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Neuer Kopf bei der FARC

26. Mai 2008

Der legendäre Rebellenchef Manuel Marulanda ist tot. Ihm folgt der bisherige Chefideologe der FARC, Alfonso Cano. Viele hoffen auf einen Kurswechsel und die Freilassung der Geisel Ingrid Betancourt.

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Rebellenführer Manuel Marulanda aus dem Jahr 2001 (Quelle: dpa)
Marulanda, Deckname "Tirofijo", auf einem Bild von 2001Bild: picture-alliance/ dpa

Seit Jahren kursierten immer wieder Gerüchte über den Tod des Gründers und Chefs der kolumbianischen FARC-Guerilla, Manuel Marulanda. Er galt schon seit langem als krank, die Rede war von Prostatakrebs. Die letzten Aufnahmen von Marulanda stammen aus der Zeit der gescheiterten Friedensgespräche zwischen 1998 und 2002. Schon damals wirkte er alt und gebeugt.

Diesmal gibt es Gewissheit: FARC-Sprecher Timoleón Jiménez bestätigte den Tod in einer Videoerklärung, die der venezolanische TV-Sender "Telesur" am Sonntag (26.05.08) ausstrahlte. Tags zuvor war ein Interview des kolumbianischen Verteidigungsministers Juan Manuel Santos veröffentlicht worden, in dem er den Tod des Rebellenführers bekanntgegeben hatte.

Rebellengruppe stark geschwächt

Damit haben die "Revolutionäre Streitkräfte Kolumbiens" (FARC) innerhalb eines Monats drei ihrer obersten Anführer verloren: Am 1. März starb Vize Raúl Reyes bei einem Angriff der kolumbianischen Armee auf ein FARC-Camp in Ecuador. Und wenige Tage später wurde Iván Ríos von seinen eigenen Leibwächtern ermordet. Die mächtigste Guerillagruppe Lateinamerikas steckt in der größten Krise ihrer 44-jährigen Geschichte. Die Zahl der Bewaffneten soll nach Regierungsangaben von früher etwa 18.000 auf 8000 gesunken sein.

Der Guerillachef starb nach Angaben der größten Rebellengruppe des Landes bereits am 26. März an einem Herzinfarkt. Obwohl das Todesdatum nicht in die Zeit einer Offensive der Armee gegen die FARC fällt, wie die kolumbianische Regierung bestätigte, schließen die Militärs nicht aus, dass er bei einer Armeeoperation verletzt wurde.

Pragmatiker übernimmt Führung

Der legendenumwobene Marulanda, der den Decknamen Tirofijo ("Sicherer Schuss") trug, starb im Alter von 77 oder 79 Jahren. Der Bauernsohn, der bereits Ende der 1940er Jahren eine liberale Guerillagruppe anführte, gehörte 1964 zu den Gründern der kommunistischen FARC und galt als dienstältester Guerillero der Welt. Unter seiner Führung wurden in den 90er Jahren Drogenhandel und Entführungen zur wichtigsten Finanzierungsquelle der Rebellen. Derzeit haben die Rebellen etwa 700 Geiseln in ihrer Gewalt, darunter die kolumbianisch-französische Grünen-Politikerin Ingrid Betancourt.

Die Geisel Ingrid Betancourt (Quelle: AP)
Ingrid Betancourt soll schwer krank seinBild: AP

Marulandas Nachfolge an der Spitze der "Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens" (FARC) übernimmt nach Angaben von Jiménez der bisherige Chefideologe Alfonso Cano. Viele hoffen jetzt auf einen Kurswechsel, dass sich die politischen Optionen gegenüber den militärischen durchsetzen. Der 59-jährige Cano gilt als politischster Kopf der FARC-Führungsriege. Nach seiner Zeit als Studentenführer stieß der bärtige Anthropologe in den 1970er Jahren zur FARC.

Betancourts Familie hofft

Die Familie Betancourts hofft nun auf eine baldige Freilassung der Grünen-Politikerin. Die Mutter und die Schwester Betancourts appellierten am Sonntagabend an den neuen FARC-Chef Cano, die 46-jährige Franko-Kolumbianerin und andere Zivilisten unter den Geiseln freizulassen. Die Freilassungen könnten "entscheidende Aktionen Frankreichs und der internationalen Gemeinschaft auslösen, um (...) Kolumbien auf den Weg des Friedens zu bringen", hieß es in der durch das Betancourt-Unterstützerkomitee (Ficib) in Paris veröffentlichten Erklärung.

Ob es zu Friedensverhandlungen zwischen den Rebellen und der Regierung kommt bleibt jedoch ungewiss. Kolumbiens Präsident Álvaro Uribe setzt auch nach dem Tod Marulandas auf harte Hand: "Die Regierung muss jetzt daran denken, hart für das kolumbianische Volk zu arbeiten. Sonst tauchen wieder Verbrecher auf, die so tun, als würden sie das Volk verteidigen", sagte der konservative Präsident Kolumbiens am Sonntag. Anfang Mai machte sich Uribe, dem Umfragen eine anhaltend hohe Popularität bescheinigen, über Cano als "Philosoph des Terrorismus" lustig und fügte hinzu: "Richten Sie ihm aus, wir sind hinter ihm her." (stl)