1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Reparationsfrage für Berlin längst geklärt

Wojciech Szymanski
4. August 2017

Deutsche Politiker und Juristen halten die Frage der Kriegsreparationen an Polen für abgeschlossen. Die Drohgebärden aus Warschau lösen in Berlin Befremden aus.

https://p.dw.com/p/2hfqb
Polen Deutschland Geschichte Jahrestag Überfall auf Polen Angriff auf Warschau
Überfall der Nazis auf Polen (September 1939) Bild: ullstein bild - SV-Bilderdienst

Die Geister der deutschen Kriegsentschädigungen für Polen rief Warschau in den letzten Jahren gleich mehrfach auf die Tagesordnung. 2004 stellte eine Sonderkommission fest, dass allein die von der polnischen Hauptstadt erlittenen Verluste während des Zweiten Weltkrieges mehr als 45 Milliarden Dollar betragen. Sie wurde von Lech Kaczynski einberufen, dem damaligen Bürgermeister von Warschau. Seit die national-konservative Partei "Recht und Gerechtigkeit" (PiS) Polen erneut regiert, belastet das Thema immer wieder das deutsch-polnische Verhältnis.     

Jaroslaw Kaczynski sagte schon kurz nach der Regierungsübernahme durch seine PiS in einem Interview, dass Polen und Deutschland offene Rechnungen aus dem Zweiten Weltkrieg hätten. Die Frage der Reparationen zwischen den Nachbarländern sei nie abgeschlossen worden. Der damalige Außenminister Frank-Walter Steinmeier antwortete Kaczynski in einem Brief, Polen habe keine Grundlage für Entschädigungsforderungen. Er erinnerte an den polnischen Verzicht auf Reparationszahlungen aus dem Jahr 1953. Tatsächlich verzichtete die damalige polnische Regierung auf Reparationsforderungen an den westlichen Nachbarn - doch dieser war damals die DDR. Heute argumentiert Warschau, dass das damalige kommunistische Polen von Moskau dazu genötigt worden sei, auf Entschädigungen zu verzichten.  

Jaroslaw Kaczynski
Jaroslaw Kaczynski Bild: imago/Eastnews

Verzicht auf Reparationen von 1953 gilt

Jetzt geht man in Warschau noch weiter. Der PiS-Abgeordnete Arkadiusz Mularczyk stellte eine Anfrage an das Analysten-Büro des polnischen Parlaments (Sejm). Dieses soll einschätzen, ob Polen nach dem heutigen internationalen Recht Aussicht auf Entschädigungen von Deutschland hätte. Die Antwort soll am 11. August fertig sein.

Für deutsche Juristen ist diese Frage längst abgeschlossen. Der Experte für internationales Recht Jochen Frowein, ehemaliger Direktor des Max-Planck-Instituts in Heidelberg, bereitete schon 2004 gemeinsam mit einem polnischen Historiker eine Studie zu diesem Thema vor. Damals wie heute hält Frowein die Forderungen aus Warschau für aussichtslos. Seiner Meinung nach sei die Frage "rechtlich geklärt und erledigt". Er weist dabei auch auf den internationalen Vertrag zur Deutschen Einheit: Mit der Bestätigung des "Zwei plus Vier Vertrags" ist eindeutig, dass es keine weiteren Reparationen gibt.

Frowein widerspricht auch der Argumentation des polnischen Verteidigungsministers Antoni Macierewicz, der die polnische Entscheidung von 1953 als ungültig betrachtet, weil das kommunistische Polen damals kein souveräner Staat gewesen sei. "Der polnische Verzicht auf deutsche Reparationen aus dem Jahr 1953 bleibt gültig", sagt der deutsche Rechtsexperte. "Dass sich die Verfassungssituation in Polen verändert hat und Polen kein kommunistischer Staat mehr ist, ändert an der Wirksamkeit der Erklärung nichts. Viele andere Verträge, die Polen damals abgeschlossen hat, bleiben selbstverständlich auch in Kraft."  

CDU-Abgeordneter Wellmann: Merkwürdige Forderungen

Karl-Georg Wellmann
Karl-Georg Wellmann Bild: picture-alliance/ZB

Deutsche Politiker sehen das ähnlich. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Karl-Georg Wellmann erinnert nicht nur an den völkerrechtlich bindenden Charakter der Vereinbarungen von 1953, sondern verweist auf den heutigen deutschen Beitrag zum EU-Haushalt, von dem Polen profitiere. "Wir würden gerne die polnische Regierung darauf aufmerksam machen, dass Polen jedes Jahr 14 Milliarden Euro von der EU bekommt", sagt Wellmann im DW-Gespräch. Polen sei der größte Netto-Empfänger von EU-Geldern und Deutschland  der größte Einzahler. Von diesen 14 Milliarden zahle Deutschland ungefähr vier Milliarden - und das seit vielen Jahren. "Man sollte das nicht in Frage stellen", sagt Wellmann.

"Deutschland war immer an der Seite Polens und war das Land, das sich am meistens dafür eingesetzt hat, dass Polen nicht nur Mitglied der NATO, sondern auch der EU wurde. Davon hat Polen dramatisch profitiert", argumentiert der CDU-Politiker. "Dies durch so merkwürdige Forderungen in Frage zu stellen, trifft auf kein Verständnis in Europa."  

Ein politisches Manöver?

Für den Vorsitzenden der deutsch-polnischen Parlamentariergruppe im Bundestag, Thomas Nord (Die Linke), sei die Diskussion über Kriegsentschädigungen nur ein "politisches Manöver" der polnischen Regierung in den aktuellen politischen Auseinandersetzungen mit Deutschland und der EU. "Es lässt sich immer gut auf die Verantwortung Deutschlands für den Zweiten Weltkrieg hinweisen, das ist moralisch völlig korrekt und berechtigt", sagt Nord. "Wenn man das mit Reparationen verknüpft, erhöht man natürlich den moralischen Druck auf die deutsche Seite und kann das für die innenpolitische Auseinandersetzung entsprechend nutzen, nur ist es eben völkerrechtlich nicht gedeckt." Die moralische Schuld Deutschlands gegenüber Polen werde immer bestehen bleiben, fügt er hinzu.

Dies ist auch die Haltung der Bundesregierung: Sprecherin Ulrike Demmer antwortete kürzlich vor der Presse auf eine Frage zu diesem Thema, Deutschland fühle sich politisch, moralisch und finanziell verantwortlich für den Zweiten Weltkrieg. Sie betonte jedoch, dass die Frage der Reparationen in der Vergangenheit geregelt wurde. Rechtlich und politisch.