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Europas Krise

Gerda Meuer, Brüssel30. Januar 2003

Nach vielen Anläufen der EU zu einer einheitlichen Position zur Irak-Frage zu kommen, rufen acht Staats- und Regierungschefs zu Geschlossenheit mit den USA auf. Ist dies das Ende der einheitlichen Außenpolitik Europas?

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Jetzt hat Europa eine ausgemachte Krise. Und der Riss geht quer durch das alte und das neue Europa: Acht Staaten haben einen Solidaritäts-Aufruf für die Vereinigten Staaaten von Amerika unterzeichnet. Fünf davon sind langjährige Mitglieder der alten Europäischen Union, und drei gehören schon so gut wie dazu, denn Polen, Ungarn und Tschechien werden Anfang 2004 beitreten.

Noch Anfang dieser Woche, beim Treffen der EU-Außenminister, hatten sich die Europäer auf einen mühsamen Minimal-Kompromiss in der Irak-Politik geeinigt - eine Erklärung voller bekannter Floskeln. Bedeutsamer war das Schweigen der meisten EU-Mitglieder. Klar und deutlich war die Haltung nur von zwei Staaten bekannt: von Deutschland, das sehr früh einen Irak-Krieg abgelehnt hatte, auch mit dem Mandat der Vereinten Nationen. Und von Großbritannien, dem traditionellen Bündnis-Partner Washingtons. Frankreich hatte sich zwar zuletzt an die Seite Deutschlands gestellt, doch ein ähnlich kategorisches "Nein" wie aus Berlin war von Prasident Jacques Chirac nicht zu hören gewesen. Die Franzosen gingen diplomatischer vor und haben sich bis heute Hinter-Türen aufgelassen. Dazwischen lavierte die griechische Präsidentschaft: im Prinzip amerika-kritisch und deshalb eher im Hintergrund agierend.

Doch jetzt ist der Konflikt, der in den letzten Woche wie eine Gewitterwolke über Brüssel schwebte, offen aufgebrochen: Das Schreiben der acht Staats- und Regierungschefs ist das Ende der europäischen Außenpolitik zum Thema Irak.

Die Erklärung ist aber noch viel mehr: Liest man sie, so hat sie auch die Ausgangslage des Konflikts zurechtgerückt. Denn es geht ja nicht - wie die öffentliche Diskussion es suggerieren mochte - um die Person des amerikanischen Präsidenten George W. Bush, der als Feindbild in Europa aufgebaut wurde; es geht auch nicht um einen Konflikt zwischen einzelnen Staaten in der Europäischen Union. Sondern: Die Welt ist in dieser Krisenlage, weil es ein brutales, ein menschenverachtendes Regime im Irak gibt. Eine Dikatur, die sich um die internationale Gemeinschaft einen Dreck schert, die sich an keine Spielregeln des Miteinanders hält, und die seit mindestens fünf Jahren jede - aber auch wirklich jede - Resolution der Vereinten Nationen missachtet.

Die acht Unterzeichner-Staaten benennen dies - und sie geben auch ein politisches Wert-Gutachten für die Regierung in Washington ab: Die Bindung an die USA ist ihnen ein hohes Gut, für das sie sich exponieren. Sie wissen, dass die transatlantischen Beziehungen Europas Position bestimmen: Europa ist in der Welt wichtig, weil es als wichtiger Partner der Amerikaner gilt. Denn das, was die Europäer sicherheitspolitisch betrachtet allein können, ist dürftig: Europa ist ja schon stolz, wenn es nach über einem Jahr an Diskussionen 250 Soldaten nach Mazedonien schicken kann.

Der Alleingang der acht Europäer zwingt aber den Rest des "Clubs", jetzt ebenfalls Farbe zu bekennen. Und für EIN Land kann das die völlige außenpolitische Isolation in Europa bedeuten: Deutschland hat sich als einziges Land ohne Wenn und Aber auf ein "Nein" zu einem Irak-Krieg festgelegt. Der Tag der Wahrheit kommt in knapp einer Woche: am 5. Februar, wenn die US-Regierung ihre Beweise gegen Bagdad vorlegen will. Sollten diese stichhaltig sein, dann ist Berlin in einer ganz schwierigen Situation - nicht nur in Europa.