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Morales und die Moral

Viola Traeder (apo)1. März 2016

Nach der Niederlage beim Referendum gerät Boliviens Präsident Evo Morales zunehmend unter Druck: Das Land rätselt über den Verbleib seines angeblich verstorbenen Sohns Fidel Ernesto. Ein Krimi aus La Paz.

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Bolivien Referendum Verfassungsreform Präsident Evo Morales (Bild: Getty Images/AFP/A. Raldes)
Bild: Getty Images/AFP/A. Raldes

Der Zeitpunkt der Veröffentlichung hätte pikanter kaum sein können. Kurz vor der Volksabstimmung am 21. Februar, bei der die Bolivianer über eine mögliche Wiederwahl von Staatspräsident Evo Morales entscheiden sollten, deckte der bolivianische Journalist Carlos Valverde einen politischen Skandal auf.

Präsident Evo Morales soll eine Beziehung zu der Managerin Gabriela Zapata vom chinesischen Unternehmen CAMC Engineering gehabt und einen Sohn mit ihr gezeugt haben. Und Morales soll seiner ehemaligen Lebenspartnerin zu dem gut dotierten Posten verholfen haben.

Immerhin bekam das Unternehmen in der Vergangenheit den Zuschlag für insgesamt sieben staatliche Bauvorhaben mit einem Gesamtwert von mehr als 500 Millionen US-Dollar - und das ohne Ausschreibungen.

Unangenehme Wahrheiten

Seine Beziehung mit Gabriela Zapata bestätigte Morales. Er erklärte jedoch, dass der gemeinsame Sohn kurz nach der Geburt verstorben sei und er jeglichen Kontakt zur Mutter verloren habe. Die Anschuldigungen, er habe seinen Einfluss zugunsten von Zapata geltend gemacht, wies er zurück.

Doch damit war die Geschichte keinesfalls vom Tisch. Sechs Tage nach dem Referendum meldete sich eine Tante Zapatas und erklärte, Morales dritter Sohn Fidel Ernesto sei am Leben, wohne in der Stadt La Paz und sei zwischen acht und neun Jahren alt.

Überhastete Festnahme

Einen Tag später wurde Zapata unter dem Vorwurf illegaler Bereicherung und Einflussnahme zugunsten der Firma CAMC Engineering festgenommen. Die Staatsanwaltschaft führte zur Begründung an, es seien verdächtige wirtschaftliche Aktivitäten mit Umsätzen von mehr als 10.000 US-Dollar auf den Bankkonten der ehemaligen Lebenspartnerin registriert worden.

Gabriela Zapata (Bild: EFE/Martin Alipaz)
Soll vom Einfluss des Präsidenten profitiert haben: Morales' ehemalige Lebenspartnerin Gabriela ZapataBild: picture-alliance/dpa/M. Alipaz

"Die Festnahme der Ex-Frau von Morales geschah jenseits aller Regeln", sagt Politologin Moira Zuazo von der Friedrich-Ebert-Stiftung in Bolivien. Zapatas Anhörung vor Gericht habe an einem Sonntag stattgefunden, obwohl das gesetzlich verboten sei. Außerdem sei ihre Verantwortung als Mutter nicht hinreichend berücksichtigt worden. Dieser Umstand ließe keine Haftstrafe, sondern nur Hausarrest zu.

Zwei Tage später, am Montag (29. Februar) nahm Präsident Evo Morales erstmals öffentlich Stellung zu den Offenbarungen der Großtante seines Nachkommens: "Wenn mein Sohn am Leben ist, erfüllt mich das mit großer Freude. Es ist ein Segen", erklärte er vor der Presse. Trotzdem frage er sich natürlich, warum ihm die Existenz seines Sohnes seit 2007 verschwiegen wurde. "Warum haben sie mich von meinem Sohn ferngehalten? Was für Interessen stecken dahinter?", fragte Morales und kündigte an, dass er sich um das Sorgerecht für den Jungen bemühen werde.

Guter Präsident, schlechter Vater?

Doch Politologin Zuazo hegt Zweifel an Morales' Aufrichtigkeit. Denn die Mütter seiner beiden ersten Söhne, hätten vor Gericht ziehen müssen, damit der Präsident seine Vaterschaft anerkannte: "Die Beziehung von Evo Morales zu seinen Söhnen offenbart eine dunkle Seite", sagte Suazo der DW.

Seit den Enthüllungen des bolivianischen Journalisten Carlos Valverde beschäftigt die Gesellschaft in dem Andenstaat vor allem eine Frage: Wusste Morales, dass sein dritter Sohn lebt, oder nicht? "Die Frage und die Debatte darüber stürzt Morales in eine sehr ernste Krise", meint Politologin Zuazo.

Großer Image-Schaden

"In den vergangenen zehn Jahren war Morales eine Art Bindeglied der Gesellschaft, er hat ihre Bedürfnisse artikuliert", so die Politologin. Dieses Bild bekomme nun Risse. Der mediale Umgang der bolivianischen Regierung mit dem Thema erweise sich als Bumerang. "In diesem Moment würde sich ein transparenter Umgang mit den Fakten als positiv erweisen", lautet Zuazos Empfehlung.

"Demokratie statt Diktatur", steht auf einem Pamphlet gegen die von Evo Morales angestrebte Verfassungsänderung(Bild: picture-alliance/AP Photo/J. Karita)
Am 21. Februar stimmte die Mehrheit der Bolivianer gegen die Möglichkeit einer weiteren Wiederwahl von MoralesBild: picture-alliance/AP Photo/J. Karita

Nach Einschätzung der Bolivien-Expertin Almut Schilling-Vacaflor vom Giga Institut für globale und regionale Studien hat der mutmaßliche Skandal um Morales auch das Resultat der Volksabstimmung beeinflusst. Bei dem Referendum am 21. Februar musste Morales seine erste bedeutende Niederlage nach zehn Jahren Amtszeit einstecken. Eine knappe Mehrheit der Bolivianer sprach sich gegen eine Änderung der Verfassung aus, die Morales eine weitere - die vierte - Kandidatur zur Präsidentschaft erlaubt hätte.

Filz und Korruption

Doch die Niederlage allein mit diesem Fall zu begründen, wäre falsch. "Der Skandal um Zapata ist kein Einzelfall", sagt Schilling. Bis vor einem Jahr sei es Morales gelungen sein positives Image aufrechtzuerhalten. "Auf einmal werden die Defizite der Regierung und die Spannungen innerhalb der Regierungspartei sichtbar".

Schon vor der Festnahme von Morales Ex-Partnerin habe ein Korruptionsskandal beim internationalen Fonds für Indigene das Ansehen des Präsidenten beschädigt. Viele staatliche Vorhaben würden nicht mehr öffentlich ausgeschrieben, sondern direkt über die Regierungspartei vergeben. Der Umgang mit öffentlichen Geldern werde zunehmend hinterfragt.

Doch zunächst verlangt die bolivianische Gesellschaft eine andere Antwort - nämlich, ob Morales' dritter Sohn Fidel Ernesto lebt oder nicht.