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"Europas Krise, Chinas Chance"

7. Januar 2011

Der chinesische Vize-Premier Li Keqiang ist zur Zeit auf Europa-Reise. Dabei präsentiert er China als Krisenhelfer für gebeutelte EU-Staaten. Allerdings nicht ohne Hintergedanken - meint die europäische Presse.

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Li Keqiang winkt bei seiner Ankunft in Berlin (Foto: picture alliance / Photoshot)
Li Keqiang ist nicht mit leeren Händen nach Europa gekommenBild: picture-alliance/Photoshot

Zu den Beweggründen Chinas, verschuldeten Ländern in Europa finanziell unter die Arme zu greifen, schreibt die "Neue Osnabrücker Zeitung":

"Das chinesische Schriftzeichen für "Krise" bedeutet bekanntlich auch "Chance". Weil das Regime in Peking eine kluge Wirtschaftspolitik betreibt, besucht Vizepremierminister Li jetzt Europa. Die Gelegenheit ist günstig. Die Euro-Krise ist alles andere als beigelegt. Europäische Politiker sind ratlos, sie finden seit Monaten kein taugliches Rezept. Jetzt kommt Li zu Besuch und winkt mit der Brieftasche. China könne doch mehr Anleihen überschuldeter Staaten kaufen, sagt er. Das werden die Europäer gerne hören. In Peking liegt möglicherweise tatsächlich der Schlüssel zur Euro-Rettung. Mit ausreichend chinesischem Geld ließen sich die Märkte schnell beruhigen. Die Staaten erhielten mehr Zeit, um ihre Haushalte zu sanieren. Nur hat auch der gute Mensch von Peking leider nichts zu verschenken. Als Gegenleistung fordert Li eine Öffnung der europäischen Märkte. Zwar verspricht er auch neue Investitionsmöglichkeiten in China. Es ist aber zweifelhaft, ob er damit das Gleiche meint. China will die Währungskrise nutzen und seine Position in Europa ausbauen. Das könnte klappen. Spanien will Bahnhöfe und Flugsicherung privatisieren. Der griechische Hafen Piräus ist schon in chinesischer Hand. Man darf gespannt sein, was folgt. Europa wird chinesischer."

Der Berliner "Tagesspiegel" merkt zu chinesischen Finanzhilfen für Spanien an:

"Auch wenn es wie eine Wohltat aussieht, dass die Chinesen dem verschuldeten Spanien unter die Arme greifen - selbstlos ist die Aktion keinesfalls. Die Volksrepublik tut das, was jeder vernünftige Anleger tut: Sie verteilt die Risiken in ihrem Portfolio. China hat sich in der Vergangenheit stark an den US-Dollar gebunden. Das ist riskant, besonders, seit die US-Notenbank die Märkte mit billigem Geld überschwemmt. Es ist also sinnvoll, dass das Land nun bei Rohstoffen - besonders bei Gold - und bei europäischen Staatsanleihen zulangt. Zumal der Rettungsschirm für EU-Schuldenländer den Finanzinvestoren aus China eine gewisse Sicherheit bietet. Die Regierung in Peking weiß, dass es nicht schaden kann, wenn ihre Machtposition in Europa gestärkt wird."

Das chinesische Angebot, spanische Staatsanleihen im Wert von rund sechs Milliarden Euro zu kaufen, beurteilt die spanische Tageszeitung "El País" so:

"Innerhalb kurzer Zeit hat China es verstanden, Vorteile aus der Weltwirtschaftskrise zu ziehen. Das Reich der Mitte hat sich auf dem Rohstoffmarkt und im Welthandel strategisch aufgestellt, und im gebeutelten Weltfinanzsystem spielt China inzwischen die Rolle einer Zentralbank auf hohem Niveau. Gerade dieser Umstand hat den Besuch von Li Keqiang in Spanien zu einem Erfolg werden lassen. Die Worte des chinesischen Vize-Premiers in Madrid lassen darauf hoffen, dass der Druck auf die spanische Wirtschaft und nicht zuletzt auch auf den Euro zumindest vorübergehend verringert wird. Nach den Absichtserklärungen von Li Keqiang, China werde spanische Staatsanleihen aufkaufen, dürfte es schwieriger werden, gegen die spanische Wirtschaft zu spekulieren. Doch trotz aller wirtschaftlichen Erfolge erfordert das chinesische Engagement doch eine stärkere politische Differenzierung in Bezug auf die neue Weltordnung. China benutzt sein wirtschaftliches Potential als Instrument, um ein Regime zu legitimieren, dass auch nach der Abkehr vom Kommunismus nach wie vor ein Ein-Parteien-Regime ist. Und das sich nicht durch den Respekt vor den Menschenrechten auszeichnet, wie jüngst der Umgang mit dem Friedensnobelpreisträger gezeigt hat. Bedrängt durch die Wirtschaftskrise sehen sich viele demokratische Staaten gezwungen, über die besorgniserregenden Verhältnisse in China hinwegzusehen, weil sie auf die Zusammenarbeit mit dem neuen Giganten angewiesen sind. Die Regierung in Peking ihrerseits begnügt sich nicht allein damit, das internationale Schweigen erkauft zu haben, sondern nimmt für sich das Recht in Anspruch, selbst zu entscheiden, aus welcher politischen Perspektive Unterdrückung und die Einschränkung von Freiheiten zu rechtfertigen sind."

Zur Rolle Chinas als Geldgeber für angeschlagene Länder in der Eurozone meint der Pariser "Figaro":

"Wie (...) Spanien bereitet heute ein europäisches Land nach dem anderen den politischen Führern Chinas mit ihren dicken Scheckheften einen beispiellos glanzvollen Empfang. Denn von nun an ist China nicht mehr nur jene Fabrik der industrialisierten Welt, auf die wir voller Herablassung blickten. China ist heute auch der größte Bankier der Welt, der auf rund 2.600 Milliarden Dollar Geldreserven sitzt. (...) Und mitten in der Euro-Krise ist die energische Unterstützung Europas durch China eine besonders willkommene Sauerstoffzufuhr."

Die französische Zeitung "Ouest-France" aus Rennes in der Bretagne kommentiert:

"Die Finanzmacht China hat noch nicht das britische Niveau vom vergangenen Jahrhundert oder das amerikanische der letzten Jahrzehnte erreicht. Und das Phänomen ist auch nicht unbedingt eine Einbahnstraße - wenn es den Europäern gelingt, die Öffnung des chinesischen Marktes in eine Drehtüre hin zu diesem Markt zu verwandeln. Auf jeden Fall ist das Tempo des chinesischen Aufstiegs beindruckend. Innerhalb von drei Jahren hat China seine Investitionen im Ausland verzehnfacht - ohne allerdings die vielen Hindernisse für ausländische Firmen zu räumen, die sich in China niederlassen wollen."

Zusammengestellt von Esther Broders
Redaktion: Miriam Klaussner