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Deutsche Olympiahoffnungen

Lutz Kulling

Noch nie hat ein Turner hierzulande einen solchen Kultstatus erreicht: Reckweltmeister Fabian Hambüchen gewinnt die Herzen als Draufgänger mit jungenhaftem Charme.

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Fabian Hambüchen nach dem Gewinn der WM-Goldmedaille in Stuttgart 2007 (AP Photo/Michael Probst)
In Siegerpose: fabian HambüchenBild: AP

„Noch die letzten beiden Riesenfelgen - der steht! Da ballt er die Fäuste, Fabian, Du bist Weltmeister am Reck!“ Nicht nur der Reporter in der Stuttgarter Schleyer-Halle war schier aus dem Häuschen. Und bei seinem bisher größten Erfolg bewies Fabian Hambüchen einmal mehr Nerven wie Drahtseile: Dem enormen Erwartungsdruck bei den Titelkämpfen 2007 im eigenen Land hatte er denkbar souverän standgehalten.

So wurde im letzten September ein Turner zum Volkshelden – und der nur 1,63 Meter große Herr der Riesenfelgen später auch zum Sportler des Jahres gewählt. „Das ist wirklich die größte Auszeichnung, die ich bisher bekommen habe“, zeigte sich der Geehrte beglückt. „Und die Trophäe wird einen Ehrenplatz in meinem Zimmer finden.“

Fabian Hambüchen turnt am 16.08.2004 bei den Olympischen Spielen in Athen in der Qualifikation am Reck. Nachdem bei seiner Ankunft der dritte Satz Kontaktlinsen zu Bruch ging, turnte der 16-Jährige seit Jahren erstmals wieder mit einer Sportbrille.
Fabian Hambüchen bei den Olympischen Spielen in Athen 2004Bild: dpa - Sportreport

Es war ein langer Weg an die Weltspitze, trotz seines noch immer jugendlichen Alters von 20 Jahren: Bereits 2004 war Hambüchen als Turn-Küken bei Olympia in Athen dabei und hatte Platz sieben an seinem Lieblingsgerät Reck belegt. Schon damals wurde er von Kollegen „Professor“ genannt, weil der Brillen- und Kontaktlinsenträger immer auch großen Ernst und Zielstrebigkeit erkennen ließ.


Kleiner Herr der Riesenfelgen

Denn der Traum vom perfekten Tkatschew-Salto oder Tsukahara hat seinen Preis. „Ich trainiere etwa 28 Stunden in der Woche, mein bisheriges Leben besteht eigentlich nur aus Turnen“, räumt Fabian Hambüchen ein. Die Schule und alles andere rückten da notgedrungen ins zweite Glied. Zur Entspannung pflegt der Risikofreudige zumindest ein gefährlich klingendes Hobby: Schnell Autofahren und laut Musik hören, mag er nach eigenen Angaben besonders.

Fabian Hambüchen beim Bodenturnen im olympischen Teamfinale der Männer 2004 (AP Photo/Kevork Djansezian)
Auch am Boden...Bild: AP

Das Muskelpaket mit Abitur schweift aber auch gerne in die Ferne. So schlug er schon einige Male sein Trainingslager in Japan auf, wobei diese Verbindung sehr lange Wurzeln hat: Eineinhalb Jahre hatte Hambüchens Vater und Trainer Wolfgang dort studiert. „Zuhause habe ich vielleicht einen guten Trainingspartner zur Verfügung“, erklärt der etatmäßige Vorturner. „Hier habe ich eine Top-Truppe von zehn Leuten, die allesamt bei uns locker in der Nationalmannschaft wären.“


Japan-Connection und Kinderlärm

Davon kann im Leistungszentrum des hessischen Lahn-Dill-Kreises keine Rede sein. Hier studiert Hambüchen im Alltag neue Elemente und die Kür ein, die ihm in Peking Gold bringen soll. „Doch die Halle ist meistens rappelvoll, auch mit Breitensportlern“, berichtet der Top-Athlet. „Und wenn 70 oder 80 Kinder um einen herumwuseln, wird eine WM-Reckübung mitunter doppelt schwer.“ Andererseits führt er auf den routinierten Umgang mit dem Chaos auch einen Teil seiner Nervenstärke zurück.

Fabian Hambüchen bei der EM 2006. (AP Photo/Thanassis Stavrakis)
und an den Ringen topfit.Bild: AP

Frischen Ansporn bescherten Hambüchen die Europameisterschaften im Mai: Aus Lausanne kehrte Fabian wieder mit Gold am Reck und einem kompletten Medaillensatz heim. Dabei nutzte er seine wachsende Vielseitigkeit auch, um das deutsche Team nach langer Durststrecke zu Silber zu führen.


Die Familie als Team

Mittlerweile gilt Hambüchen auch am Boden durchaus als Medaillenkandidat. Aber selbst bei einem wie ihm meldet sich gelegentlich „der innere Schweinehund“. Doch der Champion winkt ab: „Das ist ganz normal bei jedem Sportler, dass er auch mal weniger Lust hat. Doch für meinen Kindheitstraum, einmal Olympiasieger zu werden, wird jetzt jeden Tag knallhart trainiert!“

Der Countdown für Peking läuft also – und Fabian Hambüchen scheint gerüstet. Große Stütze ist dabei das persönliche Umfeld, das auch aus Mutter Beate mit eher logistischen Talenten besteht. Zudem bietet sein Onkel Bruno als Diplom-Pädagoge mentalen Rückhalt an.

Immerhin weiß der Hoffnungsträger nach seinem ersten Wettkampf in der Olympiahalle auch, was auf ihn zukommt. „Demnach scheint Turnen in China doch gar nicht so unpopulär zu sein“, meint Fabian Hambüchen. „Und hoffentlich wird's dann bei den Spielen so richtig abgehen!“