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Deutsche Solarfirmen

28. Dezember 2009

Deutsche Solar-Firmen streben ins Ausland. Dabei gelten die USA als ein attraktiver Markt. Besonders verlockend sind die sonnenverwöhnten Gegenden. In Tucson, Arizona, scheint die Sonne an 300 Tagen im Jahr.

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Saguaro-Kakteen und blauer Himmel - die Markenzeichen von Süd-Arizona (Foto: DW)
In Süd-Arizona, wo Saguaro-Kakteen in den blauen Himmel ragen, blüht die SolarindustrieBild: DW/ Christina Bergmann

Die ein mal ein Meter 70 großen Glasscheiben in der Montagehalle der Firma Solon in Tucson werden gewaschen und immer wieder unter die Lupe genommen, denn einwandfrei muss das Glas sein, auf das die Solarzellen geklebt werden, erklärt Produktionsmanager Bryan von Holten. Der kleinste Kratzer kann die fertigen Sonnenkollektoren unbrauchbar machen. 375 Watt produziert jedes der flachen Sonnenkraftwerke, die auf Dächer montiert oder an einem Gestänge befestigt werden können.

Die Firma Solon, einer der führenden deutschen Solarmodulhersteller, ist nicht nur wegen des blauen Himmels und der vielen Sonnenstunden nach Tucson gekommen, sagt Geschäftsführer Olaf Köster: "Wir haben hier eine sehr gute Infrastruktur und haben direkten Zugriff nach Kalifornien, den immer noch größten Solarmarkt in Amerika." Die Staaten um Arizona herum im Südwesten der USA - New Mexico, Nevada, Utah, Colorado - haben alle sehr starke Solarprogramme und der Markt wachse faktisch um Arizona und in Arizona. Für die Firma Solon sei daher Arizona der beste Standort, so Köster weiter.

Deutsche Solarfirmen sind in Arizona willkommen

die Fahnen vor dem Gebäude der Firma Global Solar (Foto: DW)
Die Deutschen sind gerne gesehen in Tucson, ArizonaBild: DW/ Christina Bergmann

Gabrielle Giffords, die Arizona im US-Repräsentantenhaus vertritt, freut sich über den Zuzug aus Deutschland. Sie macht sich in Washington für die Solarindustrie stark. Die USA insgesamt könnten viel davon lernen, wie Deutschland mit der Solarindustrie umgeht, sagt sie: "Der Ort mit der meisten Sonne in Deutschland bekommt wahrscheinlich immer noch weniger Sonnenstrahlen ab als der dunkelste Fleck bei uns. Wenn mir also Leute sagen, ich sei nur so begeistert von der Solarindustrie, weil ich aus dem sonnenverwöhnten Südwesten komme, verweise ich immer auf Deutschland." Ganz Amerika könnte Solarstrom nutzen, auch in Gegenden wie Alaska, wo die Sonne nicht soviel scheint, meint Gabrielle Giffords.

Und Arizona soll bei der Entwicklung der entsprechenden Technologie die Führung übernehmen, wünscht sie sich. Die besten und intelligentesten Köpfe wolle man in den Bundesstaat holen. Paul Bonavia, Präsident der UniSource Energy Corporation, die für die Stromversorgung von Tucson zuständig ist, ergänzt, dass die deutsche Solartechnik ein hohes Ansehen genieße: "Wir haben großes Vertrauen in die technische Führungskraft der deutschen Firmen. Solon ist ein gutes Beispiel für eine erfolgreiche Ehe zwischen technischer Entwicklung und Führungsstärke aus Deutschland und Fertigung in Südarizona."

Arizona, wo die Sonne an 300 Tagen im Jahr scheint

Grand Canyon und der neue Skywalk (Foto: AP)
Grand Canyon und der neue SkywalkBild: AP

Arizona, der Bundesstaat im Südwesten der USA, ist wie geschaffen dafür, um die Kraft der Sonne in Strom umzuwandeln. An 300 Tagen im Jahr scheint hier die Sonne. Im Süden, in der Nähe von Tucson und unweit der Grenze zu Mexiko, sind die Saguaro Nationalparks mit ihren riesigen Kakteen gleichen Namens ein beliebtes Ziel für Touristen. Koyoten sind hier ebenso zu Hause wie Kolibris und Klapperschlangen. Atemberaubende Sonnenuntergänge gibt es überall zu beobachten, im Norden Arizonas vor dem Panorama des berühmten Grand Canyons.

