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Werbung gegen Euro-Skepsis

Wolfgang Dick21. Juni 2016

Europa hat es derzeit schwer. Großbritannien stimmt per Brexit-Votum ab, ob es die EU verlässt. Nach jüngsten Umfragen hat die EU-Skepsis insgesamt zugenommen. Dringend gesucht: Werbestrategien gegen EU-Gegner.

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Werbeanzeige der Kampagne "ich-will-Europa.de" - Foto:: Mercator Stiftung, Essen
Mit dieser Anzeige wollten zehn deutsche Stiftungen bereits 2012 überzeugenBild: Stiftung Mercator GmbH

Es kommt offenbar nicht einmal mehr darauf an, wie sich Großbritannien entscheidet. Neben den Briten sehen viele Europäer das politische Gebilde "Europäische Union" kritisch. Das hat das Forschungszentrum "Pew Research Center" bei Umfragen in zehn Ländern Europas herausgefunden. Nach den Ergebnissen der US-amerikanischen Denkfabrik hat das Lager der EU-Befürworter im Jahr 2015 deutlich abgenommen: in Frankreich um 17 Prozent, in Spanien um 16 Prozent, in Deutschland um acht Prozent.

Vor allem die Art und Weise, wie die EU die Finanzkrise und das Flüchtlingsproblem behandelt hat, wird missbilligt. Nicht einverstanden sind vor allem Griechen (94%), Schweden (88%) und Italiener (77%). Selbst die sonst toleranten Niederländer nörgeln (31%).

Europa-Idee braucht intelligente Werbung

"Europa muss zu einer starken Marke werden", sagt der Chef einer der profiliertesten Kommunikationsagenturen für politische PR in Deutschland. Bernhard Fischer-Appelt entwickelt exklusiv im Gespräch mit der DW einige Grundzüge einer Kampagne, die erfolgreich sein könnte, damit Europa wieder mehrheitlich positiv wahrgenommen wird.

"Man muss die Menschen aktiv informieren und mitnehmen", Fischer-Appelt setzt auf den Dialog zwischen den Bürgern und den bisher oft undurchschaubaren EU-Institutionen. Das Internet sei dafür die richtige Plattform. "Vor allem die Errungenschaften für die Europa gesorgt hat, müssen stärker herausgestellt werden", betont der PR-Chef.

Bernhard Fischer-Appelt Vorstand FischerAppelt AG, Foto: Fischer-Appelt AG
PR-Agenturchef Bernhard Fischer-AppeltBild: fischerAppelt

Trotz mancher Krise habe die EU überwiegend wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Erfolg gebracht. "Es muss klar werden, dass es den Menschen wichtig ist, dass hier Freiheit, Demokratie und wirtschaftlicher Wohlstand nur gemeinsam erreicht und erhalten werden können." Das gelte es in den Vordergrund zu stellen. "Die EU als Gemeinschaft, die zusammen stärker ist als einzelne Länder es jemals sein können." Fischer-Appelt denkt deshalb nicht an eine einheitliche Werbung für alle 28 Mitgliedsstaaten. Das wäre erstens viel zu teuer und außerdem gebe es in den Ländern viel zu viele unterschiedliche Interessen, die mit der EU verbunden seien.

"Europa ist kein Consumer-Produkt wie Coca-Cola. Wir müssen viel mehr erklären und einfache, verständliche Begriffe verwenden. Es darf zum Beispiel nicht heißen: geringfügige Beschäftigungsverhältnisse. Der Begriff 'Mini-Jobs' ist viel besser und schneller zu verstehen." Das so genannte "Branding" müsse stimmen, erläutert der Kommunikationsexperte seine Vorstellung. Etliche seiner Ideen wurden bereits aufgenommen.

Deutsche Werbeinitiative

In Deutschland setzte sich Bundespräsident Joachim Gauck als Schirmherr für die Kampagne "Ich-will-Europa" ein, die aus zwei Elementen bestand: Zum einen konnten Bürger ihre Kommentare oder Fragen im Netz direkt an EU-Fachleute richten. Zum anderen warben Prominente mit ihren ganz eigenen Argumenten für die Europäische Union. Fußballstar Philipp Lahm meinte mit Blick auf die Zuwanderung und die Vielfalt in Europa: "Ein Team kann auch mit ganz unterschiedlichen Typen funktionieren."

