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Der Märchenminister

2. Juli 2009

Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg gilt als zäher Kreditprüfer und Euphoriebremse und nicht als jemand, der der Öffentlichkeit Märchen auftischt. Genau das aber hat er vor Grundschülern in Berlin getan.

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Minister Guttenberg erzählt Kindern Märchen (Foto: AP)
Gestenreich und ohne Schlips: Der Minister als VorleserBild: AP

Auf bunten Sitzkissen rutschen die Schulkinder aufgeregt auf dem Fußboden hin und her, in einer kleinen Traube haben sie sich um den Vorleser-Sessel geschart. Darin hat es sich der Wirtschaftsminister bequem gemacht. Seinen Schlips hat er gleich einem Jungen im Publikum umgehängt. Noch weiß er nicht, dass er die Krawatte nicht wiedersehen wird. Der Verein "Märchenland - Das Deutsche Zentrum für Märchenkultur" hat Karl-Theodor zu Guttenberg ins Berliner Max Liebermann Haus eingeladen. Der Titel der Veranstaltung: "Politiker erzählen Märchen".

"Hans im Glück" in Krisenzeiten

Guttenberg plaudert mit seinen Zuhörern, fragt, woher sie kommen, wie alt sie sind - und nimmt dann mit großer Geste das Märchenbuch zur Hand. Nur die Kameras der Fotografen klicken, als Guttenberg seine Rednerstimme hebt. Zwei Töchter hat der CSU-Politiker und ist ein geübter Vorleser, fast könnte man sagen Mundartkenner und Vokalakrobat. Und wenn sich eine Pointe nähert, zeichnet er mit er Figuren in die Luft oder reißt seine Augen weit auf. Das Können bringt Guttenberg also mit zur Märchenstunde. Und den nötigen Mut.

Denn sein Märchen heißt ausgerechnet "Hans im Glück", und es gehört Humor dazu, diese Geschichte als Wirtschaftsminister in Krisenzeiten vorzutragen. In wirtschaftlichen Krisenzeiten muss Guttenberg oft das Wenige, was es zu verteilen gibt, anpreisen anstatt zu lamentieren. Das passt gut zur Geschichte von Hans. Der ist eine tragische Figur. Mit einem Goldklumpen zieht er in die Welt und wird immer wieder in verlustreiche Tauschgeschäfte verwickelt: Gold gegen Pferd, Pferd gegen Kuh, Kuh gegen Gans. Mit jedem Handel hat Hans weniger in der Tasche. Und freut sich trotzdem.

Nach der Lesung fragten die Schüler den Minister aus

Minister Guttenberg vor Kindern (Foto: AP)
Für Kinder schön, für Politiker doppeldeutig: Guttenberg las "Hans im Glück"Bild: AP

Mal mit hoher Stimme sächselnd, mal im bayerischen Bariton - Guttenberg liest genüsslich vor, spickt sein Märchen mit kleinen Bemerkungen. Er nimmt die kleinen Zuhörer mit auf Hans' tragische Tour und zieht sie mühelos in seinen Bann. Bis zum Ende, als Hans auch seinen letzten Besitz verloren hat. "Frei von aller Last sprang er nun fort, bis er daheim bei seiner Mutter war." Es gibt lauten Applaus. Dann schießen kleine Arme in die Höhe, denn der Minister hat noch Zeit, einige Fragen zu beantworten. Wie seine Hunde heißen, erzählt er und dass er Weißwürste sehr gern mag, aber auf Spaghetti. Als eine Schülerin nach seinem Schlips als Geburtstagsgeschenk für ihren Großvater fragt, gibt der Minister ihn ohne zu Zögern her.

Schmunzeln muss er bei der Frage, wie er denn eigentlich Wirtschaftsminister geworden ist. "Das fragen sich heute auch noch einige", lacht er. Guttenbergs rasanter Aufstieg hat durchaus etwas von einer Märchengeschichte: Der Rücktritt des damaligen Bundeswirtschaftsministers Michael Glos und die unionsinterne Personalarithmetik machten den 37-Jährigen im Februar 2009 recht überraschend zum Glos-Nachfolger. Zumindest innerhalb der CSU gilt Guttenberg als neuer Star. Am Ende der Märchenstunde konnte er sich auch im Max Liebermann Haus wie einer fühlen. Umringt von einer Kindertraube signiert der junge Minister unzählige Autogrammkarten mit seinem Konterfei und lässt sich erst dann wieder von der Wirtschaftskrise einholen.

Autor: Benjamin Braden

Redaktion: Dirk Eckert