So ist es erstaunlich, dass Solarstrom in Arizona nicht schon viel früher entdeckt wurde. Kalifornien, Florida, Texas und selbst New Jersey sind da schon viel weiter. Die ersten staatlichen Förderprogramme in Arizona sind gerade verabschiedet worden. Das Ziel: Im Jahr 2025 sollen 15 Prozent der Stromproduktion aus erneuerbaren Energien kommen. Das könne eigentlich nur der Anfang sein, meint Joe Snell, Präsident der Wirtschaftsfördergemeinschaft in Tucson. Es hat lange gedauert, gibt er zu, bis die Amerikaner auf den Zug der erneuerbaren Energien aufgesprungen sind. Auslöser für das Umdenken seien letztlich der hohe Benzinpreis und die Wirtschaftskrise gewesen.

Tuscon - bevorzugter Standort für deutsche Solarfirmen

Die deutsche Solarindustrie hat erkannt, dass der Markt in den USA wächst und auch die Politik aufgewacht ist. Allein in den letzten 18 Monaten hätten sich vier deutsche Firmen in Tucson niedergelassen, sagt Snell.

Eine Solaranlage von Global Solar, die von deutschen Firmen finanziert werden (Foto: DW)
Eine Solaranlage von Global Solar, die von deutschen Firmen finanziert werdenBild: DW/ Christina Bergmann

Solon ist schon ein bisschen länger da. Es begann 2006 mit einer Beteiligung an der Firma Global Solar, die Solarzellen herstellt. 2008 fiel dann die Entscheidung, ein eigenes Werk in Tucson aufzubauen, im Mai des gleichen Jahres wurde mit der Produktion begonnen.

Aller Anfang ist schwer - auch für Solon

Dabei musste auch Geschäftsführer Olaf Köster lernen, dass in den USA vieles anders funktioniert als in Deutschland, auch wenn die Produkte gleich sind. Köster hatte 2004 für Solon ein Werk in Greifswald aufgebaut. Die Erfahrung half ihm aber nicht immer weiter: "Ich war der erste Mitarbeiter hier, der erste und einzige am Anfang, und obwohl ich einen Job hatte, obwohl ich knapp 15 Millionen Investition tätigen wollte, habe ich als Geschäftsführer der Firma keine Kreditkarte bekommen."

Olaf Köster, Geschäftführer der Solon Corporation in Tucson (Foto: DW)
Olaf Köster litt gleich unter der "Kreditklemme"Bild: DW/ Christina Bergmann

Ein halbes Jahr dauerte es, bis Köster den Banken kreditwürdig erschien. Auch von den Arbeitern, so seine Erfahrung, kann er nicht so viel erwarten wie in Deutschland: "Es gibt hier keine Ausbildung im klassischen Sinne als Maschinenschlosser oder Mechatroniker oder Bürokaufmann. Es basiert alles darauf, dass Mitarbeiter angelernt werden. Das funktioniert soweit ganz gut, bis komplexe Probleme auftreten."

Da wird nachts schon mal der Notdienst geholt, weil die Maschine nicht funktioniert. Und dabei war nur der Stecker nicht in der Steckdose. Die Arbeiter, die erheblich weniger verdienen als in Deutschland, seien es nicht gewohnt, komplexer zu denken und trauten sich auch oft nicht, Dinge selbst in die Hand zu nehmen, sagt Köster.

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Viel Handarbeit

Wegen der niedrigen Löhne werden bei Solon noch viele Tätigkeiten von Hand erledigt: vom Verlöten der Verbindungen zwischen den einzelnen Solarzellen bis zum Abwischen des überflüssigen Silikons auf den fertigen Sonnenkollektoren. "Wir haben automatisiert, wo es die Qualität steigert, wo man nicht manuell fertigen kann und wo es den Produktionsfluss optimiert. Aber bestimmte Arbeitsplätze muss man nicht automatisieren", sagt Köster. Bei einem Lohn von elf bis zwölf Dollar die Stunde sei es wirtschaftlicher, auch manuelle Tätigkeiten in der Produktionslinie mit einzubinden.

