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Exportdelle, aber keine Krise

24. März 2010

Deutschlands Winzer haben im Jahr 2009 weniger Wein ins Ausland verkaufen können. Angesichts der ständig gestiegenen Verkaufszahlen seit 2001 ist das aber nicht so dramatisch.

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Rotweinglas mit Weinkrug (Foto: Bilderbox)
Getrunken wird immerBild: Bilderbox

Deutschland ist ein Exportland und das gilt nicht nur für Maschinen und Autos. Auch die deutschen Winzer leben davon, einen Teil ihrer Produktion ins Ausland verkaufen zu können. Gleichzeitig stellt Deutschland einen der interessanten Märkte für andere Weinbauländer dar. Und deshalb ist die Prowein in Düsseldorf wohl auch eine der bedeutendsten Weinmessen der Welt. Trotz Finanzkrise konnte der Branchentreff für Profis auch in diesem Jahr wieder wachsen. 3300 Aussteller und rund 35.000 Fachbesucher aus aller Welt trafen sich in Düsseldorf.

Und wie steht es um den deutschen Weinbau? "Deutsche Winzer erleiden Export-Einbruch" hieß es dramatisch im Vorfeld der Prowein. Denn Deutschlands wichtigste Kunden hatten im Jahr 2009 massive Finanzprobleme und bestellten deshalb weniger bei deutschen Winzern - die USA zehn Prozent, Großbritannien sogar 22 Prozent weniger Wein.

Die Geschäftsführerin des Deutschen Weininstituts, Monika Reule (Foto: DPA)
Die Geschäftsführerin des Deutschen Weininstituts (DWI), Monika Reule, kann trotz Krise lachenBild: picture alliance / dpa

Aber so schlimm, wie das auf den ersten Blick aussieht, ist die Sache gar nicht. In der Gesamtbilanz ist der Weinexport im vergangenen Jahr 2009 mengenmäßig um sechs Prozent zurückgegangen, wertmäßig um acht Prozent. "Aber andere Länder haben zugelegt und mehr bestellt. Alles in allem sind wir mit einem blauen Auge davon gekommen. Wenn man andere Branchen betrachtet, die stark exportorientiert sind, dann sind ganz andere Zahlen zu Buche geschlagen", betont Monika Reule vom Deutschen Weininstitut, das international für deutschen Wein die Werbetrommel rührt.

Den Blick nach vorn gerichtet

So war auf der Messe auch kein einziger jammernder deutscher Winzer zu finden. Im Gegenteil, manche haben sogar in der Krisenzeit zugelegt, wie die zweitgrößte Genossenschaft Deutschlands, die Moselland e. G. Sie exportiert 40 Prozent ihrer Produktion. Vorstandsvorsitzender Werner Kirchhoff hatte den Krisenbraten schon früh gerochen: "Wir haben um die Jahreswende 2008/2009 insbesondere aus den USA gemerkt, dass es weniger wird. Es ist uns gelungen, das Geschäft in den letzten sechs Monaten zu stabilisieren; wir sind jetzt wieder auf dem Stand wie vor der Krise."

Diversifizierung heißt das Zauberwort. Entscheidend für die Firma Moselland war, dass sie nicht nur ein strategisches Exportland besitzen, sondern sieben Länder. Mit dem Ergebnis, dass die Genossenschaft in den vergangenen sechs Krisenmonaten sogar drei Prozent mehr verkauft hat als im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Was die US-Amerikaner weniger bestellten, haben Skandinavier und Holländer mehr gekauft.

Mosel Landschaft (Foto: Marketing Moselland eG)
Hier an der Mosel wächst Deutschlands wohl berühmtester RieslingBild: Moselland eG

Dass es wichtig ist, sich nicht auf wenige gute Kunden zu verlassen, sondern breit aufzustellen, betont auch Ansgar Schmitz vom Verein Mosel-Marketing. In den 1980er-Jahren hätten Weinbauern viel an große Unternehmen in den USA und Kanada verkauft. Dort hatte man sich aber plötzlich entschieden, keine deutschen Weine mehr zu kaufen. Dadurch sei den Weinbetrieben dieser Markt regelrecht weggebrochen.

Vielseitigkeit ist gefragt

Doch man hat aus der Vergangenheit gelernt. Viele Winzer betreiben einen Verkauf ab Hof, bemühen sich aber auch um Präsenz in der Gastronomie. Sie verkaufen an den Weinfachhandel und haben noch ein Standbein im Export. Dann kann man verkraften, wenn’s irgendwo mal schwächer wird.

Steffen Christmann, Präsident des Vereins deutscher Prädikatsweingüter - der Spitzenverband des deutschen Weinbaus - sieht derzeit gar keinen Grund zu klagen. Denn der Verkaufsrückgang sei allenfalls eine kleine Bremse in einem schon seit zehn Jahren anhaltenden Siegeszug deutscher Weine in aller Welt, vor allem des Rieslings: "Wir haben in den letzten Jahren fast jedes Jahr 10 bis 20 Prozent Exportzuwächse gehabt. Und wenn wir jetzt in einem Jahr 5,6 Prozent rückwärts gehen, ist es immer noch ein gutes Gesamt-Ergebnis."

Hingehen, wo vorher kein Wein war

Natürlich ist auch der Absatz im eigenen Land wichtig. Mit einem besonders originellen Konzept versuchte Winzer Martin Tesch von der Nahe neue Kunden zu finden. Er organisierte das Projekt "Rolling Riesling Show" zusammen mit der Firma Gibson Guitars aus Nashville, dem Weltmarktführer für Konzertgitarren. Ein Wein hieß daraufhin "Riesling Unplugged" und er startete eine Deutschland-Tour durch Clubs, Restaurants und Theater. "Wir sind an den äußersten Rand der Machbarkeit einer Weinprobe gegangen", erzählt Tesch. "Ich habe mich auf die Bühne gestellt und mit hunderten Zuschauern eine Weinprobe veranstaltet."

Das war nicht das einzige originelle Projekt des Winzers. Auch beim legendären Musik-Festival "Rock am Ring" an der Rennstrecke des Nürburgrings in der Eifel ist er präsent. Außerdem schaffte er es als Partner der Fußballmannschaft Werder Bremen mit seinen anspruchsvollen Weinen sogar in die eigentliche Wurst- und Bierzone des Fußballstadions. In Pariser Spitzenlokalen trinkt man seine Weine aber inzwischen auch. Sogar aus Afghanistan wird bei Tesch Wein bestellt.

Autor: Günther Birkenstock
Redaktion: Kay-Alexander Scholz