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Experten diskutieren in Berlin Szenarien für Kosovo-Lösung

29. November 2007

Die Kosovo-Verhandlungen in Baden bei Wien sind am Mittwoch (28.11.) endgültig gescheitert. Die Positionen der Kosovo-Albaner und Serben bleiben unverändert starr. Welche Szenarien nun möglich sind, erklären Experten.

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Kosovo: Wille zur Unabhängigkeit bleibt starkBild: AP

Eigentlich sollte am Mittwoch (28.11.) eine im Auftrag der Hertie School of Governance durchgeführte Studie von Südosteuropa-Wissenschaftlern zu den EU-Perspektiven des Westlichen Balkans beim Berliner Institut für Politikwissenschaft vorgestellt werden. Aber die bevorstehende Entscheidung über die Lösung der Kosovo-Frage überschattete die Debatte um die Heranführung der Region an die EU. Das Scheitern der Verhandlungen zwischen Serben und Kosovo-Albanern an diesem Tag und eine mögliche Unabhängigkeitserklärung des Kosovo in den nächsten Wochen kompliziert die Lage.

Rolle der EU

Was passiert, wenn Serbien die Grenze zum Kosovo schließen sollte oder womöglich den mehrheitlich von Serben bewohnten Nord-Kosovo annektiert? Wie wird sich die EU verhalten, wenn Russland im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen eine Regelung der Kosovo-Frage blockiert und die existierende Resolution 1244 weiterhin in Kraft bleibt? Wird die EU – wie beabsichtigt – eine Mission in den Kosovo schicken, die die KFOR-Streitkräfte ersetzt? In Berlin entwickelte der britische Balkanexperte Tim Judah folgendes Szenario: "UN-Generalsekretär Ban Ki Moon wird erklären, dass die UN-Mission im Kosovo beendet ist. Zugleich wird er die EU-Mission gutheißen, die von der Regierung des Kosovo eingeladen wird. Und das, obwohl die UN-Resolution 1244 weiterhin in Kraft bleibt. Aber es gibt so viele UN-Resolutionen zu vielen Fragen, die in Kraft sind. 1244 wird sich dann zu ihnen gesellen als eine Resolution aus der Vergangenheit."

Taiwan-Modell denkbar

Die EU-Mission im Kosovo wird nach Meinung der Experten auf unbestimmte Zeit im Land bleiben. Konkrete Gestalt wird sie erst annehmen, nachdem die Unabhängigkeit von einigen Staaten anerkannt worden ist. Man muss aber davon ausgehen, dass der neue Staat Kosovo nicht in die UNO aufgenommen werden wird. Denn dafür müsste zuvor der Sicherheitsrat die existierende Resolution 1244 aufheben. Dem werden wohl weder Russland noch China zustimmen.

Aus diesem Grund glaubt Wim van Meurs vom Centrum für angewandte Politikforschung in München, dass der internationale Status des Kosovo dem Status Taiwans gleichen werde. "Taiwan lebt seit 50 Jahre sehr gut damit, ein unabhängiger Staat zu sein, der nicht von allen oder von fast keinem anerkannt ist. So eine Position einer nicht ganz geklärten Unabhängigkeit ist also nicht völlig neu in der Weltgeschichte."

Weitere Abspaltungen unwahrscheinlich

Immer wieder ist davon die Rede, dass die Unabhängigkeit des Kosovo auch Auswirkungen auf andere Staaten haben könnte, in denen es Spannungen mit nationalen Minderheiten gibt. Es wird vermutet, das kosovarische Beispiel könnte ihnen als Vorbild dienen, um sich für unabhängig zu erklären. Das trifft insbesondere auf die Serben in Bosnien-Herzegowina und auf die Albaner in Mazedonien zu. Dazu sagt der in Wien beheimatete mazedonische Wirtschaftswissenschaftler Vladimir Gligorov: "Ich glaube nicht, dass es zu einer Abspaltung kommen wird, aber dennoch ist es ein Problem für Mazedonien, da es eine große albanische Minderheit hat. Wenn die Unabhängigkeit des Kosovo nicht mit Konflikten und Spannungen verbunden sein wird, wird es positiv für Mazedonien verlaufen. Weder in der Republika Srpska noch in Bosnien-Herzegowina insgesamt wird die Unabhängigkeit des Kosovo sehr populär sein. Aber ich glaube nicht, dass sich die Republika Srbska von Bosnien-Herzegowina abspalten will. Allerdings werden sich Verständigung und Zusammenarbeit künftig dort schwieriger gestalten. Das Land wird jedoch nicht auseinanderbrechen."

Scharmützel nicht ausgeschlossen

Hinsichtlich des Verhaltens Serbiens bei einer Unabhängigkeitserklärung des Kosovo kursieren verschiedene Szenarien: Serbien könnte die Grenze zum Kosovo schließen oder in das Nordkosovo einmarschieren oder die diplomatischen Beziehungen zu Staaten abbrechen, die das Kosovo anerkennen werden. Nach Ansicht von Alina Mungiu-Pippidi von der Berliner Hertie School of Governance wird nichts davon passieren. "Ich glaube nicht, dass Serbien irgendetwas Dramatisches anstellen wird, zum Beispiel in das Kosovo einmarschieren. Für die serbischen Politiker geht es darum, ihrer Wählerschaft zu demonstrieren, dass das Ganze ihre Möglichkeiten übersteigt und sie alles, was in ihren Kräften stand, getan haben, um die Unabhängigkeit zu verhindern." Es ist aber nicht ausgeschlossen, dass es in Nord-Kosovo nach der Unabhängigkeitserklärung zu Scharmützeln von irregulären Verbänden kommt. In diesem Fall ist die KFOR aufgerufen, die Situation wieder zu beruhigen, damit daraus kein Konfliktherd wird.

Panagiotis Kouparanis, DW-Griechisch