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Existenzialismus & Kino: Stanley Kubricks Debüt

Jochen Kürten2. September 2013

Krieg auf seine wesentlichen Bestandsteile reduziert: Stanley Kubricks "Fear and Desire" ist wiederzuentdecken. Entstanden 1953, ist das Werk ein Beispiel für den filmischen Existenzialismus seiner Zeit.

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Szene aus dem Stanley Kubrick-Film "Fear and Desire" von 1952/53 (Foto: SchröderMedia)
Bild: Polarfilm

Auch Meister haben einmal klein angefangen. Aber was heißt schon klein bei einem wie Stanley Kubrick? Mit Filmen wie "A Clockwork Orange", "2001" und "Shining" stieg der Regisseur in den Kino-Olymp auf. Sein Name prangte auf den Filmplakaten mindestens ebenso groß wie der seiner Darsteller. Spätestens in den 1960er Jahren wurde Kubrick zu einer "Marke".

Verhaltene Kritiken

Wie vielleicht nur noch bei Charlie Chaplin, Orson Welles und Alfred Hitchcock stellte die Bekanntheit des Regisseurs beim jeweils aktuellen Projekt alles andere in den Schatten. Kubrick wurde zu einer Regielegende der Kinogeschichte. Das war 1952 freilich noch nicht abzusehen, als der junge amerikanische Fotograf und Dokumentarfilmregisseur sein Spielfilmdebüt "Fear and Desire" drehte. Und auch als der Film im Frühjahr des darauffolgenden Jahres in die Kinos kam, waren die Kritiken eher verhalten bis negativ.

Kubrick erzählt in dem nur knapp einstündigen Werk die Geschichte von vier Soldaten, die in einem nicht näher gekennzeichneten Krieg hinter feindlichen Linien abstürzen und überlegen, wie sie wieder zu den eigenen Truppen finden. Ein selbst gebautes Floß soll die Rettung bringen und sie auf einem nahe der Front fließenden Fluss heimbringen. Zunächst geraten sie jedoch in ein Gefecht mit feindlichen Soldaten. Es gibt Tote und Verletzte.

Szene aus dem Stanley Kubrick-Film "Fear and Desire" von 1952/53 (Foto: SchröderMedia)
Krieg im Schatten: die Soldaten im WaldBild: Polarfilm

Szenen aus dem Krieg

In einer der folgenden Szenen nehmen die Soldaten eine Zivilistin gefangen. Einer der vier Protagonisten, der sie losbindet um sie zu vergewaltigen, tötet die fremde Frau im Affekt. Anschließend verfällt er dem Wahnsinn. Die anderen spüren unterdessen zwei Generäle des Feindes auf und erschießen sie. Am Ende kommt der zwischenzeitlich versprengte Trupp wieder zusammen. Gezeichnet von den Erfahrungen des Krieges, bietet der Trupp ein hoffnungsloses Bild.

Kubrick hat auf jede genauere Umschreibung der im Film abgebildeten Kriegsumstände verzichtet. Der Zuschauer weiß nicht, wer hier gegen wen kämpft. Auch der Ort bleibt abstrakt. Gedreht sieben Jahren nach Ende des 2. Weltkriegs und unmittelbar nach Ausbruch des Koreakriegs, war das Thema zu der Zeit allerdings allgegenwärtig. "Fear and Desire" ist ein Kriegsfilm, reduziert auf die wesentliche Aspekte kriegerischer Auseinandersetzung: Tod und Traumata, Gewalt und Moral, Leidenschaft und Verzweiflung.

Szene aus dem Stanley Kubrick-Film "Fear and Desire" von 1952/53 (Foto: SchröderMedia)
Reden über den Krieg: Fear and DesireBild: Polarfilm

"...aus der Wühlkiste des Negativismus der 50er"

Was heute durch den dargebotenen Minimalismus wieder frisch und modern wirkt, kam damals nicht gut an: "Der Themenkatalog des Films stammt aus der Wühlkiste eines bohemhaften Negativismus der frühen 50er Jahre", schrieb damals ein Kritiker und bemängelte den "in seinem von existenzialistischer Selbsteifer kontrapunktierten Rundumschlag gegen den Krieg und sonstige gesellschaftliche Institutionen."

Auch Kubrick selbst ging wenig zimperlich mit seinem Debüt um, beschrieb ihn als "undramatisch und peinlich prätentiös". Gerüchten zufolge wollte er die Kopie des Films sogar vernichten. Nach einem kurzen Einsatz im Kino verschwand "Fear and Desire" für Jahrzehnte und wurde auch bei späteren Kubrick-Retrospektiven nicht gezeigt. Dass der Film jetzt auf DVD vorliegt, ist - angesichts der folgenden Weltkarriere Kubricks - also eine kleine Sensation.

Szene aus dem Stanley Kubrick-Film "Fear and Desire" von 1952/53 (Foto: SchröderMedia)
Dem Kriegswahnsinn verfallen: Ein Mann flippt aus in "Fear and Desire"Bild: Polarfilm

Thema Krieg bei Kubrick

Insgesamt fünfmal hat sich der gebürtige New Yorker während seiner Karriere dem Thema Krieg zugewandt, doch nur in seinem Debüt hat sich Kubrick dermaßen reduziert auf das Wesentliche konzentriert. Das geschah auch aus einer Zwangslage. Der Debütant musste mit ein paar tausend Dollar Prokuktionsbuget auskommen. Das Team bestand nur aus 14 Mitgliedern. Kubrick selbst führte nicht nur Regie, sondern übernahm auch Kamera und Schnitt.

Heute erscheint "Fear and Desire" wie ein kleines Juwel aus einer anderen Ära. In Zeiten, in denen das Kino mit Special Effects und digitalem Aufwand virtuelle Welten erschafft, wirkt "Fear and Desire" in seiner Einfachheit klar und rein.

Stanley Kubrick: Fear and Desire, USA 1955, 60 Minuten, mit Frank Silvera, Paul Mazursky, Kenneth Harp, Virginia Leith, Steve Coit u.a., auf DVD bei SchröderMedia erschienen.