Werbebild ich-will-Europa.de Foto: Mercator Stiftung Essen
Mit persönlichen Aussagen für Europa werben, das versuchte die Kampagne "Ich will Europa"Bild: Stiftung Mercator GmbH

Diese Aussage habe vielen gefallen und dementsprechend viele positive Reaktionen nach sich gezogen, erklärt Christine Ehrig. Sie war für die Stiftung Mercator in Essen an der Initiative beteiligt. Unter Federführung von Mercator und der Robert Bosch Stiftung hatten bereits 2012 zehn Stiftungen in Deutschland versucht, Stimmung für die Europäische Union zu machen. "Die positiven Äußerungen haben eindeutig überwogen", schwärmt Ehrig.

Besonders beeindruckend seien die vielen positiven persönlichen Erlebnisse, die EU-Bürger beschrieben. Vor allem in Grenzgebieten sei es inzwischen völlig selbstverständlich, sich gegenseitig zu besuchen und Freundschaften zu pflegen. Christine Ehrig räumt aber auch ein: "Es ist nicht leicht. Man bohrt schon dicke Bretter. Aber ich denke, es lohnt sich."

Erfolgreiche PR

"Für Sie da" hieß eine Werbekampagne, die im Jahr 2014 von der Europäischen Kommission gestartet wurde. Sie ist bis heute im Internet präsent. Unter dem internationalen Titel "working for you" wird vor allem der Nutzen der EU anhand konkreter Fälle dargestellt.

Europäische Kommission Deutschland Kampagne. Foto: EU-Kommission in Berlin
Viele nützliche Helfer bildete die Kampagne "Für Sie da" abBild: Europäische Kommission Deutschland, Büro Berlin

So wurde aufgezeigt, wie EU-Haushaltsmittel sinnvoll eingesetzt werden. Ein Beispiel: Busse für Senioren im ländlichen Raum sollten die Mobilität auch im hohen Alter garantieren. Aus EU-Fördertöpfen erhielt das Projekt Unterstützung und konnte realisiert werden. Es geht aber nicht nur um Geld. Europa macht stärker. Ein Beispiel dazu: Die Ostsee-Anrainerstaaten fanden über Brüssel zusammen und kämpfen gemeinsam erfolgreich gegen die Verklappung von Müll in den Gewässern.

Für die Europäische Kommission war es ein Pilotprojekt. Nun soll so auch künftig das Investitionsprogramm von Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker öffentlichkeitswirksam unterstützt werden.

Gute Politik ist die beste Werbung für Europa

Reinhard Hönighaus, der Sprecher der Europäischen Kommission in Berlin, kann auf gute Resonanz dieser Kampagne verweisen. "Wir haben 115 Millionen Menschen erreicht. 30 Millionen haben sich danach positiv erinnert." Kritisiert wurde die Kampagne dennoch.

Reinhard Hönighaus, Sprecher der Europäischen Kommission in Deutschland, Foto: EU-Kommission
Reinhard Hönighaus: "Politik muss überzeugen"Bild: EU Kommission

Der Hauptvorwurf lautete, die EU-Kommission habe sich mit Printanzeigen von vornherein nur an Medien gewandt, die überwiegend von EU-Befürwortern genutzt würden. Hönighaus verweist auf die effektive Nutzung von Steuergeldern. "Euro-Skeptiker umzustimmen, ist problematisch. Die sind selbst guten Argumenten gar nicht zugänglich."

Wenig später fallen von Hönighaus Sätze, die erklären, warum auch Werbung für Europa kaum zu einem Stimmungsumschwung beiträgt. "Die Menschen erwarten Lösungen in Europa und was Sie sehen, ist Streit und Uneinigkeit. Mit einer Waschmittelwerbung, die das irgendwie übertüncht, glaube ich, können wir nichts erreichen. Unser Image hängt davon ab, wie gut unsere Politik ist."