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Europawahl im Internet

Klemens Vogel10. Mai 2004

Ist das WWW ein politischer Streitraum für Europa? Noch kochen viele Parteien ihr nationales Süppchen. Doch es gibt schon europaweite Plattformen. Eine Rundschau mit Silvanas Mob-Log und dem 14-fachen Berlusconi.

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Der Wahlkampf ist nur einen Klick weit entferntBild: Bilderbox

Pacman, das PC-Kultspiel aus den 1980ern ist zurück, als CDU-Wählerin. Emsig wackelt "die Blonde" durchs virtuelle Labyrinth und sammelt Stimmzettel - immer auf der Hut vor den bösen "Kopffüßern" Eichel, Schröder und Müntefering. Bei Kollision setzt es Sozi-Sprechblasen. Der Müntefering-Kopf behauptet frech: "Wir sorgen für mehr Beschäftigung." Nichts wie weg - und den Bundesadler aus dem SPD-Kerker befreien. "Im Namen des Adlers", heißt die Pacman-Adaption zur Europa-Wahl auf cdu.de. Was ein bisschen fehlt, ist der Europa-Bezug.

Ist Europa-Wahlkampf im Internet nur eine Spielerei? Außer dem Adler bietet die CDU auf ihren Kampagnenseiten auch Informationen und Manifest, zudem ein Diskussions-Forum. Das schwerste Geschütz der Konservativen: wahlfakten.de. Die bereits 2002 erprobte Schröder-Widerleg-Maschine schleudert erneut Statistik gegen Kanzlerworte - "Rapid Response" heißt das Konzept. Die Reaktion der Sozialdemokraten bleibt abzuwarten.

Schmucke Portale

Screenshot Bundeszentrale für Politische Bildung
Bundeszentrale für Politische Bildung, Europathemen

Nicht überall in Europa geht’s virtuell zur Sache: Der Online-Wahlkampf hat so viele Gesichter wie Mitgliedsstaaten. In Deutschland spielen die Landtagswahlen mit rein. Bei den Niederländern finden sich schmucke Portale mit Dossiers, Gästebuch und Kampagnenlied. In Spanien oder Belgien herrscht tote Hose. Die Parteiseiten bei den Neumitgliedern bieten eher Standards: Infos, Programm und Kandidatenliste. Die Kür kann so aussehen: Fotogalerien und Videos wie beim österreichischen Sozialdemokraten Hannes Swoboda, Newsroom und Newsletter bei den britischen Konservativen - oder Online-Diskussionen zum "Türkei-Beitritt" wie bei der niederländischen Arbeiterpartei (PvdA).

Nur die Grünen leisten sich mit eurogreens.org eine transnationale Online-Plattform in 19 Sprachen. Identifikation fördert das grüne "Dream-Team" aus elf Kandidaten, natürlich mit Spielführer Daniel Cohn-Bendit. Dessen opulente dreisprachige Website bietet außer "Dany's politischem Wetterbericht" auch "Dany's Videos", Dany's Audios" und "Dany's Dia-Show". Sprachlich auf der Höhe ist auch die Europäische Volkspartei (EVP): Gleich zwei multilinguale Quiz laden zum Wissenstest. Ansonsten verbreitet ein dürrer Newsticker eher gedämpfte Wahllaune. Bei der CDU/CSU Europa-Gruppe gibt es zum Trost ein Euro-Memory.

Silvana loggt

Sozialdemokratische Strategen nutzen das Netz anders als Konservative: Die Linke setzt auf Meinungsstreit, im Trend liegen Web-Logs. Die schnellen Kommentar-Tools sollen internet-affine Wähler anlocken. Europas Sozialisten (PES) stellen auf eurosocialists.org jede Kampagnen-Meldung zur Diskussion, ein E-Poll und ein offenes Gästebuch ermöglichen Interaktion. Die deutschen Sozis nehmen mit dem SPD-Newslog ebenso Widerworte in Kauf wie die schwedischen: auf socialdemokraterna.se kann online mit Kandidaten diskutiert werden.

Die deutsche FDP "loggt" ganz persönlich: Spitzenfrau Silvana Koch-Mehrin gibt auf silvana2004.de regelmäßig Grüße per SMS durch. "Von unseren Freunden in Frankreich können wir den 'savoir vivre' lernen" simste sie vom Europa-Boule-Turnier - das erste Mobile-Log der Politikgeschichte. Die FDP setzt auf Personenwahlkampf. Da schafft die Homepage Familienatmosphäre mit dem "Team Silvana" und der "Silvana-Lounge". Die blonde FDP-Frau und der grüne Dany - sie sind im Internet das Euro-Traumpaar 2004.

Serielle Ikonografie

Wahl-O-Mat Screenshot, e-Wahl, Europawahl
Wahl-O-Mat

Personalisierung bizarr bietet Forza Italia: Hier gibt es den 14-fachen Berlusconi. 14 Thumbnail-Bilder mit Konterfei zum Großklicken, 14-mal Schlafzimmerblick zum Wählererweichen, dazu 14 Thesen. Eine serielle Ikonografie, die wohl nur im katholischen Kulturraum denkbar ist. Tatsächlich sind die Parteiseiten der protestantischen Skandinavier textlastiger und weniger bunt. Eine Zwischenlösung finden die österreichischen Sozialdemokraten: Text ja, aber die ganz großen Lettern. "Österreich muss wieder gehört werden!", trompetet es einem entgegen - das reichweitenstarke Boulevardblatt "Kronenzeitung" setzt in der Alpenrepublik wohl die Kommunikations-Maßstäbe.

Zu aufdringlich? Wer parteineutrale Internet-Aktionen sucht, stößt in Deutschland als erstes auf den Wahl-O-Mat, die interaktive Wahlhilfe, die mit 30 Thesen den politischen Standpunkt ermittelt. Das Angebot europathemen.de - ebenfalls von der Bundeszentrale für politische Bildung - vermittelt Standpunkte, Fakten und veranstaltet Foren und Chats. Und Politik-Digital fragt im Kand-O-Mat: "frappant oder charmant"? Der Besucher soll die Portraits von Euro-Kandidaten auf einer Skala bewerten. Wenn dann immer noch Fragen bleiben: Der Schwesterdienst Europa-Digital hilft, mit dem "Dschungelbuch". Slogan: "Europa verstehen".