Produktionshalle der Firma Schletter (Foto: Schletter)
Auch Schletter hat sich in Tuscon niedergelassen - dort werden Gestelle für Sonnenkollektoren hergestelltBild: DW/ Christina Bergmann

Ausländische Firmen sind in Tucson gern gesehen. Denn sie zahlen 17 Prozent höhere Löhne als die einheimischen Firmen, erklärt Joe Snell von der Wirtschaftsfördergemeinschaft. Auch Ed Grover ist mit seinem Job bei den Deutschen zufrieden. Der 57jährige entwirft bei der Firma Schletter Trägersysteme für Sonnenkollektoren und ist auch für deren Vermarktung zuständig. "Grundsätzlich hat man einfach mehr Freiheiten, eigene Entscheidungen zu treffen, und trotzdem passt am Ende alles zusammen. Niemand sagt hier: Dafür bin ich nicht zuständig." Amerikanische Firmen, so Grover, hätten weniger Vertrauen in ihre Angestellten und würden sich viel mehr in die tägliche Arbeit einmischen. "Micromanaging" nennt man das hier.

Konjunkturpaket half der Solarbranche

Schletter, ein renommierter deutscher Betrieb mit weltweit über 1000 Mitarbeitern, hat sich im Februar 2007 in Tucson niedergelassen. Produziert wird seit August 2007. Für die inzwischen über 85 Mitarbeiter und die wachsende Auftragslage ist die Fertigungshalle zu klein, sagt Vertriebschef Sven Künzel: "Letztens hatten wir drei Großaufträge und da konnten wir die Sachen im Hof nicht mehr richtig platzieren, wir mussten alles fünf Mal hin und her fahren."

Sven Künzel ist Vertriebschef von Schletter (Foto: DW)
Sven Künzel ist Vertriebschef bei der Schletter-Filiale in TusconBild: DW/ Christina Bergmann

Vor allem, nachdem die US-Regierung in Washington das Konjunkturpaket verabschiedet hatte, hätten viele Kunden nicht länger gezögert und Bestellungen aufgegeben. Genauso wie Solon legt auch Schletter Wert darauf, so Künzel, Arbeiter aus der Gegend einzustellen. Denn ebenso wie das angesehene technische Know-how aus Deutschland ist es ein starkes Verkaufsargument, den Menschen in der Region Arbeitsplätze zu bringen. Dabei liegen die Löhne in den USA noch immer weit über den Billiglöhnen in China, dem aufstrebenden Konkurrenten auf dem Solarmarkt. Konkurrenzfähig sei man trotzdem, glaubt Künzel. Und Dumpinglöhne kämen sowieso nicht in Frage: "Jeder, der bei uns arbeitet, sollte sich ein normales Leben leisten können."

Dass China mit seinen niedrigen Löhnen und den hohen staatlichen Subventionen der deutschen und der amerikanischen Solarindustrie Sorgen bereitet, steht außer Frage. Für Tim Teich, stellvertretender Verkaufsleiter von Global Solar, ist klar: "Es ist ein Wettrennen, ich bin mir nicht sicher, wer gewinnt. Aber wenn Sie mich fragen, dann werden wir die Sieger sein."

Biegsam wie Plastikfolie

Sonnenkollektoren sorgen für Licht auf dem Parkplatz des Arizona-Sonora Wüstenmuseums (Foto: DW)
Sonnenkollektoren sind vielfältig einsetzbar, hier zum Beispiel sorgen sie für Licht auf dem Parkplatz des Arizona-Sonora WüstenmuseumsBild: DW/ Christina Bergmann

Denn Global Solar, an dem Solon zu 19 Prozent Solon beteiligt ist - die restlichen 81 Prozent gehören einer deutschen Investmentfirma, die anonym bleiben will - setzt auf die Dünnschichttechnologie. Mit diesen Solarzellen, die biegsam wie ein Stück Plastikfolie sind, kann Solon seine gläsernen Sonnenkollektoren herstellen. Man kann sie aber auch direkt in Dachschindeln einarbeiten. "Wir arbeiten an einer Lösung, bei der man die Technologie direkt in die Teile einarbeitet, die man zum Hausbau benutzt." Tim Teich ist fest davon überzeugt, dass in zehn Jahren die Solarzellen auf dem Dach zum Standard werden.

