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Konzert in Wolgograd

Anastassia Boutsko5. Februar 2013

Vor 70 Jahren ging die Schlacht um Stalingrad zu Ende. Am 3. Februar 2013 bildete ein gemeinsames Konzert eines deutschen und eines russischen Orchesters den Höhepunkt der Feierlichkeiten.

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Christian Heinecke, Orchestervostand der Osnabrücker Symphoniker vor einem Denkmal in Wolgograd (Foto: Christian Heinecke)
Osnabrücker Symphoniker Christian HeineckeBild: Christian Heinecke

Freudige Aufregung herrschte im Osnabrücker Theater kurz vor der Abreise. Warme Socken wurden gekauft, Instrumente sorgfältig eingepackt und der Wechselkurs des Rubel ermittelt. Für alle aber war die zentrale Frage: "Wie werden wir als Deutsche in Wolgograd empfangen?" - Wolgograd, die Stadt, die bis 1961 Stalingrad hieß, die symbolisch für eine der größten Tragödien des Zweiten Weltkrieges steht. "Mit sehr viel Liebe", versichert Christian Heinecke, Geiger des Osnabrücker Symphoniker und Mitinitiator des ganzen Projektes, seinen Kollegen.

In Wolgograd findet es große Anerkennung, dass man auch in Deutschland dem für Russland so wichtigen Datum - dem 70. Jahrestag der Schlacht um Stalingrad - eine so große Bedeutung beimisst. "Wir sind sehr froh und stolz, dass das Orchester aus Deutschland zu uns kommt", so Viktor Kijaschko, Direktor der Wolgograder Philharmonie. "Die Osnabrücker Symphoniker sind übrigens das erste Orchester aus Deutschland, das in unserem Haus auftritt."

Gemeinsamen Ton finden

Das Orchester aus der "Friedensstadt Osnabrück" gab an der Wolga insgesamt drei Konzerte im Rahmen des Festivals "Musik der Welt gegen den Krieg". Höhepunkt des Programms, das mit Unterstützung des Auswärtigen Amtes und des Goethe-Instituts zustande kam, war das Konzert am 03.02.2013. Am Abend musizierten die Osnabrücker Symphoniker zusammen mit ihren russischen Kollegen, den Wolgograder Philharmonikern. "An jedem Pult sitzt ein russischer und ein deutscher Musiker", berichtet Christian Heinecke. Dirigiert wurde das Konzert abwechselnd von einem deutschen und einem russischen Dirigenten - dem Wolgograder Chefdirigenten Eduard Serov und seinem jungen Osnabrücker Kollegen Andreas Hotz.

Die Sprache der Musik musste ihren universellen Charakter dabei wieder einmal unter Beweis stellen, denn russische Musiker sprechen kein Deutsch und kaum Englisch, und die deutschen kein Russisch. Und zwei Orchester mussten auf sich im wahrsten Sinne des Wortes aufeinander einstimmen: In Russland gilt nach wie vor der klassische Kammerton von 440 Hertz. Die Osnabrücker, wie die meisten deutschen Orchester, haben einen wesentlich höheren Kammerton. Man hat sich auf 442 Hertz geeinigt. "Da treffen tatsächlich Welten aufeinander", gibt Christian Heinecke zu. "Schon was die Streicher angeht: Wir in Deutschland spielen zum Beispiel Beethoven seit Jahren mit einem sehr schlanken Ton, nahezu ohne Vibrato, auch nicht in Riesenbesetzungen". Das ist in Russland noch ein bisschen anders. "Unser Orchester ist sehr flexibel, ich mache mir überhaupt keine Sorgen, dass wir gemeinsam einen einheitlichen Klang erzeugen werden", sagt Andreas Hotz. Ansonsten wolle man für das Konzert schließlich "nicht den Echo-Klassik-Preis verliehen bekommen, sondern einen wunderbaren Gedenkabend für die unzähligen Toten in Stalingrad gestalten".

Christian Heinecke, Orchestervostand der Osnabrücker Symphoniker (Foto: DW/A. Boutsko)
Christian Heinecke, Orchestervostand der Osnabrücker SymphonikerBild: DW/A.Boutsko
Andreas Hotz, Dirigent der Osnabrücker Symphoniker schwingt den Taktstock (Foto: Marek Kruszewski/dpa)
Dirigent Andreas HotzBild: picture-alliance/dpa

"Seid umschlungen, Millionen!"

Auf dem Programm standen ein Werk des russisch-sowjetischen Komponisten Gavriil Popov, "Erwartungen" von der in London lebenden russischen Komponistin Elena Firsova und die Neunte Symphonie von Ludwig van Beethoven. Firsovas Komposition ist ein Auftragswerk der Osnabrücker und deren Geschenk an die Stadt Wolgograd. "Es ist ein unheimlich beeindruckendes Werk", sagt Andreas Hotz, der die Uraufführung in Wolgograd leitete. "Diese Musik ist sehr gespalten zwischen einer großen intimen persönlichen Spannung und Ausbrüchen, die fast kriegerischer Natur sind. Am faszinierendsten ist, wenn am Ende ein großer Chor auftritt. Dann merkt man, dass dieses Stück in einer Reihe mit großen Requiem-Kompositionen steht."

Osnabrücker Symphoniker (Foto: Marek Kruszewski)
Osnabrücker SymphonieorchesterBild: Marek Kruszewski

Zum Abschluss des Konzerts interpretierte ein doppelt besetztes Orchester mit einem riesengroßen Chor Beethovens Neunte Symphonie. Dies war ausdrücklicher Wunsch der russischen Seite. "Die Botschaft der Symphonie – Seid umschlungen, Millionen! – ist genau das, war wir mit diesem Konzert vermitteln wollen", so Viktor Kijaschko.

Das Konzert wird mit Unterstützung des DW-Partnersender "Radio Orpheus" (Moskau) mitgeschnitten und von Deutschlandradio Kultur am gleichen Abend übertragen. Zeitversetzte Sendungen in mehreren Sprachen erfolgen auch bei der DW und "Radio Orpheus".