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Für Jung lief alles korrekt ab

25. März 2010

Mehr als ein halbes Jahr nach dem Bombardement im afghanischen Kundus ist weiter ungeklärt, wer wann was wusste. Ex-Bundesverteidigungsminister Franz Josef Jung verwahrte sich gegen den Vorwurf der Vertuschung.

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Jung und die Ausschussvorsitzende Susanne Kastner vor einem Tisch stehend (Foto: AP)
Franz Josef Jung verteidigte vor dem Untersuchungsausschuss seine umstrittene InformationspolitikBild: AP

Vor einigen Monaten stolperte Ex-Verteidigungsminister Jung über die Bundeswehr-Affäre um das verheerende Bombardement zweier Tanklastzüge im afghanischen Kundus. Der Hesse legte später sogar sein neues Amt als Bundesarbeitsminister nieder. Er zog damit die Konsequenz aus der Informationspanne um die Vorgänge im vergangenen Sommer. Am Donnerstag (25.03.2010) holte ihn die Vergangenheit vor dem Kundus-Untersuchungsausschuss ein. Vor dem Gremium schilderte der CDU-Politiker die Vorgeschichte des Angriffs sowie die Informationen, die er selbst als Minister an das Parlament, seine Regierungskollegen sowie die Öffentlichkeit weitergab. Jung hat die zögerliche Informationspolitik der Bundesregierung nach dem Bombardement in Afghanistan gerechtfertigt. Ihm sei es darum gegangen, Öffentlichkeit und Parlament "wahrheitsgemäß und korrekt zu berichten". Deswegen sei er mit den ersten Informationen über Opferzahlen vorsichtig umgegangen.

Jung wollte sich vor Klein stellen

Der Ex-Minister listete während der 45-minütigen Befragung minuziös auf, zu welchem Zeitpunkt er welche Informationen hatte und wie er die Obleute des Verteidigungsausschusses unterrichtete. Demnach schloss er bereits am 6. September, also zwei Tage nach dem Bombardement, in Medienberichten zivile Opfer nicht mehr aus. Und das, obwohl Oberst Georg Klein ihm gegenüber die Einschätzung geäußert habe, dass nur Taliban bei dem Bombardement vor Ort gewesen seien. Der Ex-Minister pochte während der Befragung darauf, Klein zu schützen: "Ich habe es als meine Pflicht angesehen, mich vor Oberst Klein zu stellen."

Oberst Klein in Kampfuniform (Foto: AP)
Seine Rolle ist weiter unklar: Oberst Georg KleinBild: AP

Vor einer abschließenden Bewertung der Luftattacken habe er den NATO-Bericht abwarten wollen, verteidigte sich Jung. Da man die NATO-Untersuchung unterstützte, habe man auch auf einen eigenen Untersuchungsbericht verzichtet. Deshalb habe er sich auch über den sogenannten Feldjägerbericht "geärgert", der "nicht vorteilhaft" gewesen sei für die Bundeswehr. Am 26. November war der Bericht an die Presse gelangt und hatte später zum Rücktritt Jungs als Arbeitsminister geführt. Bei der Übergabe des Verteidigungsministeriums an seinen Nachfolger Karl-Theodor zu Guttenberg hat Jung diesem empfohlen, sich auf den NATO-Bericht zu konzentrieren, dessen Veröffentlichung unmittelbar bevorstand.

Wie früh war das Kanzleramt informiert?

Unterdessen kommen weitere Details ans Licht, wie früh das Bundeskanzleramt von dem Bombardement unterrichtet wurde. Wie "Spiegel Online" am Donnerstag meldete, ging an dem Morgen um 8.06 Uhr deutscher Zeit eine E-Mail mit entsprechenden Informationen des Bundesnachrichtendienstes an leitende Beamte im Kanzleramt. Ein Regierungssprecher erklärte, bei der E-Mail handele es sich lediglich um eine "unverbindliche Erstinfo des Bundesnachrichtendienstes" (BND). Darin sei unter anderem dem stellvertretenden Leiter der Abteilung 6 im Kanzleramt mitgeteilt worden, dass bei dem Angriff "zahlreiche Zivilisten ums Leben gekommen" sind. Die Abteilung 6 ist für die Koordination der Geheimdienste verantwortlich. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte die Existenz ziviler Opfer nach dem Angriff zwar nicht verneint, allerdings äußerte sie sich erst Tage später im Bundestag erstmals zu dem Bombardement. Jung war die Mail nach Angaben der Nachrichtenagentur dpa nicht bekannt. Er habe davon erst am Donnerstag durch den Online–Bericht erfahren.

Einer der beiden bombardierten Tanklastzüge und ein Soldat (Foto: AP)
Das umstrittene Bombardement in Kundus sorgt seit Monaten für DiskussionenBild: AP

Die Opposition dagegen nimmt die Kanzlerin ins Visier: Für den Grünen-Obmann Omid Nouripour hat sich durch die E-Mail eine neue Lage in den Untersuchungen gegeben: "Wenn das Kanzleramt so früh Bescheid wusste, dann haben wir ein Problem, dann liegt hier Vertuschung vor." Jan van Aken von der Linkspartei sprach sogar von Lüge. "Ich finde die Lügerei, die in den Tagen nach dem 4. September stattgefunden hat, nur aus reinen Wahlkampfgründen, unerträglich", kommentierte er den Bericht des Online-Magazins. Für ihn ist klar: In den kommenden Wochen müsse auch Angela Merkel vor dem Ausschuss erklären, "warum sie - obwohl die Information über zivile Opfer vorlag - nicht die Wahrheit gesagt hat".

Autor: Marcus Bölz (apn, dpa, afp)
Redaktion: Hajo Felten