Fest steht: Die Solartechnologie bietet noch viele Entwicklungsmöglichkeiten, auch wenn das Grundprinzip das gleiche bleibt. An der Universität von Arizona gibt es deswegen ein eigenes Institut. AzRise erforscht, wie Solarstrom möglichst ökonomisch erzeugt werden kann. Die Forscher sind auf der Suche nach billigeren Materialien, die die Umwelt weniger belasten. Schon bald, ist man bei AzRise überzeugt, wird es Sonnenkollektoren geben, die man nach Gebrauch einfach wegwerfen kann. Vor allem aber wird ein Speicher gesucht, der mit möglichst geringem Verlust den Solarstrom für die dunkle Tageszeit aufhebt. Denn auch im sonnenverwöhnten Arizona geht die Sonne am Abend unter. Ganz wichtig sei es, so die stellvertretende Direktorin von AzRise, Ardeth Barnhart, mit den Vorurteilen gegenüber dem Solarstrom aufzuräumen.: "Die Immobiliengesellschaften fangen gerade erst an, sich mit dem Thema Solarstrom zu beschäftigen. Am Anfang dachten sie, dass es ihre Kosten so sehr in die Höhe treibt, dass sich eine Investition nicht lohnt. Jetzt sehen sie, dass es längerfristig den Wert der Häuser erhöht." Die Wissenschaftlerin glaubt daher an ein weiteres Wachstum der Solarbranche in den nächsten Jahren in Arizona.

Blackouts wird es bei Solarkraftwerken nicht geben

Die Sonne scheint durch einen Strommast (Foto: AP)
Das veralterte Leitungsnetz in den USA führen häufig zu StromausfällenBild: AP

Es gibt noch einen anderen Grund, der Solarstrom für die USA ganz allgemein attraktiver macht: Das völlig veraltete Leitungsnetz. In den letzten Jahren häufen sich die Stromausfälle. Im Jahr 2003 standen Millionen Menschen im Nordosten der USA und Kanadas für viele Stunden im Dunkeln. Die Ursache Blackouts: Überhängende Bäume hatten an den Leitungen Spannungsschwankungen verursacht. Das führte zu Sicherheitsabschaltungen. Andere Leitungen, die die Last übernehmen sollten, brachen ebenfalls zusammen. Eine Kettenreaktion. Strom wird in den USA vor allem überirdisch transportiert, über lange Wege. Nicht nur wild wuchernde Bäume, jeder Eisregen oder Sturm kann zum Problem werden. Mit Solarstrom funktioniert das anders, erklärt Solon-Geschäftsführer Olaf Köster: "Und zwar speist man immer lokal ein und belastet das Netz nicht mit einem Riesenkraftwerk, was irgendwo hunderte Kilometer entfernt vom Verbraucher steht, da braucht man immer viel stärkere Leitungen." Und wenn man viele kleine Solarkraftwerke an lokalen Orten installiere, müsste auch kein Geld investiert werden, um das Netzwerk auszubauen oder zu stabilisieren, sagt Köster weiter.

"Beim Geld hört die Umweltfreundlichkeit auf"

Gute Nachrichten also für deutsche Firmen wie Solon und Schletter, die genau auf diesen Trend setzen. Angesichts niedriger Strompreise von rund 10 Cent pro Kilowattstunde scheuen viele Hausbesitzer allerdings noch immer, in Sonnenkollektoren zu investieren. Und Strom aus Solarkraftwerken ist zumindest in Arizona noch teurer als der herkömmliche Strom aus Kohlekraftwerken. Olaf Köster: "Alle wollen sicherlich grün sein und umweltfreundlich, aber wenn sie dann den Strom bezahlen müssen, der viel, viel höher ist als der andere, dann hört die Umweltfreundlichkeit auf."

Solarstrom ist für den Verbraucher also nur dann attraktiv, wenn er damit Geld sparen kann. Und dabei können, neben der ständigen technischen Weiterentwicklung, finanzielle Anreize durch den Staat den entscheidenden Impuls geben. Auch das lehrt die Erfahrung aus Deutschland.

Autorin: Christina Bergmann
Redaktion: Zhang Danhong