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Für und wider Stalin

Stephan Hille25. Januar 2005

"Für Stalin, für die Heimat" - Mit diesem Schlachtruf auf den Lippen kämpften sich die Rotarmisten 1945 bis nach Berlin vor. In diesem Jahr jährt sich das Kriegsende zum 60. Mal.

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Der 9. Mai ist als "Tag des Sieges im Großen Vaterländischen Krieg" ohnehin einer der wichtigsten russischen Feiertage mit einer aufwendigen Militärparade auf dem Roten Platz und zahlreichen Veteranentreffen. Doch in diesem Jahr wird der 60. Siegestag besonders aufwendig und pompös gefeiert.

Bundeskanzler Gerhard Schröder hat bereits die Einladung von Präsident Wladimir Putin angenommen und wird zu den Feierlichkeiten nach Moskau reisen. Schröder dürfte dann wohl gemeinsam mit Putin die Parade anschauen, die vor allem wegen ihrer Choreographie, dem Pathos und der alten Symbole die Erinnerung an die untergegangene Sowjetunion wieder aufleben lässt. Kein Wunder, schließlich hatte die Sowjetunion mit schätzungsweise 20 Millionen Todesopfern einen enorm hohen Blutzoll geleistet. Der mit gewaltigen Mühen errungene Sieg unter Stalin trug ebenfalls dazu bei, das damalige Sowjetsystem unter der Bevölkerung zu legitimieren.

Neue Denkmäler für den "Generalissimus"

Auch heute verbindet ein Großteil der Russen den Namen des Sowjetdiktators vor allem mit dem Sieg im Zweiten Weltkrieg als mit den ganzen Repressionen, angefangen von den Straflagern des Gulag, der Kollektivierung der Landwirtschaft bis hin zu den Deportationen ganzer Völker. Erst kürzlich landete Stalin in einer Umfrage nach den zehn besten russischen Herrschern auf dem dritten Platz hinter den beiden Reform-Zaren Peter der Große und Alexander der Zweite.

Und so überrascht es nicht, dass 60 Jahre nach Kriegsende in Russland wieder darüber nachgedacht wird, dem "Generalissimus" neue Denkmäler zu setzen, nachdem wenige Jahre nach dem Tod des "Völkervaters" (1953) alle Stalindenkmäler unter Chruschtschows Entstalinierungskampagne von den Sockeln gestoßen worden waren.

So sollen nach russischen Medienberichten gleich an drei Orten Stalin wieder auf den Sockel gehoben werden: Im Moskauer Siegespark soll bei den Maifeierlichkeiten ein neues Denkmal enthüllt werden, das den Diktator Seite an Seite mit Roosevelt und Churchill zeigt, als Troika der Sieger über Nazi-Deutschland. In Belgorod nahe der ukrainischen Grenze soll ebenfalls ein Monument errichtet werden, dass Stalin zusammen mit Marschall Schukow und dem aus Belgorod stammenden Marschall Watutin über eine Landkarte gebeugt darstellt.

Baltische Bedenken

In einer Skulpturenfabrik in St. Petersburg lagert ebenfalls eine neue Bronzeskulptur des "Generalissimus", die zusammen mit den Skulpturen von Roosevelt und Churchill auf der Krim aufgestellt werden soll, in Erinnerung an die Konferenz von Jalta. Auf dieser zweiten alliierten Kriegskonferenz konnte Stalin Roosevelt und Churchill weitgehende Zugeständnisse für seine Gebietsansprüche und die Grenzziehung nach Kriegsende abringen.

Ob nun tatsächlich dem Genossen Stalin wieder auf den Sockel geholfen wird, scheint noch unklar. Auf der Krim wie auch in Moskau rühren sich bereits Widerstände gegen die Denkmalpläne. Allein die Diskussion, für oder wider Stalin-Denkmäler, zeigt wieder einmal, wie schwer es der russischen Gesellschaft noch immer fällt, sich mit ihrer Vergangenheit und der Rolle Stalins auseinander zu setzen.

Wie heikel die Denkmal-Frage ist, zeigte sich auch an der Reaktion in Litauen. Der litauische Präsident, Valdas Adamkus, hat laut Medienberichten seine Teilnahme an der Gedenkfeier am 9. Mai in Moskau davon abhängig gemacht, dass nicht gleichzeitig ein neues Stalin-Denkmal eröffnet wird. Aus litauischer Sicht mehr als verständlich: Schließlich hatten alle drei baltischen Republiken unter Stalin ihre noch junge Unabhängigkeit wieder verloren.