1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Europas Potential

Silke Bartlick2. Dezember 2004

Internationale Kulturpolitiker, Parlamentspräsidenten, Europa- und Außenminister, Künstler und Historiker wollen die kulturellen Ressourcen Europas besser nutzen. Ideen gibt es viele.

https://p.dw.com/p/5vBi
Europa hat viele Facetten


"Europa besteht nicht nur aus Märkten. Es besteht auch aus Werten und Kultur", sagte EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso. Der Zeitpunkt der Konferenz unter dem Motto "Europa eine Seele geben" (27./28.11. 2004) sei perfekt gewählt worden, denn angesichts aktueller Herausforderungen sei die Frage, welche Rolle die Kultur in der europäischen Politik spielen könne, dringlicher denn je. Womit der Kommissionspräsident nicht nur auf den Umgang mit der islamisch geprägten Welt und die innereuropäischen Auseinandersetzungen mit dem Islam anspielte, sondern auch auf die Präsidentschaftswahl in der Ukraine.

Der Runde Tisch: ein europäisches Erfolgsmodell

Außen- und Entwicklungspolitik der Europäischen Union müssten auf den kulturellen Werten Europas basieren, da waren sich die Teilnehmer der Konferenz denn auch sofort einig. Altbundespräsident Richard von Weizsäcker verwies auf die gemeinsamen Wurzeln. "Dazu zählen wir die antike Philosophie, die Agora von Athen, das römische Recht, die jüdische Religion, islamische Wissenschaften und vor allem das Christentum", so Weizäcker. "Daraus entwickelten sich aber keine charakterlosen Mischkulturen." Es seien selbstständige, unterscheidbare Nationalkulturen entstanden, die einem gemeinsamen Europa angehören. "Das ist unser Charakteristikum", betonte Weizäcker. Es sei unser elementares Interesse wie auch unsere Pflicht, einen gefährlichen Zusammenstoß der Zivilisationen zu verhindern.

Die Europäer hätten auf langen Wegen einer schweren Geschichte gelernt, die sozialen, ethnischen und religiösen Konflikte des modernen Zusammenlebens zu zivilisieren. Dabei sei ein einzigartiges Modell entwickelt worden - das des friedlichen Regimewechsels, betonte englische Zeithistoriker Timothy Garton Ash. "Ich glaube nicht, dass es 1790 einen Runden Tisch mit Robbespiere und Ludwig XVI. gegeben hat, eingesetzt vom Spanischen König, der in eine Arbeitsgruppe mündete", so Ash. "Dies ist ein europäisches Modell, das zur Nachahmung empfohlen werden kann in anderen Gegenden der Welt."

Wieder neugierig sein!

Werte und Errungenschaften europäischer Kultur gälte es, fortan stärker und selbstbewusster nach außen zu vertreten, forderten die Konferenzteilnehmer. Vorgeschlagen wurden zum Beispiel Kulturattachés, die von den Botschaften eines künftigen europäischen Außenministeriums aus agieren sollen, oder deutlich enger vernetzte europäische Kulturinstitute. Gleichzeitig aber müsse die geistige Einigung auch innerhalb Europas vorankommen. 15 Jahre nach dem Mauerfall und der Öffnung Osteuropas sei von Aufbruch und Neugierde für die europäischen Nachbarn nicht mehr viel zu spüren. Die neuen Mitgliedsstaaten werden von westlichen Medien und einer westlichen Unterhaltungskultur überschwemmt, während gleichzeitig rechtspopulistische Parteien nationale Kulturen missbrauchen.

Austausch verbindet

Das Modell der offenen Gesellschaft, so bündelte der ehemalige polnische Außenminister Bronislaw Geremek Diskussionsergebnisse der Konferenz, erfordere mehr Geld für Bildung und Kultur, damit Werte wie Toleranz, Solidarität und Freiheit befördert werden können. In Europa fehle ein öffentlicher Raum für die Debatte der großen Fragen, hatte EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso bereits zu Beginn festgestellt. Seine Forderung nach einem Europa-TV wurde im Laufe der Diskussionen ergänzt: Der innereuropäische Dialog müsse auch durch gesamteuropäische Zeitungen und Literaturmagazine befördert werden, mit gezielten Angeboten für Kinder, einer Europäische Enzyklopädie und immer wieder durch Begegnungen der Menschen, durch den Austausch. Nichts, sagte Richard von Weizsäcker, trenne die Völker mehr als Hochmut und Arroganz. Nichts verbinde sie mehr als Kenntnis voneinander und Respekt für die anderen.