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"Für Europa ist es wichtig, dass die Ukraine einen guten Weg geht."

7. Juli 2005

Volker Rühe gehört zu den Abgeordneten im Deutschen Bundestag, die sich mit der Ukraine intensiv befassen. Im Gespräch mit DW-RADIO setzt er sich dafür ein, Kiew die Perspektive der EU-Mitgliedschaft zu geben.

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Volker RüheBild: dpa

Volker Rühe war in der Regierung unter Helmut Kohl Verteidigungsminister. Er gilt als einer der einflussreichsten deutschen Politiker, die sich auf auswärtige Beziehungen spezialisiert haben. Heute ist er Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im Deutschen Bundestag. Dank Rühes starker Unterstützung erhielt der ukrainische Präsident Wiktor Juschtschenko im März dieses Jahres die Möglichkeit, vor den Abgeordneten des Bundestags zu sprechen, was für ausländische Gäste in Deutschland eine seltene Ehre ist. Heute gibt es im Bundestag nicht viele Abgeordnete, die sich aktiv für eine europäische Integration der Ukraine einsetzen würden. Volker Rühe, will bei den nächsten Bundestagswahlen nicht mehr kandidieren. Er beabsichtigt aber, auch außerhalb des Parlaments die Zusammenarbeit mit der Ukraine fortzusetzen:

"Ja, das möchte ich gerne, in welcher Form auch immer, das muss man sehen. Man kann auch Außenpolitik machen von außerhalb des Parlaments. Das wird ein Thema sein, das mir weiter am Herzen liegen wird – Verbindungen zur Ukraine, die weitere Entwicklung in der Ukraine und der Zusammenhang zwischen der Europäischen Union, wie sie sich entwickelt, und der Ukraine. Aber wie konkret, das werden wir sehen. Wichtig ist auch, das nicht nur auf die politischen Kontakte zu stützen, sondern breit. Ich habe das Angebot und auch die Möglichkeit, an den Kiewer Gesprächen mitzuarbeiten. Es gibt viele Möglichkeiten, mit der Zivilgesellschaft zusammenzuarbeiten, und dann muss man eben sehen, dass man immer wieder Abgeordnete findet. Aber die gibt es in allen Fraktionen, die sich in besonderer Weise engagieren und begreifen, wie strategisch wichtig für Europa ist, dass die Ukraine einen guten Weg geht."

Perspektive der Mitgliedschaft ist wichtig

Der einstige CDU-Generalsekretär verfolgt eine von seiner Fraktion unabhängige Politik. Die Opposition, die im Herbst die Regierung übernehmen könnte, tritt dafür ein, eine Pause bei der EU-Erweiterung einzulegen und der Türkei anstatt einer Mitgliedschaft eine privilegierte Partnerschaft anzubieten. Rühe ist damit nicht einverstanden. Seiner persönlichen Meinung nach, ist trotz der Krise die EU erweiterungsfähig:

"Ich finde immer, dass der Begriff der Krise nicht alles trifft. Die EU ist weiterhin sehr attraktiv. Man sieht ja, dass immer noch viele Staaten Mitglied werden wollen und niemand austritt. Es gibt Ängste vor der Globalisierung. Die Verfassung war auch sehr sperrig. Und dann gibt es, finde ich, auch mangelnde Solidarität gegenüber den Staaten, die aus Ost- und Mitteleuropa gekommen sind, die jetzt schon Mitglied sind. Und das ist eine Frage der politischen Führung, dass man deutlich macht: Wenn Europa nicht mehr geteilt ist, dann kann die EU auch nicht so klein bleiben, wie sie unter den Bedingungen der Teilung gewesen ist. Wichtig ist nicht ein fester Zeitplan für eine Mitgliedschaft für die Türkei, für die Ukraine oder für die Staaten des Westbalkans, aber die Perspektive der Mitgliedschaft, die muss da sein. Das Licht am Ende eines Tunnels, wenn das abgeschaltet würde, dann wäre das ein riesiger strategischer Fehler, denn das braucht man, um diese schwierigen Veränderungsprozess zu vollziehen."

Deutschland als Fürsprecher der Ukraine

Insgesamt bewertet Rühe die politische Entwicklung in der Ukraine positiv. Die meisten Entscheidungen der neuen Staatsmacht bezeichnet er als richtig. Ein Problem, das die Entwicklung bremst, sind seiner Ansicht nach die Parlamentswahlen, die in weniger als einem Jahr stattfinden werden. Nach den Wahlen würden die neu gewählten Abgeordneten vier Jahre Zeit haben, die sie nicht vergeuden dürften. Was die Parlamentswahlen und einen möglichen Regierungswechsel in Deutschland betrifft, so hofft Rühe hier auf eine kontinuierliche Politik gegenüber der Ukraine:

"Ich hoffe, dass es da weitgehend Kontinuität gibt, denn man muss sagen, dass die jetzige Regierung, und dafür war Präsident Juschtschenko auch sehr dankbar, eigentlich eine sehr positive Rolle gespielt hat, auch was den Ausgleich von Schwierigkeiten zwischen der Ukraine und Russland angeht, aber auch als Fürsprecher der Ukraine unter den klassischen westeuropäischen Staaten, so wie das Polen im mittel- und osteuropäischen Bereich ist, als unmittelbarer Nachbar. Ich denke, eine unionsgeführte Regierung ist gut beraten, dies fortzusetzen, und darauf hoffe ich. Und wenn dies nicht so gut läuft, dann werde ich von außen versuchen einzuwirken."

Natalija Fiebrig, Berlin
DW-RADIO/Ukrainisch, 4.7.2005, Fokus Ost-Südost