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Fünf Jahre Stabilitätspakt für Südosteuropa

Adelheid Feilcke-Tiemann 10. Juni 2004

Die EU hat nicht nur für sich selbst einen Stabilitätspakt geschaffen. Auch für Südosteuropa gibt es einen, und zwar seit genau fünf Jahren. Er hat freilich ebenso viele Mängel und Macken wie der "große Bruder".

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Schöne neue Aussichten auf dem BalkanBild: presse


Als vor fünf Jahren auf deutsche Initiative hin der Stabilitätspakt für Südosteuropa entwickelt wurde, standen Europa und die demokratische Welt noch unter dem Schock des Kosovo-Krieges. Die Milosevic-Diktatur, ethnischer Hass, Krieg und Vertreibung schienen kein Ende zu nehmen. Sie waren die Wegmarken eines Jahrzehntes der Gewalt in Südosteuropa, das nach dem Ende des Ost-Weltkonflikts immer tiefer in einem selbstzerstörerischen Zersetzungs-Prozessen zu versinken drohte.

Zeit für Visionen

Da kam mit dem Stabilitätspakt ein geradezu visionärer Gegen-Entwurf zur gängigen Praxis der Abgrenzungs- und Bedrohungspolitik gegenüber und innerhalb des Balkans: Die Länder Südosteuropas erhielten erstmals eine ernsthafte europäische Perspektive - allerdings unter der Bedingung der regionalen Kooperation. Ein breites Aufgebot europäischer und transatlantischer Staaten und Organisationen stellte sich bereit, Geld und Know-How in dieses ambitionierte Projekt zu stecken, um die drei Kern-Bereiche Demokratisierung, Wirtschaft und Sicherheit mit Leben zu füllen. Am 10. Juni 1999 wurde die Initiative auf dem G8-Gipfel in Köln beschlossen. Wenige Wochen später folgte in Sarajewo der eigentliche Startschuss für eine umfangreiche Projekt-Arbeit.

Vieles im Argen

Spektakuläre Bauvorhaben wurden auf dem Reißbrett entworfen: Korridore, die Südosteuropa von Ost nach West von Nord nach Süd mit effizienten Autobahnen und Brücken überziehen sollten, um den Fluss und Austausch der Waren und Werte zu beschleunigen. Mancher Kilometer Straße ist heute dank des Stabilitätspakts tatsächlich breiter und nach modernen Standards ausgebaut, auf manche Brücke aber warten die Menschen noch immer. Und: Viel Geld ist im Dschungel der europäischen und regionalen Verordnungen versandet, manches fehl investiert, viel zu wenig in der Region selbst ausgegeben. In harten Zahlen gemessen, liegt nach fünf Jahren noch vieles im Argen.

Erfolge

Doch der Stabilitätspakts kann gleichwohl unbestrittene Erfolge verbuchen: Das Konzept des regionalen Dialogs und der strukturierten Partnerschaft ist unumkehrbar in der Politik der südosteuropäischen Staaten verankert. Regionale Minister- und Experten-Treffen - auch zwischen einstigen Kriegs-Gegnern - sind heute längst Routine geworden. Freihandelsabkommen, vor fünf Jahren noch unverstellbar, sind längst Normalität.

Weniger spektakulär, weniger kostenaufwändig, doch nicht weniger bedeutsam als die Wirtschafts- und Infrastruktur-Projekte sind und waren die Projekte im Bereich der Demokratisierung und Sicherheit. Der Stabilitätspakt hat hier in zahlreichen Klein-Projekten den Aufbau der Zivilgesellschaft gestützt. Die Hilfe zur Festigung rechtsstaatlicher Strukturen und die Investition in die Köpfe der Menschen sind schwer messbar. Dennoch: der Stabilitätspakt ist und war unzweifelhaft beim Aufbau neuer Eliten und dem Aufbrechen überkommener Denkmuster hilfreich.

Wachsendes Selbstbewusstsein

Die Zeit der großen Geber-Konferenzen für Europas Armenviertel zwischen Adria und Bosporus sind vorbei. Heute vertreten die Länder Südosteuropas mit wachsendem Selbstbewusstsein und durchaus gemeinsam ihre Interessen gegenüber dem westlichen Europa. Der Stabilitätspakt hat an dieser erfreulichen Entwicklung einen erheblichen Anteil und sich damit auf der großen, politischen Ebene vielfach selbst überflüssig gemacht.

Doch auch bei knapperen Kassen sollten sich die Geberländer dieses wirkungsvolle Instrument erhalten, gerade für die vielen kleineren und unspektakuläreren Projekte. Denn vor allem im Bereich der Demokratisierung und Menschenrechte, dem Stärken von Minderheitenrechten, Toleranz, Meinungsfreiheit ebenso wie beim Wissens- und Erfahrungsaustausch ist noch ein langer Atem nötig. Der Stabilitätspakt - mit Geld und Initiative - wird hier noch weiter vonnöten bleiben, bis die Staaten in der Region auch hier den Anschluss an Europa gefunden haben. Nicht nur mit Autobahnen und Brücken, sondern auch mit gemeinsamen Werten.