale Energiemix einbezogen werden, lautete die Kompromissformel, um auch Kernenergie zu berücksichtigen.

"Intelligenz und Eleganz"

Chirac zeigte sich auf seinem vermutlich letzten offiziellen EU-Gipfel von Merkel beeindruckt. "Das war nicht einfach zu bewerkstelligen: Frau Merkel hat das mit Intelligenz und Eleganz gemacht", sagte Chirac, der vermutlich am Sonntag erklären wird, nicht noch einmal im Präsidentschaftswahlkampf antreten zu wollen. Das "ökologische Europa" werde das "Leben des gesamten Planeten prägen".

Oppositionsparteien, Lobbyisten und Umweltverbände zeigten sich geteilter Meinung. Grünen-Fraktionschefin Renate Künast bezeichnete den Beschluss zu den erneuerbaren Energien als "Mogelpackung". Hier reduziere die EU schon durch den Beitritt der osteuropäischen Staaten, deren Industrie zurückgehe, ihren Ausstoß um 15 Prozent.

"Mogelpackung"

FDP-Chef Guido Westerwelle sprach zwar von einem Schritt in die richtige Richtung, kritisierte aber die Haltung zur Rolle der Atomkraft. Diese dürfe nicht "abgewickelt" werden. Der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) begrüßte, dass Merkel auch Hardliner wie Frankreich und Belgien auf verbindliche Ziele eingeschworen habe. "Jetzt müssen den Versprechungen Taten folgen", erklärte Nabu-Präsident Olaf Tschimpke. Dagegen ist es für "Greenpeace" eine "Entscheidung für die Klimakatastrophe", erklärte der Energieexperte des Verbands, Andree Böhling. Das 20-Prozent-Ziel beim CO-2-Abbau als Durchbruch zu verkaufen, sei zynisch.

Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) sprach von ambitionierten Zielen der EU. "Die Industrie wird ihre Kompetenz und Technik zur Verfügung stellen", erklärte BDI-Chef Jürgen Thumann. "Dabei vertrauen wir darauf, dass die Bundesregierung jetzt alles daran setzt, für eine gleichmäßige EU-interne Lastenverteilung zu sorgen." Ähnlich äußerte sich die deutsche Stromwirtschaft. "Jetzt kommt es darauf an, die Lastenverteilung beim Klimaschutz für die einzelnen Länder fair und angemessen auszugestalten", sagte am Freitag der Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Elektrizitätswirtschaft (VDEW), Eberhard Meller.

Der Bundesverband Erneuerbare Energien (BEE) warnte, die Brüsseler Beschlüsse könnten sich als trügerischer Erfolg erweisen. Wenn im Gegenzug zum Ziel von mehr erneuerbaren Energien die erfolgreichen Richtlinien für Strom und Kraftstoffe aus erneuerbaren Energien wegfielen, seien die Ergebnisse fürs Klima wertlos. Es komme auf die Umsetzung der Beschlüsse an. (sams)